Bereich: B Herausforderungen der Gegenwart

Thema: Natürliche und künstliche Intelligenz

Beitrag 1: Natürliche Intelligenz 1: Prozesse im Bereich von Intelligenz (Bodo Fiebig11. November 2021)

Wir Menschen waren es seit Jahrtausenden gewöhnt, „Intelligenz“ als eine „Eigen-schaft“ anzusehen, die nur uns Menschen „zu Eigen“ ist. Erst allmählich haben wir die Tatsache wahrgenommen (also als „wahr“ genommen), dass es Intelligenz etwa auch bei höher entwickelten Tieren gibt. Neuere Forschungsergebnisse zeigen oft faszinierende Beispiele von intelligentem Verhalten im Tierfreich. Wir müssen also unseren Intelligenz-Begriff erweitern. Ich definiere ihn hier durch das Vorhandensein und Zusammenwirken von Prozessen in drei Teil-Bereichen:

Daten wahrnehmen und aufnehmen

Daten verarbeiten und speichern

Ergebnisse der Datenverarbeitung ausgeben und anwenden

So funktioniert menschliche Intelligenz:

Wir nehmen unsere Umwelt mit unseren Sinnesorganen (Sensoren) wahr, und nehmen bestimmte Eindrücke in uns auf (siehe das Thema „Wer bin ich?“ und dort den Beitrag „Die Verinnerlichung der Außenwelt“).

Wir verarbeiten diese Eindrücke, indem wir sie einordnen, bewerten, zueinander in Beziehung setzen, Schlussfolgerungen ziehen, sie auf ähnliche Phänomene übertragen usw. So wird aus einzelnen „Kenntnissen“ zunehmende „Erkenntnis“ von Vorgängen, Zusammenhängen und Entwicklungen, die wir in unserem Gedächtnis speichern.

Wir reagieren auf unsere Wahrnehmungen und Erkenntnisse, indem wir daraus bestimmte Verhaltensweisen und Handlungs-Optionen ableiten, und sie dann in bestimmten Umweltsituationen anwenden.

Diese Prozesse und deren Ergebnisse sind dem Menschsein nicht von außen fertig vorgegeben, sondern sie wurden im Laufe der Menschheitsgeschichte, in der alle diese Prozesse zu einem integrierten Ganzen verbunden waren und sind, allmählich auf- und ausgebaut. (Übrigens: Dieser Satz widerspricht nicht den Aussagen der Bibel in der Schöpfungsgeschichte, siehe das Thema „Schöpfungsglaube und modernes Weltbild“ im Bereich „Grundfragen des Glaubens“. Wenn es in der Schöpfungsgeschichte heißt: „Und Gott sprach … und es geschah so“, dann kann dieses „Geschehen“ auch Jahrtausende umfassen. Auch die menschliche Intelligenz war nicht von einem Tag zum andern „da“, sondern hat sich in großen Zeiträumen entwickelt).

Aber: Wenn wir die oben genannte Definition von „Intelligenz“ zu Grunde legen, müssen wir ganz allgemein auch Prozesse in technischen Datenverarbeitungsanlagen als „Intelligenz“ ansehen, wo 1.) „Sensoren“ Daten sammeln bzw. schon vorhandene Daten aktiv gesucht werden, wo 2.) diese Daten gespeichert, verarbeitet und dann wieder gespeichert werden und wo 3.) die Ergebnisse der Verarbeitung in irgendeiner Form „ausgegeben“ und „angewendet“ werden.

Im heutigen Sprachgebrauch wird „künstliche Intelligenz“ allerdings meistens enger gefasst als Formen von „autonomer“ Intelligenz (wir werden darauf noch zu sprechen kommen).

Diese selbstgemachte „künstliche“ Konkurrenz für unsere menschliche „natürliche“ Intelligenz macht uns Menschen ganz selbstverständlich Sorgen. Wir wissen ja, wie mächtig die Datenverarbeitung in digitalen technischen Systemen nach Umfang und Geschwindigkeit sein können und fürchten die Gefahr, dass uns unsere eigenen „Schöpfungen“ genau da, wo wir uns bisher allein kompetent und mächtig gefühlt haben, überholen und degradieren könnten.

