Bereich: B Herausforderungen der Gegenwart

Thema: Die Krise der Demokratie

Beitrag 5: Demokratie und Globalisierung (Bodo Fiebig5. März 2022)

In einem sind sich alle Experten einig: Die Entwicklung hin zu einer fortschreitenden Globalisierung ist unaufhaltsam und unumkehrbar (es sei denn um den Preis der Vernichtung der Menschheit durch einen selbstgemachten „Weltuntergang“). Uneinig ist man sich aber in der Frage, was denn „Globalisierung“ eigentlich sei und ob dieser Begriff eine wünschenswerte oder eine bedrohliche Entwicklung beschreibt. Schauen wir genauer hin:

1 Globalisierung – Segen oder Fluch?

„Globalisierung“ ist keine Erfindung des 21. Jahrhunderts, deren Folgen unversehens über uns hereinbrechen. Die Entwicklung, die wir heute „Globalisierung“ nennen, ist schon sehr lange im Gang. Schon seit Jahrtausenden gibt es einen zunehmenden Austausch von Menschen, Ideen und Waren zwischen den verschiedenen Völkern, Regionen und Kulturen der Erde. Insofern ist „Globalisierung“ nichts Neues. Trotzdem hat sie an einer ganz bestimmten Stelle der Menschheitsgeschichte eine dramatische Wendung vollzogen. Sie hat einen entscheidenden Anstoß und einen über Jahrhunderte weiterwirkenden Antrieb aus einem Vorgang bezogen, den wir „Kolonialisierung“ nennen (siehe weiter unten). Dieser Vorgang hat, wie nie davor und danach, das Leben und das Zusammenleben der Menschen auf der Erde verändert, und er hat die Sicht der Menschen auf ihre Welt verändert. Ohne den Impuls der Kolonialzeit wäre heute der Begriff der „Globalisierung“ mit anderen Inhalten gefüllt, von anderen Kräften bewegt und mit anderen Hoffnungen verbunden. Wir haben, oft ohne uns dessen bewusst zu sein, beim Thema „Globalisierung“ einen Vorgang mit gewaltsamer politischer Unterwerfung, wirtschaftlicher Ausbeutung und kultureller Entfremdung vor Augen. Was uns heute Angst macht vor dem, was im Zuge der Globalisierung auf uns zukommen könnte, stammt aus der Schuldgeschichte und den Traumata der Vergangenheit. Die Frage ist allerdings, ob Globalisierung immer und zwangsläufig und auch in Zukunft unter dem Vorzeichen von Unterwerfung, Ausbeutung und Entfremdung geschehen muss. Zunächst aber müssen diese drei Aspekte kurz angesprochen werden.

a) Politische Kolonialisierung

Den Begriff der Kolonialisierung bezieht man im allgemeinen auf die Epoche seit dem Beginn der (auf Europa bezogenen) „Neuzeit“, etwa seit der Mitte des 15. Jahrhunderts bis ins 20. Jahrhundert hinein. Die Sache allerdings ist älter. Schon das Römische Weltreich hatte seine „Kolonien“ in den Ländern rund ums Mittelmeer. Und noch früher hatten die Ägypter, die Babylonier, die Perser, Alexander der Große, die Chinesen der Chin- und Han-Dynastien …, später die arabische Expansion ab dem 7. Jahrhundert oder die indischen Mogulen (um nur einige Beispiele zu nennen), Ländereien und Völker „erobert“, die weit über ihr angestammtes Siedlungsgebiet hinausgingen und dadurch Völker mit anderen Gesellschaftssystemen, Sprachen und Kulturen unter ihre Herrschaft gezwungen. Das Muster war immer das gleiche: Wirtschaftlich und politisch starke Mächte eroberten gewaltsam benachbarte Gebiete, die sie militärisch unterwarfen, materiell ausbeuteten und kulturell vereinnahmten. Am jeweiligen Ende der „Kolonialzeit“ hinterließen die Kolonialmächte materiell verarmte, kulturell entwurzelte und politisch traumatisierte Völker, die auch noch lange Zeit, nachdem sie dem Namen nach unabhängig und „frei“ geworden waren, unter ihrem historischen Trauma litten und manchmal noch immer leiden.

Die Kolonialisierung der Welt durch die Länder Europas war also nicht der Anfang, aber doch der Höhepunkt einer die ganze Menschheitsgeschichte durchziehenden Entwicklung. Der Höhepunkt (jedenfalls bis heute; was noch kommt, wissen wir ja nicht) dieser Entwicklung war die von Europa ausgehende Kolonisation deshalb, weil da nicht nur benachbarte Länder und Völker unterworfen wurden, sondern weil nun Gebiete und Menschen in den fernsten Kontinenten der Erde zum Besitz europäischer Mächte erklärt wurden, den man nach Belieben beherrschen und nutzen konnte. Entscheidendes Mittel für diese europäische Expansion war eine Weiterentwicklung des Schiffbaus und der Navigationstechnik, vor allem aber die Überlegenheit der europäischen Waffentechnik, der Gewehre und Kanonen. Es ging wie ein Rausch durch Europa: Wer entdeckt, erobert, erforscht, erschließt und vereinnahmt zuerst die größten, reichsten und (durch Ausbeutung) ergiebigsten Länder der Erde?

b) wirtschaftliche Kolonialisierung

Die Wirtschaft war schon immer Vorreiter der Globalisierung. Der Handel suchte sich schon immer Wege über die Grenzen der einzelnen Herrschaftsbereiche hinweg. Eines der bekanntesten und eindrucksvollsten Beispiele dafür war die berühmte „Seidenstraße“, die schon längst vor dem Zeitalter der (von Europa ausgehenden) Kolonisierung, durch die unwirtlichsten Gegenden der Erde hindurch und über Tausende Kilometer hinweg die Länder am Mittelmeer mit den Reichen des Fernen Ostens verband. Dies geschah jahrhundertelang nicht (oder nur vorübergehend) unter dem Vorzeichen einer gewaltsamen Kolonialisierung.

