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Beitrag 6: Die Krise der Demokratie (Bodo Fiebig8. September 2018)

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Thema: Die Krise der Demokratie (Bodo Fiebig 2018-9)

Wird das 21. Jahrhundert den Zusammenbruch der Demokratie als globales Gesellschaftskonzept bringen und das Wiedererstarken von elitären, machtbasierten und diktatorischen Staatsideen?

Gegenwärtig erleben wir eine „Renaissance“ der „Starken Männer“. In vielen Ländern, die schon einmal für die Demokratie gewonnen schienen, finden wir jetzt wieder durchsetzungsstarke und skrupellose Demagogen an der Macht, die von Machtausgleich, Gewaltenteilung oder Machtkontrolle nichts halten, sondern mit populistischer Rhetorik ihre Anhänger in einen kollektiven Egoismus-Rausch versetzen: Wir, wir und nur wir! Es geht um unsere Interessen, unsere Gewinne, unsere Vormacht, unsere Überlegenheit, unseren Aufstieg, unsere Zukunft … und das können wir am besten verteidigen, wenn wir uns gegen „die Anderen“, die das alles gefährden, zur Wehr setzen. Das ist populär, denn es trifft die geheimen Wünsche der Massen. Der individuelle und kollektive Egoismus ist der stärkste Antrieb unserer evolutionären Grundausstattung: „Ich kann (bzw. wir können) im Kampf ums Dasein nur dann bestehen, wenn wir unsere eigenen Interessen rücksichtslos gegen alle anderen vertreten. Diese „Anderen“, das sind unsere Konkurrenten, vielleicht sogar unsere Feinde. Wir oder sie! Sieg oder Untergang! Nur wenn wir stark sind, sind wir sicher“.

Besonders jene, die sich irgendwie benachteiligt und verunsichert fühlen, sehnen sich wieder nach dem „großen Führer“, der unsere Interessen vertritt und durchsetzt. Der starke Herrscher macht auch uns stark und kann uns über „die anderen“ erheben. „Wir, als die herrschende Elite und alle anderen als unsere Untertanen oder Sklaven“ (diese Begriffe verwendet man natürlich nicht mehr, man sagt eher: „Wir müssen so mindestens stark sein, dass die andern abhängig sind von unserem Wohlwollen und dass ihre Arbeitsleistung unseren Wohlstand mehrt“)! Welch verlockende Idee! Dass dieser evolutionäre Ansatz aus der Frühgeschichte der Menschheit in der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Realität des 21. Jahrhunderts unpassend, ja absurd ist und schlimmstenfalls zur Selbstvernichtung der Menschheit führen kann, wird verschwiegen und verdrängt.

Dazu kommt in manchen noch-demokratischen Ländern bei vielen Menschen eine seltsame Lust, an dem Ast zu sägen, auf dem sie sitzen. Sie wollen die Errungenschaften der Demokratie (Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Wohlstand …) genießen, ja, und zugleich lustvoll und demonstrativ ihren Untergang feiern. So wird alles bejubelt, was großsprecherisch, selbstgefällig, fremdenfeindlich, gewalttätig, antidemokratisch daherkommt (auch das ein Nachschlag der Evolution: Die Neigung, dem „Leitwolf“ bedingungslos und bedenkenlos zu folgen, auch dann, wenn er uns, langfristig gesehen, in den Untergang führt).

Dabei kann jeder, der die Augen offen hält, erkennen, dass die kurzschlüssige Gleichsetzung von Selbstbehauptung und eigenem Wohlergehen nicht der Realität entspricht. Selbstbehauptung kann (wenn überhaupt) immer nur sehr kurzfristig positive Auswirkungen auf unser Wohlergehen haben. Da, wo kleinere oder größere Gemeinwesen (ein Unternehmen, ein Verein, ein Staat …) dauerhaft Erfolg haben und so vorankommen, dass alle Mitglieder davon profitieren, da haben sie das nicht durch Selbstisolierung, Selbstüberhöhung und Selbstbereicherung erreicht, nicht durch Kampf und Krieg errungen, sondern durch Kommunikation, Zusammenarbeit und Partnerschaft erarbeitet. Europa nach dem 2. Weltkrieg ist das große und überzeugendste Beispiel dafür. Und die großen ideologischen Systeme des 20. Jahrhunderts mit dem Versuch, durch Klassenkampf oder Rassenkampf den „Endsieg“ über „die anderen“ zu erringen, sind längst gescheitert.* Trotzdem: Unser genetisches Erbe wurde vor Jahrtausenden im Kampf ums Überleben gestrickt, nicht in der globalen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts. Dabei ist es überdeutlich zu sehen, dass die exzessive und ungesteuerte Übertragung dieses aggressiven Erbes in unsere Gegenwart uns allen die Zukunft kosten kann. Die Waffen, die ausreichen, alles Leben auf dieser Erde für immer auszulöschen, liegen schon bereit. Und es bedarf schon einiger Anstrengungen und einer inneren Bereitschaft zur Distanz gegenüber den eigenen Emotionen und geheimen Wünschen, um eine Gesellschaftsordnung aufzubauen und durchzuhalten, die zwar nicht immer populär, aber auf Dauer erfolgversprechend ist für alle.

Wird die Demokratie unter dem Ansturm der Populisten zusammenbrechen? Viele sehen die Demokratie als „schwachen Staat“ und das Zeitalter der Demokratie vielleicht schon auf sein Ende zugehen.

Vielleicht klingt das alles manchen zu pessimistisch. Das muss es aber nicht. Wir müssen ja nicht bei der Wahrnehmung der Krise stehenbleiben (so notwendig es ist, krisenhafte Entwicklungen tatsächlich wahrzunehmen und zu verstehen). Im Bereich „mitmachen und zusammen etwas bewegen“ werden Wege aufgezeichnet und konkrete Vorhaben entwickelt, die zu einer mitmenschlichen, tragfähigen und zukunftsoffenen Demokratie führen können.

* siehe das Thema „Die Revolution und ihre Kinder“

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Das Thema „Die Krise der Demokratie“ enthält gegenwärtig die folgenden Beiträge:

Der schwache Staat

Die eingesperrte Demokratie

Grenzen und Gefahren der quantitativen Dekokratie

Die Krise des Vertrauens

Kampf der Systeme

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Bodo Fiebig Die Krise der Demokratie Version 2018 – 9

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