Zunächst möchte ich die oben genannten drei „Prozesse der Datenverarbeitung“ bei natürlicher ebenso wie bei künstlicher Intelligenz noch kurz ansprechen:

1 Wahrnehmen und empfinden

Jedes Lebewesen, auch schon in einfachster Form, braucht, um leben zu können, Wahrnehmungen: Wo gibt es lebensgeeignete Umweltbedingungen? Nicht zu warm oder zu kalt, zu feucht oder zu trocken, zu hell oder zu dunkel, wo gibt es genügend Nährstoffe, Lebensräume, Fluchtmöglichkeiten …? Wahrnehmungen sind Teil der Überlebens-Strategie bei allen Lebensformen.

Und solche Wahrnehmungen können bei dem Lebewesen Empfindungen auslösen: Angenehm oder unangenehm, wohltuend oder schmerzhaft, lustvoll oder unerträglich …  Und das Lebewesen wird versuchen, die unangenehmen, schmerzhaften und unerträglichen Erfahrungen zu meiden und die angenehmen, wohltuenden und lustvollen Erfahrungen zu suchen und zu wiederholen. Empfindungen sind also bewertende Reaktionen auf Wahrnehmungen. Das ist auch bei Menschen so. Nicht allerdings bei technischen Systemen, die haben keine Empfindungen, spüren weder Freude noch Leid, sind deshalb aber auch „unempfindlich“ gegenüber Freude und Leid empfindsamer Wesen. Sie können z. B. kein „Mit-Leid“ empfinden mit Lebewesen, denen sie selbst Leid zufügen. Welche Konsequenzen das hat, wird in den Beiträgen 7 und 8 zur „verantworteten Intelligenz“ noch deutlich werden.

Beim Menschen spielen zwei Komponenten der Wahrnehmung eine entscheidende Rolle:

  1. a) Die Wahrnehmungsfähigkeit: Welche Sinnesorgane (Sensoren) stehen zur Verfügung (sehen, hören, schmecken, riechen, tasten) und wie gut sind sie ausgebildet? Welche sind möglicherweise beeinträchtigt (z. B. bei Alten, Kranken, Blinden oder Gehörlosen …)?
  2. b) Die Wahrnehmungsbereitschaft: Offenheit, Ansprechbarkeit, Interesse … für bestimmte Sachverhalte oder Vorgänge oder Beziehungen. Ohne Wahrnehmungsbereitschaft helfen die besten Wahrnehmungsfähigkeiten nicht oder nur sehr eingeschränkt.

Wahrnehmungen sind Voraussetzung für Intelligenz, sie füllen unser Denken mit Inhalten. Ohne Wahrnehmung wäre unser Denken leer und intelligentes Verhalten nicht möglich. Wahrnehmungen liefern das „Material“, mit dem unsere Intelligenz „arbeiten“ kann. Dabei wäre es unsinnig zu fragen, was denn erst da sein müsste: Die Wahrnehmung oder das Denken (ist Wahrnehmung die Voraussetzung für das Denken oder ist das Denken Voraussetzung für Wahrnehmungen?). Wahrnehmung und Denken entwickeln sich immer gleichzeitig in gegenseitiger Beeinflussung und Stimulation: Wahrnehmungen regen das Denken an und das Denken die Wahrnehmungen.

Dabei werden unsere eigenen, direkten Wahrnehmungen ergänzt durch Kommunikation von Wahrnehmungen: Wir hören von Erfahrungen anderer, wir lesen Briefe, Bücher, Zeitschriften usw. Wir sehen im Fernsehen, am Computer, im Internet Berichte aus aller Welt und bekommen von dort Eindrücke und Informationen, obwohl wir selbst nie da waren. In unserer Zeit werden wir oft von einer Überfülle von Informationen überschwemmt, dass wir gar nicht mehr in der Lage sind, alles sachlich zu erfassen und emotional zu verarbeiten und jeweils Wahrheit und „Fake-News“ zu unterscheiden.