Ab dem 15. Jahrhundert aber geschah ein entscheidender Umbruch, als man (aus der Sicht der europäischen Mächte) entfernteste Erdteile nicht mehr als mögliche Handelspartner sah, sondern sie als „Kolonien“ zu erobern begann. Nicht mehr der Handel zwischen selbständigen Wirtschaftsregionen stand nun im Fokus, sondern deren gewaltsame Unterwerfung und Ausbeutung. Es war die Kolonisierung der Länder Afrikas, Asiens, Nord- und Südamerikas, Australiens und der pazifischen Inseln durch die europäischen Mächte im 15. bis 20. Jahrhundert, die einen starken Impuls zur Globalisierung brachte und dieser Impuls war überall spürbar: Selbst in entferntesten Erdteilen wurden nun europäische Sprachen als „Amtssprachen“ eingeführt (so wurde z. B. die Sprache eines relativ kleinen europäischen Insel-Staates, das Englische, zur „Weltsprache”, obwohl damals die englischsprachigen Menschen nur einen winzigen Bruchteil der Weltbevölkerung ausmachten), wurden europäische Gesetze zum geltenden internationalen Recht und europäische Wirtschaftsinteressen zum Maßstab der Welt-Politik. Ausbeutung, Verarmung und Versklavung großer Teile der Weltbevölkerung waren die Folgen (dass es auch positive Entwicklungen in manchen kolonisierten Gebieten gab, ändert an dieser Grundtatsache wenig). Die wirtschaftliche und politische Globalisierung der Kolonialzeit folgte national-egoistischen Antrieben, vertrat nationale Interessen und wurde von nationalen militärischen Kräften vorangetrieben und abgesichert.

Auch in den Ländern der europäischen Kolonialmächte selbst waren die Auswirkungen deutlich: Die Wirtschaft blühte auf, der Reichtum nahm zu. Selbst im kleinsten Landstädtchen konnte man nun „Kolonialwaren“ aus fernen Erdteilen kaufen, Waren, die man vorher nie gekannt hatte. Aber: Nicht friedlicher Handel, sondern gewaltsame Eroberung und Ausbeutung gaben entscheidende Anstöße zu der Entwicklung, die wir heute „Globalisierung“ nennen. Durch sie entstanden erstmals Weltmärkte, entstanden eine Weltwirtschaft und weltweit aktive Finanzsysteme.

Das Bemerkenswerte dabei ist: Auch heute, wo die ehemaligen Kolonien längst politisch selbständig geworden sind und die europäischen Mächte längst ihre Vormachtstellungen verloren haben, folgt die Art der wirtschaftlichen Globalisierung immer noch dem alten kolonialen Muster. Nur sind es jetzt nicht mehr nationale Mächte, sondern die Macht internationaler Konzerne und Finanzinstitute, die das Geschehen bestimmen. Immer noch gibt es die „Billiglohnländer“, wo Millionen Menschen zu Hungerlöhnen und unter katastrophalen sozialen Bedingungen die Massenwaren für den Weltmarkt produzieren. Immer noch gibt es die armen „Rohstoffländer“, deren Reichtümer von Unternehmern aus fernen Kontinenten ausgebeutet und gewinnbringend weiterverarbeitet werden. Für die Betroffenen macht es kaum einen Unterschied, dass die „Kolonialherren“ jetzt nicht mehr europäische Könige, Generäle und Kolonialgouverneure sind, sondern internationale Konzernchefs, Manager und Investoren (die zum Teil selbst aus ehemals kolonialisierten Ländern kommen).

Heute gehen die Handlungsmöglichkeiten der wirtschaftlich Tätigen längst über alle Ländergrenzen hinweg. Man kauft und verkauft Rohstoffe, landwirtschaftliche Erzeugnisse, industriell gefertigte Teile und Fertigprodukte rund um den Globus, als sei das schon immer so gewesen. Die Erde wird zum „Weltmarkt“ und sehr vieles, was wir jeden Tag konsumieren und nutzen, wäre ohne diesen Weltmarkt gar nicht verfügbar, und das ist ja keineswegs negativ zu werden. Freilich: Wir hören zwar die Formeln vom „freien Markt“ und „freien Welthandel“, aber unterschwellig bleibt das Unbehagen, dass die wirtschaftlichen Mächte, vor allem in Form von kaum durchschaubaren Welt-Konzernen, eine neue Form von geistiger und materieller Kolonisierung der Völker der Erde betreiben (und noch verstärkt und perfektioniert vorhaben könnten).

c) Kulturelle Kolonialisierung

Die entscheidenden Mittel zur „erfolgreichen“ Kolonisierung der Welt waren nicht nur politische Eroberung und wirtschaftliche Ausbeutung, sondern auch und ebenso bedeutsam, eine geistige und kulturelle Überwältigung und Fremdbestimmung (und zum Teil auch Auslöschung). Die Kulturen Nord-, Mittel- und Südamerikas, Polynesiens und Australiens und großer Teile Afrikas wurden im Zuge der Kolonialisierung bis auf geringe Restbestände vernichtet. Ein ungeheurer Verlust für den Kulturbestand der Menschheit! Sprachen, die niemand mehr spricht, Lieder, die niemand mehr singt, Geschichten, die niemand mehr erzählt. Verlorenes Wissen, verlorene Geschichte, verlorene Fähigkeiten. Gelöschte Erinnerungen, gelöschte Erfahrungen, gelöschte Träume und Hoffnungen. Übriggeblieben: Ruinen ohne Leben, Kunstwerke ohne Bedeutung, Schönheit ohne Liebe, bestaunt, fotografiert, genutzt und oft auch zertreten von den Touristen-Nachkommen der Eroberer.

Ein Teil dieser Vernichtung von kulturellem Reichtum ging auf das Konto einer „christlichen“ Mission, welche die kulturellen Traditionen Europas für einen zentralen Inhalt des christlichen Glaubens hielt. Die Vermischung, ja manchmal fast Gleichsetzung von europäischer Kultur und christlichem Glauben (der ja geografisch gar nicht aus Europa stammt, sondern aus dem Nahen Osten), ist eine der folgenschwersten „Sünden“ in der Geschichte der Christenheit. Heute weiß die christliche Mission, dass ihr Anliegen und ihre Botschaft keinen „Kulturtransfer“ beinhaltet und braucht, sondern dass sie in jedem kulturellem Milieu fruchtbaren Boden finden kann, ohne es zu zerstören.

Die Entwicklung der Globalisierung zu Beginn der „Neuzeit“ in Form von gewaltsamer Eroberung, wirtschaftlicher Ausbeutung und kultureller Unterwerfung war nicht zwangsläufig. Es war die Entscheidung europäischer Mächte, diesen Weg zu wählen und den Weg friedlichen Handels und kulturellen Austausches zu verlassen. Auch heute ist der Weg in die Zukunft der Globalisierung noch nicht festgelegt und es wird es von den Entscheidungen gegenwärtiger Mächte abhängen, wie er sich gestalten wird.

d) Zusammenarbeit oder Unterwerfung

Globalisierung ist von sich aus weder gut noch böse, ist nicht von vorn herein Segen oder Fluch. Entscheidend ist, was Menschen daraus machen: Zusammenarbeit oder Unterwerfung, gegenseitige Bereicherung oder einseitige Ausbeutung, kulturelle Offenheit oder Überwältigung und Vereinnahmung.

