Bereich: A Grundlagen der Gesellschaft

Thema: Wirtschaft

Beitrag 3: Eigentum (Bodo Fiebig1. Februar 2021)

Die Möglichkeit, etwas „Eigenes“ zu „besitzen“ (d. h. Dinge zu haben, über dessen Verwendung man allein entscheiden zu kann, sie zu erwerben, sie zu genießen, sie zu vermehren oder zu veräußern …), ist eine wesentliche Voraussetzung und Motivation wirtschaftlichen Handelns. Allerdings sind solches Eigentum und die Möglichkeiten, damit zu handeln meist sehr ungleich verteilt, und dann erweist sich „Eigentum“ als ein höchst problematisches „Gut“. Seit es so etwas wie „Eigentum“ gibt, wurde es immer wieder zum Anlass von Auseinandersetzungen, Streit und Kampf. Eigentum ist (und war schon immer) Sehnsuchts- und Streitobjekt zugleich. Sehen wir uns das etwas genauer an.

1 persönliches und gemeinschaftliches Eigentum

In den im Beitrag 1 beschriebenen Szenen aus dem Leben der Menschen, die in der Höhle am Bach wohnten, war die Lebensweise als Jäger und Sammler noch dominant, auch wenn die beschriebene Gruppe nicht mehr als Nomaden lebte, sondern dauerhaft in einer Höhle wohnte. Es gab noch keine bewusst geplante Landwirtschaft und keinen Besitz an Grund und Boden. Das meiste, was sie nutzten, war entweder von der Natur vorgegeben (der Wald mit Pflanzen und Tieren, der Bach, der See …) oder es war gemeinsamer Besitz der ganzen Gruppe (die Höhle, das Feuer, die Vorräte für den Winter, der Steg über den Bach …). Nur wenige Gegenstände sahen sie als persönlichen Besitz Einzelner an (meine Schlafmatte, mein Speer, mein Fellumhang und meine Schuhe für den Winter …).

Völlig absurd wäre ihnen z. B. die Idee vorgekommen, die Höhle, in der sie gemeinsam wohnten, würde einem der Männer (oder einer der Frauen) gehören, der/die nun nicht mehr auf die Jagd geht (bzw. die nicht mehr sammelt), sondern davon lebt, dass alle anderen ihn (sie) dafür bezahlen müssten, dass sie in seiner (ihrer) Höhle mitwohnen dürfen. Unsere Höhle ist selbstverständlich unser gemeinsamer Besitz.

Undenkbar wäre es ihnen auch, eine zweite Höhle, zwei Tagesmärsche weiter oben am Bach, in der eine andere Menschengruppe wohnte, als ihr Eigentum zu betrachten. Ein Eigentum, das sie an diese Gruppe verkaufen, verpachten oder vermieten könnten. Unsere Höhle kann nur die Höhle sein, in der wir selbst wohnen.

Ebenso absurd wäre die Vorstellung, die Speere, mit dem die Jäger auf die Jagd gingen und die ihr wichtigstes „Werkzeug“ waren, würde einem von ihnen gehören, der als „Jagdunternehmer“ auch Eigentümer aller Jagdwaffen wäre, und dem die Jäger einen Teil ihrer Jagdbeute abliefern müssten für die Benutzung der Speere und für die Organisation der Jagd. Der Speer mit dem ich auf die Jagd gehe, ist selbstverständlich mein Speer.

Und niemand wäre auf die Idee gekommen, der Fellumhang und die Schuhe die einer der Höhlenbewohner für den Winter brauchte, würden einem Fellhändler gehören, dem man dafür bezahlen müsste, wenn man diese Dinge für die Jagd benutzt. Der Fellumhang, den ich trage, ist meine Kleidung. Auch jene in der Gruppe, die (zeitweise oder dauerhaft) keine eigenen Beiträge für das Leben der Gemeinschaft erbringen konnten (kleine Kinder, alt gewordene Mitglieder, ein verletzter Jäger, eine kranke Frau …) wurden von den übrigen Höhlenbewohnern mitversorgt und wurden von allen als Mit-Eigentümer am gemeinsamen Besitz angesehen. Auch der neue Fellumhang für einen der alt gewordenen Jäger, der nicht mehr auf die Jagd gehen konnte, und der deshalb auch keine Tauschwaren mehr bieten konnte, dessen alter Fellumhang aber irreparabel kaputt gegangen war, auch der galt, nachdem ihm die Gruppe diesen Umhang übergeben hatte, als sein Eigentum.

So ergab sich eine einfache und in sich völlig logische, selbstverständliche und dem Empfinden und Bedürfnissen von Menschen (damals wie heute) entsprechende Einteilung der Besitzverhältnisse, die auch heute noch als „menschengemäß“ und „menschenwürdig“ empfunden würde:

– Das, was von einzelnen Menschen genutzt wurde (die Schlafmatte, der Fellumhang, der Speer …, ob von ihnen selbst hergestellt, als Geschenk empfangen oder im Tausch von anderen erworben) war ihr persönliches Eigentum, das von niemandem anderem in Anspruch genommen werden durfte.