2 Verarbeitern und speichern

Der oben genannte Satz „Wahrnehmungen sind Voraussetzung für Intelligenz“ ist nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte heißt: Ohne die Fähigkeit, Eindrücke aus der Umwelt und die dazu gehörenden Verarbeitungsprodukte unseres Denkens dann auch im Gedächtnis zu speichern, wäre Intelligenz nicht möglich. (Da sind sich Menschen und Computer sehr ähnlich.) Das sehen wir z. B. an Menschen mit fortgeschrittener Demenz-Erkrankung. Obwohl da ja noch Erinnerungs-Bruchstücke vorhanden sind, ist intelligenter Umgang damit sehr eingeschränkt, weil diese Bruchstücke kein zusammenhängendes und sinnvolles Gesamtbild mehr ergeben.

Wir sehen also: Wahrnehmungen wären völlig sinnlos und nutzlos, wenn lebende Organismen sie nicht „verinnerlichen“ und „speichern“ könnten. Allerdings werden sie im Innern eines Lebewesens nicht einfach nur gesammelt und aufgestapelt wie in einer Lagerhalle, sondern sie werden auch betrachtet, geordnet, bewertet …: „Was ist das? Wie ist das? Warum ist das so? Wozu kann man das gebrauchen? Was ist das wert?“ Usw. (Siehe dazu im Thema „Wer bin ich?“ die Beiträge „Die Verinnerlichung der Außenwelt“, „Des Menschen Herz“ und Die Zentrale des Selbst“.) So vor-sortiert können die Wahrnehmungen aus der „Außenwelt“ in die „Innenwelt“ unseres Denkens übernommen werden und dort auch gespeichert werden. Dabei ist das „Speichern“ genau so wichtig wie das Wahrnehmen.

Wenn nun mit der Zeit neue Eindrücke von außen dazukommen, werden die mit den im Gedächtnis vorhandenen Erinnerungen verglichen und es ergeben sich Übereinstimmungen oder Veränderungen. Beides ist wichtig: Übereinstimmungen geben Sicherheit, Veränderungen bringen Fortschritt. Durch sie werden Muster von zeitlichen Abfolgen erkennbar: Erst und dann und dann und dann … Beispiel: Jeden Tag die gleichen Abläufe geben Sicherheit: Sonnenaufgang, zunehmende Helligkeit und Wärme, Sonnenhöchststand, Sonnenuntergang, Dunkelheit. Wir kennen uns aus, fühlen und sicher und die Erfahrung sagt uns, dass es auch nach der finstersten Nacht wieder hell werden wird. Zugleich regen die Veränderungen zum Nachdenken an: Warum geht die Sonne auf und wieder unter; und wo bleibt die Sonne in der Nacht? In vielen Kulturen gibt es phantasievolle Mythen, die das zu erklären versuchen.

Durch viele wiederholte Wahrnehmungen von Veränderungen werden Zusammenhänge erkennbar z. B. in Form von Voraussetzung-Folge-Beziehungen: Wenn – dann (wenn dunkle Wolken aufziehen, dann wird es bald regnen). Oder Ursache-Wirkung-Beziehungen: Weil – deshalb (weil es weiter oben im Bergland heftig geregnet hat, deshalb wird bei uns das Wasser im Fluss morgen ansteigen; wir sollten nachsehen, ob der Damm, den wir gegen Überschwemmungen gebaut haben, noch in Ordnung ist.)