Damit wir die Situation nicht falsch verstehen: Nicht Weltwirtschaft und Welthandel sind das Problem. Im Gegenteil: Ohne sie wäre die Weltbevölkerung, mit jetzt schon 8 Milliarden Menschen, gar nicht mehr zu versorgen. Vieles läuft da auch durchaus verantwortlich und fair ab. Es gibt aber Fehlentwicklungen und Auswüchse mit furchtbaren Folgen. Nur ein Beispiel: In Zeiten wo die Zinsen für Geldanlagen weltweit niedrig sind, scheinen Spekulationen der einzige Weg zu sein, in kürzester Zeit und ohne eigene Arbeit viel Geld zu verdienen. Die Aktienkurse schießen (trotz zeitweiliger Einbrüche) weltweit in den Himmel. Ein gegenwärtiger Trend ist die Spekulation mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Weizen, Mais, Reis, Soja …) die gleichzeitig Grundlage der Ernährung der Weltbevölkerung sind. Die Preisschwankungen und künstlichen Mangelsituationen, die durch solche Spekulationen verursacht werden, können Millionen von Menschen ins Elend treiben, schlimmstenfalls dem Hungertod preisgeben. Die Spekulanten stört das wenig. Dabei muss uns bewusst sein: Das sind alles keine zwangsläufigen Entwicklungen, ebenso wenig, wie die Kolonisierung in allen Jahrhunderten selbstverständlich und notwendig war, sondern sie sind Folgen von Entscheidungen verantwortlicher Menschen, die auch die Möglichkeit hätten, sich anders, also für ein friedliches Miteinander zu entscheiden. Und niemand zwingt irgendjemanden, auch in Zukunft dem Weg wirtschaftlicher Unterwerfung und Ausbeutung weiter zu folgen.

Trotzdem gibt es die auch auch heute noch, und heute mehr denn je. Noch nie in der Geschichte der Menschheit gab es so viele Menschen in Sklaverei-ähnlichen, ausbeuterisch-abhängigen Lebens- und Arbeitsverhältnissen wie heute. Globalisierung ist heute eng verknüpft mit dem Begriff „Liberalisierung“ und mit der Vorstellung, dass ein möglichst von allen einschränkenden Reglungen gelöster „Freier Markt“ am besten in der Lage sei, Wachstum und Wohlstand zu produzieren. Eine globalisierte Welt aber, die man ungebremst dem „freien Spiel der Kräfte“ überlässt, bekommt unweigerlich ein immer stärkeres Gefälle und eine immer raschere Fahrt nach unten, denn der Antrieb für diese Bewegung ist der individuelle und kollektive Egoismus: Immer mehr Erfolg und Gewinn, Reichtum und Macht für die Gewinner des globalen Wettlaufs! Das ist eine ungeheure Motivation, das hält den globalen Motor am Laufen und füllt die Kassen der „Global Player“! Ja, aber das ist eben nur möglich, wenn man die Armut und Ohnmacht der „Verlierer“ schon von vorn herein in Kauf nimmt. Riesige Reichtümer in der Hand einiger weniger sind eben nur möglich auf Kosten der Lebensqualität von Millionen anderen, die diesseits und jenseits der Armutsgrenze leben.

Die gegenwärtige Art von Globalisierung, die sich vor allem als weltweiten Wettbewerb der Produktionsstandorte und Absatzmärkte darstellt, macht zurecht vielen Angst. In den „alten“ Industrieländern wird das vor allem als Bedrohung der erreichten Lebensstandards empfunden: Zu hohe Lohn- und Lohnnebenkosten, zu teure Sozialstandards, zu kostspielige Umweltauflagen… Wie soll man da mithalten mit Billig-Ländern, wo Menschen für Cent-Beträge schuften, wo Sozialsysteme wie Kranken-, Invaliden- und Rentenversicherung bestenfalls in bescheidenen Anfängen vorhanden sind, wo die Umwelt bedenkenlos ausgebeutet, ruiniert und vergiftet wird? Da hilft scheinbar nur eines: Sozialabbau auf breiter Front. Angleichung der Löhne nach unten, Ausweitung der Arbeitnehmergruppen in „prekären“ Arbeitsverhältnissen, aufweichen von Umweltschutz-Standards auf Kosten der nachfolgenden Generationen… Es entsteht ein weltweiter Druck, sich den billigsten Standorten anzupassen, weil sonst sonst die Produktion und die Arbeitsplätze dorthin abwandern: Globalisierung nach unten. Gleichzeitig ist man bereit, den profitabelsten Weltkonzernen mit jährlichen Milliarden-Gewinnen Standort-Bedingungen anzubieten, die sie praktisch von fast allen Steuern befreien, nur um sie im Lande halten zu können.

„Globalisierung nach unten“, das ist auch für die Menschen in den Billig-Ländern kein Traum (auch wenn viele Arbeitsplätze dorthin abwandern), sondern ein Trauma: Indem die etablierten Industrieländer ihre eigenen Arbeitsbedingungen nach unten anpassen, nehmen sie den „Entwicklungsländern“ die Chance einer Entwicklung „nach oben“, die ihnen Anteil geben würde an einer menschenwürdigen und lebenswerten Welt.

So haben viele (in den Industrieländern ebenso wie in den Entwicklungsländern) das Empfinden: Nur die wenigen weltweit Handelnden (und vor allem die Rücksichtslosesten unter ihnen) profitieren von der Globalisierung der Märkte, alle anderen sind unwissende und hilflose Figuren im Welt-Manager-Schach, die am Ende die Zeche bezahlen. Sie spüren die weltweiten Folgen, sehen aber keinerlei Möglichkeiten die Vorgänge zu durchschauen oder gar (etwa durch Wahlen) auf sie Einfluss zu nehmen. Sie sehen Großmächte, die ihre Einflusssphären und Interessengebiete mit Waffengewalt an sich binden, Stellvertreterkriege, die Hunderttausenden das Leben kosten und Millionen in die Flucht treiben, Welt-Unternehmen, die so reich und mächtig sind, dass sie einschränkende Gesetze einzelner Staaten unterlaufen und außer Kraft setzen können…

Das ist schlimm, denn eine politisch befriedete Erde mit einer gut organisierten und verantwortlich geführten Weltwirtschaft, in der die Freiheit des Wirtschaftens und Handelns garantiert ist, die aber gleichzeitig die Auswüchse hemmungsloser Gier und verantwortungsloser Ausbeutung rigoros zurückschneidet, wäre möglich, wenn nur eine entscheidende Mehrheit der Welt-Mächte es wollte. Eine Weltgemeinschaft, in der nicht einzelne Länder von größenwahnsinnigen Diktatoren beherrscht, von brutalen Milizen und Warlords tyrannisiert und von gewinnsüchtigen „Investoren“ ausgepresst werden, wäre eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die großen Geißeln der Menschheit (Mangel an Nahrung, sauberem Trinkwasser, Bildung, medizinischer Versorgung, ausreichend bezahlter Arbeit, sozialer Sicherung bei Krankheit, Behinderung und Alter …) allmählich ihren Schrecken verlieren. Die wirtschaftliche Globalisierung kann erst dann eine menschenwürdige Entwicklung nehmen, wenn sie sich von ihren kolonialen Wurzeln und ihren ausbeuterischen Grundeinstellungen löst.

Die Anpassung der Arbeitsbedingungen „nach unten“ ist ja nicht so alternativlos, wie uns manche „Experten“ einreden wollen. Möglich wäre auch eine „Globalisierung nach oben“. Möglich wäre es durchaus (und es wird ja in manchen Bereichen schon so gehandhabt, siehe das sogenannte „Lieferketten-Gesetz“), dass sich Handel und Verbraucher der Abnehmerländer zusammenschließen, um Mindeststandards für Löhne, soziale Sicherung und Umweltschutz für die Produktion von Waren auch in den Hersteller-Ländern festzulegen. Freilich darf das nicht geschehen, um die eigene Produktion abzuschotten gegen billige Konkurrenz, sondern um eine globale Wirtschaftsethik zu fördern, die allen Menschen zugute kommt. Der „Motor der Globalisierung“ muss nicht ausschließlich mit dem Treibstoff des Egoismus betrieben werden. Er würde auch vom Antrieb eines gerechten Ausgleichs der Interessen aller Beteiligten gut (gut für alle Beteiligten) laufen.

Noch sind die Wege offen, noch ist nicht entschieden, wohin uns der Weg der Globalisierung führt. Noch haben wir es in der Hand, die entscheidenden Weichenstellungen einzuleiten. Über die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, in denen das möglich werden könnte, wird noch zu reden sein. Wie lange die Zeit-Fenster für positive Entscheidungen noch offen sind, kann niemand mit Sicherheit sagen; es könnte sein, dass sie sich (zumindest für einige Bereiche) bald schließen. Aber auf welcher Grundlage sollten so eine positive Entwicklung möglich sein, sie könnte ja nur gelingen, wenn sie Kräfte des Miteinander und Füreinander freisetzen könnte, die stark genug wären die alten Egoismus-Strategien zu überwinden (in den folgenden Beiträgen wird unter verschiedenen Gesichtspunkten davon zu reden sein)

2 Personalität und Identität in einer globalen Gesellschaft

In den vergangenen Jahrtausenden haben die Völker und Kulturen der Erde eine faszinierende Vielfalt von Lebensweisen, Gemeinschaftsformen, künstlerischen Ausdrucksweisen, religiöser Hingabe …, hervorgebracht. Vieles davon ist in den letzten Jahrhunderten verloren gegangen. In unserer Gegenwart könnten diese Vielfalt innerhalb weniger Jahre für immer verschwinden. Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, dass im Zuge der „Globalisierung“ vieles vom kulturellen Erbe der Menschheit unwiederbringlich verloren gehen wird.

Droht uns in Folge der Globalisierung eine Reduzierung unserer Person und Identität bis auf das Niveau eines Facebook-Accounts? Droht uns eine Entkernung und Einebnung der Kulturen, bis nur noch eine kitschige Schau für Touristen übrigbleibt? Droht uns eine weltanschauliche Vereinnahmung, bis wir die Untaten der Mächtigen für Wohltaten halten? Droht uns eine religiöse Verflachung bis zur totalen Kommerzialisierung aller geistlichen Inhalte (wie es seit Jahren z. B. beim christlichen Weihnachtsfest geschieht)?

a) Identität durch Zugehörigkeit

Menschen können nicht für sich allein ein „Selbstbewusstsein“, das heißt, ein Bewusstsein der eigenen Identität und Besonderheit entwickeln. Sie brauchen dazu die Rückmeldung von außen in Situationen der Zuwendung und Auseinandersetzung mit Menschen in der Nähe und in der Distanz. Ohne die Erfahrungen im Umgang mit anderen Menschen bliebe das eigene Selbstbild weitgehend konturlos und inhaltsleer. Das bedeutet: Erst recht in einer globalisierten Menschheitsgesellschaft braucht jeder Mensch auch identifizierbare, geprägte und geformte Wir-Gemeinschaften im Nahbereich seiner Erfahrungswelt.

Die erste und natürliche Wir-Gemeinschaft jedes Menschen ist seine Familie. Durch sie ist (innerhalb einer erweiterten Verwandtschaft) eine grundlegende biologische, soziale, emotionale, geistige und historische Zugehörigkeit gegeben. In einer globalisierten Menschheitsgesellschaft muss (um der Lebensfähigkeit menschlicher Gemeinschaft willen!) die Familie als grundlegende soziale Einheit wieder neu und bewusst gestärkt werden. Sie bildet den Kern des sozialen Nahbereichs, dessen Interaktionen nicht durch irgendwelche technischen Geräte vermittelt werden, sondern auf direkter Begegnung und unmittelbarer Kommunikation beruhen. Wenn man den Zusammenhalt der Familien schwächt, indem man z. B. immer mehr Kompetenzen im Bereich der Erziehung auf öffentliche Institutionen verlagert, indem man (aus angeblich wirtschaftlichen Gründen) eine Mobilität fördert, die das Heimisch-Werden in stabilen Direkt-Beziehungen immer mehr erschwert, indem man die Rechtsgrundlagen der Ehe als Träger der Familie aushöhlt, dann zerstört man die wichtigste Grundlage, auf der eine globale Gesellschaft aufgebaut werden kann. Ohne diese Grundlage wäre die Auslieferung der dann vereinzelten Menschen an globale Mächte unausweichlich.