Wichtig ist, dass unsere Wahrnehmungen auch in solchen Schritten und Zwischenschritten des Verstehens immer wieder gespeichert werden. So entsteht in unserem Denken und Erinnern Szenen-Abläufe wie in einem Film (aber dann doch anders als im Film, wo in Bruchteilen von Sekunden und in immer genau gleichen Zeitabständen jeweils ein neues Bild aufgenommen wird und diese Bilder dann zu einem Ablauf zusammengefügt werden). Unser Gedächtnis zeichnet Abläufe nicht in Zeit-Schritten auf, sondern in Bedeutungs- und Verstehens-Schritten. Gespeichert wird vor allem dann, wenn ein Eindruck für einen Menschen eine emotionale oder sachliche Bedeutung hat oder wenn sich etwas so bedeutungsvoll verändert hat, dass ein verändertes und vertieftes Verstehen möglich wird.

Wenn wir dann ein solchermaßen vertieftes Verstehen in der Realität anwenden, dann können wir an den Folgen und Reaktionen erkennen, ob unsere „Theorie“ richtig oder falsch war. Im oben genannten Beispiel: Wenn wir gesehen haben, dass es weiter oben im Bergland heftig geregnet hat und wir nun (vorausschauend) damit rechnen, dass in der Folge davon bei uns das Wasser im Fluss ansteigen wird (und wir noch rasch unseren Damm, der uns vor Überflutung schützen soll, ausgebessert haben), dann sehen wir wenig später die Folgen: Es kann sein, dass der Wasserpegel viel weniger angestiegen ist als wir befürchteten (oder auch viel höher als wir dachten) und so wird unser Verstehen und unser Reagieren immer neu herausgefordert und korrigiert durch „Feed-back-Effekte“: Die erweiterte und präzisierte Wahrnehmung schult und optimiert unser Verständnis und das steuert und optimiert auch unsere Handlungsmöglichkeiten.

3 Begründet handeln und kreativ gestalten

Die Vorgänge der Wahrnehmung  und der Speicherung und Verarbeitung im Innern können erst fruchtbar werden, wenn die dabei gewonnenen Erkenntnisse auch wieder in der Außenwelt angewendet werden: Reagieren, planen, handeln … Indem wir unsere inneren Vorstellungen, die wir uns (durch unsere Wahrnehmungen und deren Verarbeitung) von den Dingen und Vorgängen in der Außenwelt gemacht haben, nun in Form von Handlungen in eben dieser Außenwelt anwenden, provozieren wir neue Erfahrungen, die unser bisheriges Verständnis der Umwelt entweder bestätigen oder oder ihm widersprechen.

Wenn meine „Theorie“ richtig ist, dass es bald regnen wird, wenn dunkle Wolken aufziehen, dann wird sie durch den beginnenden Regen bestätigt und es war gut, dass ich rechtzeitig in einer Wanderhütte eingekehrt bin. Wenn es gegen meine Erwartung doch nicht regnet, dann habe ich gelernt, dass nicht jede Art von Wolken immer Regen bringen muss und ich muss das nächste Mal die Erscheinungsform der Wolken genauer unterscheiden. Jede Bestätigung oder jeder Widerspruch zu meinen Erwartungen löst neue Erkenntnisse aus und setzt neue Handlungsmöglichkeiten frei. So lernen wir unsere Umwelt kennen, lernen sie zu verstehen und in ihr zu leben.

Das erkennende Lernen ermöglicht es den Menschen, nicht nur instinktgesteuert zu handeln, sondern bewusst, sinnvoll und geplant vorzugehen. Das erlaubt viel schnellere Anpassungen an veränderte Umstände. Instinkte entstehen evolutionär und brauchen sehr lange Zeiträume zu ihrer Entstehung. Dem gegenüber können lernende Systeme in kürzester Zeit auf veränderte Umstände reagieren.

Menschen können aus den Erfahrungen, die sie in ihrer Umwelt gemacht haben und durch das Verständnis der Zustände und Vorgänge in ihr auch verschiedene Handlungs-Alternativen ableiten (am oben genannten Beispiel: Sollen wir, wenn es öfter zu Überschwemmungen kommt, den Damm noch weiter erhöhen und verstärken oder sollten wir besser gleich unser Dorf etwas weiter entfernt vom Flussufer an einer höher gelegenen Stelle neu aufbauen?) und sie können im Voraus die Vor- und Nachteile mehrerer Alternativen abschätzen und vergleichen (z. B. im Form einer Kosten-Nutzen-Rechnung). Menschen haben die Möglichkeit, sich zwischen verschiedenen Handlung-Optionen zu entscheiden. Sie können mögliche Konsequenzen verschiedener Handlungsoptionen im Voraus bedenken und vergleichen und dann sogar mit dem „inneren Kompass“ der eigenen ethischen Maßstäbe abstimmen. (Wie die entstehen, darauf wird hier nicht eingegangen; siehe dazu die Themen „gut und böse“ und „Recht und Unrecht“. Siehe auch hier den Beitrag 8 „ethisch verantwortete Technik“).

Allerdings gehört zu unserer „Antwort“ auf Erfahrungen und auf deren Verarbeitungnicht nur unser Reagieren, sondern auch unsere Möglichkeiten, unsere Umwelt zu gestalten. Wir verändern unsere Umwelt, indem wir sie nach unseren Vorstellungen formen. Das kann eine rein sachbezogene Formung sein (das Dach unseres Hauses ist geneigt, damit das Regenwasser gut ablaufen kann), kann aber auch wesentlich von menschlichem Gestaltungswillen geprägt sein (die faszinierende Gestalt des Daches der Oper von Sydney ist nicht nur von sachlichen Überlegungen, sondern auch von kreativen Visionen bestimmt). Schon in frühesten Kulturen der Menschheit gab es künstlerische (z. B. bildhafte, musikalische, tänzerische, figurformende, bauliche …, später auch sprachlich-literarische) Ausdrucksformen, mit denen Menschen ihre inneren Vorstellungen nach außen darstellten und verwirklichen konnten.

4 Der Kreislauf des Lernens

Die genannten drei „Prozesse im Bereich von Intelligenz“ sind nicht isolierte Einzelphänomene, sondern sie bilden ein integriertes System: Den „Kreislauf des Lernens“:

Wahrnehmen und empfinden stellen das „Material“ zur Verfügung, mit dem unser Denken umgehen kann. Durch verarbeiten und speichern werden unser „Weltverständnis“ und unsere Handlungsweisen immer wieder korrigiert und immer mehr erweitert und vertieft. So dass wir in unserer Umwelt immer besser begründet handeln und sie dann auch kreativ gestalten können.

Durch solches Handeln und Gestalten gewinnen wir (durch die Ergebnisse unseres Handelns und durch Rückkopplungseffekte als Reaktionen auf das Handeln) wieder neue Wahrnehmungen, die neues Verstehen ermöglichen und das wiederum eröffnet neue Spielräume des Handelns und Gestaltens. Und die wiederum führen zu immer neuen Wahrnehmungen, Erkenntnissen und Handlungsmöglichkeiten … So dreht sich der „Kreislauf des Lernens“ durch die Jahrtausende bis heute.

Allerdings ist das Bild vom „Kreislauf“ doch nicht ganz ausreichend. Der „Kreislauf des Lernens“ provoziert bei jedem Lernfortschritt auch Prozesse der Selbst-Optimierung. Im Bild gesprochen: Der „Kreislauf des Lernens“ beschreibt in Wirklichkeit gar keinen Kreis, sondern eine Spirale. Hier werden nicht nur Lerninhalte und Erkenntnisse additiv aneinandergefügt, sondern durch jeden Lernfortschritt erweitern sich die Möglichkeiten der Wahrnehmung, des Erkennens und des Handeln; jeder Durchgang im Kreislauf findet auf einem etwas höheren Niveau statt.