Dieser vertraute soziale Nahbereich wird sich im Laufe der Kindheit und Jugend ausweiten in ein Netzwerk persönlicher Beziehungen, das Freundschaften, Interessengruppen, Nachbarschaft usw. umfasst und eine Art „soziale Heimat“ bildet (auch wenn einige davon auf anderen Kontinenten wohnen sollten)

Diese persönliche soziale Bezugsrahmen wir noch erweitert durch ein Netzwerk selbstgewählter Zugehörigkeit (mein Verein, meine Partei, mein Arzt, mein Friseur, …) umfasst.

Dazu ergibt sich, meist ungewollt, aber notwendig, ein Netzwerk institutionalisierter Zugehörigkeit, (mein Kollegium, meine politische Gemeinde, meine Krankenkasse, meine Bank …)

Sehr viel weniger bewusst, aber doch in allen Phasen der persönlichen Entwicklung tief prägend ist der Einfluss der historisch gewachsenen Sprach-, und Kultur- und Volksgemeinschaft, (die sich jeweils im Nahbereich einer „Heimat“ mit regional geprägten Ausdrucksformen und Besonderheiten konkretisiert), in die ein Mensch hineingeboren wird und in der er aufwächst. Freilich hat er in späteren Jahren auch die Möglichkeit, sich von seiner Herkunftskultur bewusst zu distanzieren und sich einer anderen anzuschließen, das muss aber nicht notwendigerweise in totaler Distanzierung von den bisherigen Beziehungen geschehen.

Schließlich brauchen Menschen auch die Zugehörigkeit zu einer identitätsstiftenden Werte- oder Religions-Gemeinschaft, die ihre persönlichen inneren Sichtweisen und Haltungen durch überindividuelle Einstellungen und Werte stützt. Das mag manchmal eine sehr bewusste und entschiedene Zuordnung sein, oft eine eher unbewusste und kaum reflektierte. Trotzdem ist sie wichtig für die Sinnorientierung der eigenen Existenz. Solche Zuordnungen sind in der Regel kultur-historisch entstanden, kultur-geografisch orientiert (z. B. die sogenannten „westliche Wertegemeinschaft“ oder die „östlichen Religionen und Philosophien“ usw.), können sich aber auch in verschiedenen Regionen und Kontinenten der Erde, in verschieden Sprach- und Kultur-Gemeinschaften (vor allem in den Großstädten) nebeneinander, manchmal sogar miteinander verwirklichen.

Identität durch Zugehörigkeit: Eine globale Gesellschaft braucht dingender als je den Schutz und die Erhaltung der sprachlichen, kulturellen, religiös-weltanschaulichen und ethnischen Identitäten seiner Volksgruppen, besonders auch seiner Minderheiten. Eine dem Menschsein gemäße Lebensweise ist, besonders bei zunehmender Globalisierung, nicht möglich ohne eine lokal und regional verankerte, ethnisch geformte, kulturell gefüllte und religiös-weltanschaulich begründete „Ich-Identität“ und „Wir-Identität“. Ohne die wird der Mensch zur humanen „Massenware“, die darauf abgerichtet ist, immer mehr sachlich-materielle Massenwaren zu konstruieren, zu produzieren und zu konsumieren.

b) Lokale Verankerung in einer globalen Gesellschaften

Eine globale Gesellschaft braucht nicht unbedingtbneine nationalstaatliche Verfasstheit und keine trennenden politischen Grenzen, sie braucht aber regionale Strukturen, die sich sowohl an geografisch erkennbaren Landschaften als auch an historisch gewordenen Sprach- und Kultur-Gemeinschaften orientieren. Wobei es selbstverständlich ist, dass die sich vielfach überschneiden und geografisch nicht immer exakt festlegen lassen. Ein uns naheliegendes Beispiel: Die in Jahrhunderten gemeinsamer Geschichte gewordene und gewachsene europäisch-deutschsprachige Sprach- und Kulturgemeinschaft (genau so wie die französisch-, italienisch-, polnischsprachige usw.) ist zwar mehrheitlich an einen bestimmten geografischen Raum gebunden, ist aber dort (vor allem in den Großstädten) vielfach durchsetzt von anderen Sprach- und Kulturgemeinschaften und sie setzt sich selbst in Gebieten fort, in denen eine andere sprach­liche und kulturelle Zuordnung vorherrschend ist, z. B. in deutschsprachigen „Kulturinseln“ auf anderen Kontinenten.

Eine globale Gesellschaft braucht nicht mehr einzelstaatliche Strukturen, in denen jeder Nationalstaat eifersüchtig auf seine Eigenständigkeit pocht und jede Kritik an den innerstaatlichen Realitäten als (verbotene!) „Einmischung in die inneren Angelegenheiten” zurückweist (wobei der Begriff „innere Angelegenheiten” meist nur eine beschönigende Umschreibung für brutale Unterdrückung unliebsamer Minderheiten ist). Sie braucht aber Identität durch Zugehörigkeit und eine lokale Verankerung in einer globalen Gesellschaft.

Das Argument „Wenn eine kleine Machtelite oder ein alles bestimmender „Führer“ das Sagen haben, dann können wir groß und stark werden und wenn wir groß und stark sind, können wir viele Völker und Regionen in unseren Machtbereich zwingen“, stammt aus den Denkgewohnheiten hierarchisch zugespitzter und auf Abgrenzung und Konkurrenz ausgerichteter Gesellschaften der Vergangenheit. Die aber sind in einer immer weitergehend globalisierten Welt überholt und angesichts der technischen Möglichkeiten moderner Kriegsführung geradezu selbstmörderisch für die ganze Menschheit.

Auch die von manchen Mächten der Gegenwart gewollte und geförderte ethnische und kulturelle „Durchmischung“ der Weltbevölkerung entspricht nicht dem Bedürfnis der Menschen nach Personalität und Identität. Sie wird zwar manchmal nach außen hin als notwendige und friedensfördernde Überwindung von trennenden Barrieren dargestellt, in Wirklichkeit strebt sie – bewusst oder unbewusst – auf eine Vereinheitlichung, ja Uniformierung der Menschheit zu. Man möchte den überall gleich verfügbaren und überwachbaren „Einheitsmenschen“, der wirtschaftlich überall gleichermaßen nutzbar ist und der als Vereinzelter in der uniformen Masse den Machtansprüchen der Weltmächte keinen Widerstand entgegenzusetzen vermag. Solche Bestrebungen sind jedoch auf lange Sicht kulturzerstörend und menschenfeindlich. Nicht nur, weil die Kräfte, die diese „Durchmischung“ vorantreiben, machtpolitisch auf Hegemonie und wirtschaftlich und auf Gewinnmaximierung hin motiviert sind, sondern auch, weil deren bevorzugte Mittel zum Erreichen ihrer Ziele Armut, Hunger, Gewalt und Krieg, Entwurzelung, Vertreibung und millionenfache Fluchtbewegungen sind.