Genau genommen ist auch das Bild von der Spirale nicht ganz korrekt: Bei jedem Durchlauf im „Kreislauf des Lernens“ wird nicht nur das Erkenntnisniveau etwas höher, sondern auch der Horizont weiter. Es kommen auch (vor allem durch den Austausch von Erkenntnissen, insbesondere durch Kommunikation mit Hilfe von Sprache) immer neue Sachverhalte, Aspekte, Sichtweisen … hinzu. Eine tagtäglich riesige Menge von Rückmeldungen für unser Tun (von den Dingen mit denen wir umgehen, von den Abläufen, die wir in Gang setzen, von den Menschen, mit denen wir kommunizieren) führt unser Lernen, Verstehen und Handeln in immer weitere Dimensionen. Unsere Spirale steht auf der Spitze: Die ersten Windungen ganz unten sind noch winzig klein und eng, aber allmählich weitet sich das System, bis es schließlich ein gewaltiger Lern-Wirbel daraus wird, ein „Wirbelsturm der Erkenntnis“, mitreißend wie ein Hurrikan. Das kann man auf die Lerngeschichte jedes einzelnen Individuums beziehen, ebenso, wie auf die Lerngeschichte der Menschheit seit Jahrtausenden.

Der „Kreislauf des Lernens“ bewirkt in allen Lebensformen einfachste (oder auch höher entwickelte) Weisen von „natürlicher Intelligenz“. Das gilt im Besonderen für die Lebensform „Mensch“. Im Leben jedes einzelnen Menschen und in der Entwicklung des Menschseins durch die Jahrtausende in verschiedenen Völkern und Kulturen hat dieser „Kreislauf des Lernens“ alle Fähigkeiten und Inhalte hervorgebracht, die wir heute als „menschliche Intelligenz“ bezeichnen.

Durch den „Kreislauf des Lernens“, bestehend aus

wahrnehmen und empfinden

verarbeiten und speichern

handeln und gestalten

wird die „natürliche Intelligenz“ (besonders beim Menschen) ein selbst-lernendes, selbst-optimierendes und selbst-entscheidendes System. Die Fähigkeiten und Inhalte menschlichen Wahrnehmens, Verstehens und Handelns sind nicht einfach „da“, sie sind Ergebnis jahrtausendelanger Lern-Prozesse in den Völkern und Kulturen der Menschheitsgeschichte. Und wenn wir uns später mit „künstlicher Intelligenz“ beschäftigen, werden wir merken, dass auch sie durch selbst-lernende, selbst-optimierende und selbst-entscheidende Systeme verwirklicht wird.

Natürliche Intelligenz kann auch als Funktion von „biologischen Datensystemen“ angesehen werden. Das gilt auch für menschliche Intelligenz. Selbstverständlich sind Menschen viel mehr als biologische Datensysteme, aber für den Vergleich mit künstlichen Datensystemen ist es sinnvoll, menschliche Intelligenz hier in solchermaßen reduzierter Form zu betrachten.

So weit eine Übersicht über das Phänomen allgemein natürlicher bzw. speziell menschlicher Intelligenz. Nun aber reden wir von einer Form von Intelligenz, die es in den Jahrtausenden der Menschheitsgeschichte noch nie gegeben hat: Künstliche Intelligenz (siehe Beiträge 4, 5 und 6)). Und da ist es ganz „natürlich“, dass diese selbstgemachte „Konkurrenz“ Unbehagen und Ängste auslöst bei vielen Menschen (also bei denen, die sich bisher als die allein Bevollmächtigten im bewussten Umgang mit den verschiedenen Erscheinungsformen von Intelligenz verstanden haben).

„Künstliche Intelligenz“ (KI) versucht Denkweisen zu simulieren, die Menschen (zum Teil auch höher entwickelte Tiere) seit Hunderttausenden von Jahren unbewusst und selbstverständlich vollziehen. Im den Beiträgen zur „künstlichen Intelligenz“ werden wir uns eingehender damit beschäftigen.

Im folgenden Beitrag 2 werden zunächst „Teilbereiche menschlicher Intelligenz“ dargestellt.

Im Beitrag 3 geht es dann darum, dass nicht nur die Intelligenz der Menschen sich in einem ständigen Prozess der Erweiterung befindet, sondern dass dies auch für viele andere Teilbereiche des Menschseins gilt: „Erweiterung menschlicher Möglichkeiten“.

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