Aber: Bei dem Anliegen „lokale Verankerung in einer globalisierten Menschheitsgesellschaft“ geht es nicht um Distanzierung von anders geprägten Kulturen, sondern um den Erhalt und die Stärkung kultureller Vielfalt, global und auch im Nahbereich der eigenen kulturellen Verankerung.

Eine geografisch, historisch und kulturell strukturierte und regionalisierte Weltgemeinschaft, die nicht durch eine Hierarchie der Macht, sondern durch die freiwillige Kooperation ihrer Regionen und Kulturen verbunden ist, bietet ein menschenwürdiges Gesellschaftsmodell für eine globale Menschheitsgesellschaft. Diese kann jedoch nicht ohne gemeinsame geistige und ethische Grundlagen auskommen. Sie braucht ein gemeinsames und einigendes Fundament globaler Werte und Grundordnungen, die nicht im Detail das Leben und Zusammenleben der Menschen regeln, die aber gemeinsame und ethisch begründete Rahmenbedingungen für das Leben und Zusammenleben zur Verfügung stellen. Erst auf so einer gemeinsamen und selbst-verpflichtenden Grundlage können dann auch Einzelheiten des täglichen Lebens mit Hilfe von regionalen Verwaltungsabläufen durch demokratisch gewählte Gremien ohne „Herrschaftsauftrag” geregelt werden (siehe den Beitrag „Grundlagen einer ethisch begründeten Demokratie“).

3 Die doppelte Globalisierung

Darin sind sich gegenwärtig alle einig: Diesmal geht es um alles, um die ganze Erde, nicht nur um einige einzelne Teilbereiche in einzelnen, besonderen Gebieten, irgendwo weit weg auf fernen Kontinenten oder auch gleich neben uns (und das bezieht sich nicht nur auf den Klimawandel, obwohl es dort besonders sichtbar wird). Jetzt, so geht der Ruf um die Welt, jetzt geht es um alles!  Wir leben, ob wir das wollen oder nicht, im Zeitalter der Globalisierung; alles, was uns betrifft, betrifft den ganzen Globus (und das sehen manche menschlichen Machthaber als Herausforderung, jetzt alles einzusetzen, um für sich eine globale Machtposition zu erringen).

Die Frage ist nur: Wie ist diese Globalisierung einzuschätzen? Ist sie eher eine schreckliche MenschheitsBedrohung oder ein erstrebenswertes Menschheitsziel?

Beides. Es gibt zweierlei Globalisierung, die müssen wir unterscheiden. Es gibt eine von Gott (damit meine ich hier den in der Bibel offenbarten Gott) gewollte (und dann auch von Menschen mitvollzogene) Globalisierung oder eine von widergöttlichen und menschenfeindlichen Mächten gemachte. Und beide unterscheiden sich grundlegend, auch wenn sie auf den ersten Blick ganz ähnlich ausschauen.

Gott will, dass seine ganze Erde und die ganze Menschheit, die er geschaffen hat, zum Ort seines Segens und seines Friedens wird durch die Einheit und Geschwisterlichkeit aller seiner Menschen-Kinder auf allen Kontinenten mit allen Hautfarben, Sprachen und Kulturen. Und das steht in der Bibel schon ganz am Anfang: 1.Mose 12,3 (bei der Berufung Abrahams): in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter (also alle Völker und Generationen) auf Erden. Und im NT Joh 3,16-17 (sagt Jesus): Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eigeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde. (…die ganze Welt, nicht nur die Rückzugsgebiete der Frommen). Und Joh 17, 20: Ich bitte dich aber nicht allein für sie (also die ersten Jünger, die damals bei ihm waren) sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden (also für alle Jesusgläubigen in den vergangenen 20 Jahrhunderten und auch heute, auf allen Kontinenten, in allen Ländern und Kulturen der Erde) damit sie alle eins seien.

Gemeinschaft und Einheit aller Gottes-Kinder auf Erden (und das sind, in der Zielperspektive Gottes, alle Menschen-Kinder). Das ist die Globalisierung, die Gott vorhat. Und nichts und niemand wird diese Globalisierung verhindern können.

Aber die Verwirklichung dieses Zieles (genauer gesagt: seine irdisch-vorläufige Vor-Verwirklichung hier auf dieser Erde und heute in unserer Gegenwart, die zu einem wesentlichen Anteil in die Verantwortung der Menschen gegeben ist), die kann für lange Zeit verzögert und in ihr schreckliches, menschenfeindliches, ja mörderisches Gegenteil verkehrt werden, wenn sich die Menschen in ihrer Mehrheit Gottes guten Willen verweigern und sich schrecklichen und menschenfeindlichen und in letzter Konsequenz immer auch mörderischen Mächten unterwerfen. Und mit diesen Mächten sind hier keine mystischen-dämonischen Höllen-Mächte gemeint, sondern sehr irdische Machtsysteme mit sehr irdischen Absichten und sehr irdischen Machtmittel: Unterdrückung und Gewalt, Folter und Mord (vgl. den Beitrag „Der Kampf der Systeme“).

Es ist eine seltsame und überraschende Erscheinung, aber, wenn man es genauer betrachtet, auch ein ganz logischer Vorgang, dass wir heute an den widergöttlichen Entwicklungen unserer Gegenwart recht genau und konkret ablesen können, was Gott für unsere Zukunft vorhat. Warum? Ganz einfach: Weil es für diese widergöttlichen Mächte nur eine einzige Möglichkeit gibt, Gottes gute Absichten (zeitweise) in ihr böses Gegenteil zu verkehren, nämlich indem sie die Mittel, die Gott selbst zur Verwirklichung seiner Absichten den Menschen bereitstellt, so missbrauchen, dass die Mehrheit der Menschen daraufhin das Böse hervorbringen und das Gute verhindern. Und das geschah in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder, ebenso, wie es heute auch geschieht.

Als ein Beispiel für die letzten Jahrhunderte kann man die großen Ideale der Französischen Revolution anführen (die alle aus dem christlich-jüdischen Geschichtshintergrund Europas stammen): Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Das war es, was Gott für die von ihm gewollte „Menschwerdung der Menschen“ in diesen Jahrhunderten vorgesehen hatte: Eine fortschreitende Weiterentwicklung und Entfaltung dessen, was im biblischen Sinn unter Freiheit, Gleichheit und Brüderlich zu verstehen ist. Und was wurde daraus? Das Wahrzeichen der Französischen Revolution, das mitten in Paris hoch aufgerichtet stand, war nicht das Kreuz, sondern die Guillotine. Unter diesem Wahrzeichen der Revolution, einer Revolution, die sich (zumindest auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung) bewusst als antikirchlich und antichristlich verstand, wurden Zehntausende meist völlig unschuldiger Menschen unter dem Jubel der Gaffer abgeschlachtet. Die guten Gaben Gottes für diese Zeit: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, die Gott in Europa bereitgestellt hatte zum Segen für die Menschheit, die wurden so weit missbraucht, dass sie schließlich in ihr Gegenteil umschlugen und mehr Unfreiheit, Ungleichheit und Unbrüderlichkeit hervorbrachten als alle widergöttlichen Mächte zuvor, so dass sie nicht zum Segen, sondern zum Fluch für die Menschheit wurden. Drei solche Mächte gingen aus der Französischen Revolution hervor: Der Kommunismus, der Nationalismus und der Liberalismus.

Der Kommunismus wollte die Gleichheit aller erreichen, ja, aber er hat sie missverstanden und missbraucht als Gleichheit in der „Klassenlosen Gesellschaft“, die nur noch aus den Angehörigen der Arbeiterklasse bestehen sollte. Und das wollte man erreichen, indem man alle anderen, die „Klassenfeinde“ entweder „umerzogen“ hätte (durch Gehirnwäsche, das wurde unter Mao in China millionenfach mit tödlicher Konsequenz versucht) oder beseitigt hätte (millionenfach umgekommen oder umgebracht in den Kältewüsten Sibiriens unter Stalin). Damit wir uns nicht falsch verstehen: Diejenigen, die wirklich aus Sorge für die Benachteiligten einen sozialen Ausgleich zwischen arm und reich anstreben, sind hier nicht gemeint, ja sie sind eher als Zeichen dafür zu werten, was Gott eigentlich für ihre Zeit vorgesehen hat.

Der Nationalismus wollte die Brüderlichkeit aller, ja, aber er hat sie missverstanden und missbraucht als die Bruderschaft der „rassereinen Volksgemeinschaft“. Und die wollte man dadurch erreichen, dass alle Angehörigen „minderwertiger“ Rassen millionenfach versklavt und alle Angehörigen „schädlicher“ Rassen (wie das Judentum) millionenfach ausgerottet werden. Um Missverständnissen vorzubeugen: Diejenigen, denen die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Volk als Sprach-, Geschichts- und Kulturgemeinschaft für die eigene Identität (als Grundlage für eine Brüderlichkeit unter allen Nationalitäten und Kulturen) wichtig ist, sind hier nicht gemeint,  ja sie sind eher als Zeichen dafür zu werten, was Gott eigentlich für ihre Zeit vorgesehen hat..

Der Liberalismus wollte die Freiheit aller, ja, aber er hat sie missverstanden und missbraucht als die Freiheit der Märkte und der Mächtigen von allen einschränkenden Regulierungen. Diese „Freiheit“ wollte man erreichen durch die Freigabe des „Proletariats“ (in den eigenen Ländern) und die Freigabe der Völker der Welt (in den eroberten Kolonien) zur beliebigen Ausbeutung für den maximalen Gewinn, millionenfach verarmt, versklavt und verhungert. Aber: Diejenigen, die darauf bestehen, dass wir als freie Menschen in einer freien Gesellschaft leben können und die sich dort fair und verantwortlich einbringen wollen, sind hier nicht gemeint, ja sie sind eher als Zeichen dafür zu werten, was Gott eigentlich für ihre Zeit vorgesehen hat..

Gott selbst wollte im 18. bis 20. Jahrhundert in den christlichen Ländern Europas Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verwirklichen als Vor-Schau auf sein Heil für die Völker der Welt. Aber, was ist daraus geworden aus schuldhaftem Versagen?! Und wir müssen einsehen und gestehen: Die christlichen Kirchen haben Anteil an dieser Schuld:

Es gab Zeiten, wo sich maßgebliche Teile der Kirchen auf die Seite der Wohlhabenden und Mächtigen stellte und Unterdrückung und Rechtlosigkeit duldeten, statt auf die Not der Ausgebeuteten hinzuweisen und Umkehr zu fordern. Als Reaktion wandelte sich die Sehnsucht nach Gerechtigkeit und wurde zur politischen Bewegung des Kommunismus, die sich zunehmend ideologisierte und radikalisierte.

Es gab Zeiten, wo sich maßgebliche Teile der Kirchen auf die Seite der Kolonialherren und Unterdrücker stellte und die Ausbeutung und Verarmung ganzer Völker duldeten oder gar rechtfertigten, statt auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker hinzuweisen und deren Eigenständigkeit zu fordern. Als Reaktion darauf wandelte sich die Sehnsucht nach Anerkennung als eigenständige Völker und wurde zur politischen Bewegung des Nationalismus, die sich zunehmend ideologisierte und radikalisierte.

Es gab Zeiten, wo sich maßgebliche Teile der Kirchen auf die Seite der Adeligen und Privilegierten stellten und Unterdrückung und Rechtlosigkeit duldeten oder gar rechtfertigten, statt auf die Entrechtung der Mehrheit hinzuweisen und Freiheit zu fordern. Als Reaktion darauf, wandelte sich die Sehnsucht nach Freiheit und wurde zur politischen Bewegung des Liberalismus, der sich zunehmend ideologisierte und radikalisierte.

In unserer Gegenwart, jetzt, im 21. Jahrhundert will Gott (soweit das für Menschen wahrnehmbar ist) einen neuen Anlauf nehmen, um Zeichen seiner Zukunft in der Gegenwart der Menschheits-Familie zu setzen: Diesmal geht es um die Vernetzung, Verbindung und Vereinigung des ganzen Volkes seiner Herrschaft (Juden und Christen aller Konfessionen) zur Einheit der Kinder Gottes als Zeichen für die Welt, dass die Überwindung aller Schranken und Gräben möglich ist.

Dazu hat Gott technische Entwicklungen ermöglicht (z. B. in völkerverbindendem Verkehr, in kulturverbindendem Informationsaustausch, in weltumspannenden Kommunikationsmöglichkeiten)

Dazu hat Gott wirtschaftliche Zusammenarbeit ermöglicht (in einer Weltwirtschaft als Zusammenarbeit verschiedenster Wirtschaftszweige und Unternehmen über alle nationalen Grenzen hinweg, zum Wohle aller Menschen)

Dazu hat Gott kulturellen Austausch ermöglicht (in einer Weite und Dichte wie noch nie in der Geschichte der Menschheit durch direkte Begegnungen oder durch von Medien vermittelte Anschauungen)

Dazu hat Gott politische Zusammenarbeit ermöglicht (als gegenseitige Unterstützung der Gesellschaften und Kulturen, nicht zum Machtkampf der Nationen)

Allerdings müssen wir bedenken: Wir sind aufs Ganze gesehen immer noch in der gleichen Phase der Heilsgeschichte Gottes wie in den vergangenen Jahrhunderten. Das heißt, wir leben in einer Schöpfung, wo Göttliches und Widergöttliches gleichzeitig und nebeneinander existieren und wo es auf die Bereitschaft und den Einsatz der Gläubigen ankommt, welches von beiden sich durchsetzt. Es wird in dieser Weltzeit immer beides geben, aber welches von beiden die Oberhand gewinnt und die Entwicklungen maßgeblich bestimmt, das entscheidet sich erst in den konkreten Situationen und Abläufen. Wenn Jesus wiederkommt als Friedefürst in einer befriedeten Welt, wird es das Widergöttliche nicht mehr geben. Noch aber ist es nicht so weit und der Gang der Geschichte ist noch offen.

Es ist deshalb völlig selbstverständlich, dass sich auch widergöttliche Mächte der vorhandenen Möglichkeiten bedienen, um genau das Gegenteil dessen zu erreichen, was Gott anstrebt. Und es wird von den Entscheidungen von Menschen abhängen, was sich (für eine gewisse Zeit) durchsetzen wird.

Missbrauch der technischen Entwicklungen zur Unterdrückung und Überwachung (einzelner Völker durch ihre Machthaber , z. B. in China), Manipulation großer Teile der Weltbevölkerung durch Falschinformationen, Ideologisierung und Verschwörungstheorien und Abstumpfung aller humanen Regungen einer ganzen Menschheitsgeneration durch Überschwemmung mit jeder Art von medialer Gewalt oder seichtester Unterhaltung.

Missbrauch der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zur Ausbeutung und Versklavung (der Menschen in den „Billig-Lohn-Ländern“) und durch rücksichtslose Ausbeutung der Bodenschätze und Energien der Erde und Beeinflussung der Weltbevölkerung durch Weltkonzerne der Medienindustrie und Informationssteuerung.

Missbrauch des kulturellen Austausches zur Verflachung und Einebnung der Kulturen der Völker, bis nur noch der für alles brauchbare Einheitsmensch und (für dessen Unterhaltung) billige Shows für Massen-Unterhaltung und Massen-Tourismus davon übrigbleiben.

Missbrauch der politischen Zusammenarbeit zur Errichtung weltumfassender Herrschaftssysteme in weltumspannenden Superstrukturen mit politischen, militärischen, wirtschaftlichen, medialen und kriminellen Machtoptionen.

Soweit angedeutet die Fehlentwicklungen. In Wirklichkeit aber geht es (wir erinnern uns?) um die Vernetzung, Verbindung und Vereinigung des ganzen Volkes der Gottes-Herrschaft (Juden und Christen) zur Einheit der Kinder Gottes als Zeichen für die Welt, dass die Überwindung aller Schranken und Gräben möglich ist. Und diese Herausforderung ist noch nicht abgeschrieben, die Chancen dafür sind noch nicht vertan. Wenn das Volk Gottes die von Gott gegebenen Möglichkeiten für die Ziele Gottes mit der (mindestens) gleichen Intensität gebraucht und einsetzt wie es die widergöttlichen Mächte für ihre Ziele tun, dann wird Gott selbst dafür sorgen, dass seine Ziele vor unseren Augen verwirklicht werden. Wenn aber, wie im vergangenen 20. Jahrhundert, die Menschen und Gesellschaften, auch in (zumindest dem Namen nach) noch christlichen Völkern, in ihrer Mehrheit den widergöttlichen Mächten folgen, dann werden sie wie im 20 Jahrhundert furchtbare Not zu leiden haben. Und das alles nicht als Strafe Gottes, sondern als ganz „natürliche“ Folge ihres eigenen Fehl-Verhaltens.

Es geht heute (wie immer) um die Nutzung der von Gott gegebenen Möglichkeiten für die von Gott gegebenen Ziele.

Da, wo weltweite Netzwerke der Lüge und der Desinformation im Entstehen sind, sollen im Volk Gottes weltweite Netzwerke der Wahrheit und der wahrheitsgemäßen Information entstehen.

Da, wo im Internet weltweit Hass, Verleumdung und Entwürdigung verbreitet werden, da sollen im Volk Gottes weltweite Netzwerke zur Verbreitung von Liebe, Fürsprache und gegenseitiger Hochachtung wirksam werden.

Da, wo zur besseren Ausbeutung der Menschen und der Erde die Vielfalt des Menschseins und der Reichtum der Kulturen eingeebnet, vereinheitlicht und gelöscht werden, da sollen in weltweiten Netzwerken der Mitmenschlichkeit die Persönlichkeit jedes Einzelnen gestärkt und die Kulturen der Menschheit gefördert und zu immer intensiveren Miteinander ihrer Verschiedenheit ermutigt werden.

Da wo weltweite Herrschaftssysteme entstehen, in denen sich politische, wirtschaftliche, finanzielle und mediale und kriminelle Macht verbünden, da sollen Netzwerke und Knotenpunkte einer weltweit verbundenen Diakonie der Liebe gebildet werden, an denen die Menschen sehen und erleben können: So ist Menschsein und menschliches Miteinander gemeint.

In unserer Gegenwart heißt die entscheidende Frage nicht, ob wir Globalisierung wollen, sondern welche Art von Globalisierung wir anstreben. Eine dem Willen Gottes entsprechende globale Menschheitsgesellschaft könnte aber nur auf einer gemeinsamen ethischen Grundlage entwickelt werden. Davon soll im folgenden Beitrag „Grundlagen einer ethisch begründeten Demokratie die Rede sein.

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