– Das, was gemeinsam von einer bestimmten Menschengruppe genutzt wurde und auch von dieser Gruppe gestaltet, verändert oder neu gebaut worden war (die Höhle, das Feuer, die Wintervorräte, der Steg über den Bach …), war auch gemeinsamer Besitz der Gruppe und konnte von allen frei genutzt werden.

– Das, was allgemein zur Verfügung stand (der Wald, der Bach, der See) war allgemeiner Besitz, der auch von anderen Menschen-Gruppen genutzt werden konnte.

So bildete sich nach und nach ein Verständnis von Eigentum heraus, das nicht eindimensional war (jeder Wert gehört immer dem, der ihn selbst hergestellt oder „gekauft und bezahlt“ hat) sondern ein mehrdimensionales, abgestuftes Verständnis von Eigentum.

2 Abgestuftes Eigentum

Auf heutige Verhältnisse übertragen, ergibt das wenige einfache, aber sinnvolle und eigentlich selbstverständliche und Menschen-gemäße Besitzregeln:

2a) Persönliches Eigentum

2a1) Persönliches Eigentum an Lebensnotwendigem

Alles, was Einzelne für sich selbst zum Leben und Arbeiten brauchen (Kleidung, Wohnung, Hausrat, notwendige Arbeitsräume, Arbeitsgeräte, Mobilitäts-, Kommunikations- und Betriebsmittel, …) gehört immer den Individuen, die diese Dinge brauchen und nutzen, niemals anderen (weder als Einzelnen, noch als Gemeinschaft oder Institution), die sie selbst nicht persönlich brauchen und nicht persönlich nutzen.

Das würde z. B. bedeuten, dass jedem Menschen ganz selbstverständlich die Wohnung gehört, in der er/sie wohnt, dass ihm/ihr das Lebensnotwendige gehört, von dem er/sie lebt und das „Arbeitsnotwendige“, mit dem er/sie arbeitet. Oder im Umkehrschluss: Dass niemandem (auch keiner Firma, keiner Partei und keinem Staat) eine Wohnung gehören darf, in der sie nicht selbst wohnen, dass niemandem das Lebensnotwendige gehören darf, von dem ein anderer lebt und niemandem das Arbeitsnotwendige, mit dem ein anderer arbeitet. Bei allem Existenznotwendigen kann und darf es keinen Fremdbesitz geben, bei allem Nicht-Lebensnotwendigen ist das kein Problem (wenn ich mir z. B. im Urlaub für ein paar Tage ein Auto miete, ist es nicht notwendig, dass mir das Auto gehört).

a2) sonstiges persönliches Eigentum

Hier geht es um Eigentum an materiellen oder ideellen Gütern, die zwar nicht lebensnotwendig sind, aber doch für bestimmte Personen wichtig und Wert-voll (z. B Erinnerungswerte, ästhetische Werte, Beziehungswerte, aber auch Gebrauchsgegenstände, die zwar nicht lebensnotwendig sind, aber doch von Bedeutung …). Werte, die vom Einzelnen selbst hergestellt, ihm von  anderen übereignet wurden oder von ihm durch Hergabe eines Gegenwertes erworben (gekauft) wurden, sind und bleiben persönliches Eigentum.

Aber:  Wenn das „sonstige“ (also nicht persönlich lebensnotwendige) Eigentum eines einzelnen Menschen oder eines Unternehmens usw . Elemente enthält, die für andere lebensnotwendig sind (z. B. ein Einzelner oder eine Firma besitzt mehrere Häuser, in denen andere Menschen wohnen…), dann muss der „Eigentümer“ sie den „Bewohnern“ zu deren Eigentum übergeben. (Bei Anlagen mit mehreren Wohnungen würden danach die gleichen Regelungen gelten wie bei Eigentumswohnungen). Entschädigungen könnten bei kleinem Immobiliebesitz (z. B. beim Besitz einzelner Wohnungen oder Häuser, auch bei Anteilseignern mit geringerem Wert) gesetzlich geregelt werden. Großer Immobilienbesitz (z. B. ein „Investor“ besitzt Hunderte Wohnungen in einer Großstadt) müsste ersatzlos enteignet werden. Dagegen: Eine eigene Wohnung, in der man selbst wohnt, dürfte niemals gegen den Willen des Bewohners enteignet werden.

Allgemein gesprochen: Das in diesem Abschnitt angesprochene „sonstige“ persönliche Eigentum an nicht für das (eigene) Leben und Arbeit notwendigen Gütern kann dem Eigentümer auch entzogen werden, wenn es für das Leben und Arbeiten anderer oder für die Realisierung wichtiger Gemeinschaftsaufgaben in der öffentlichen Gesellschaft unbedingt notwendig ist. Die genaueren Einzelheiten müssten gesetzlich geregelt sein.

b) Gemeinschafts-Eigentum

b1) Privates Gemeinschaftseigentum

Das, was eine Gruppe (eine Familie, eine Wohn-, Lebens- oder Arbeitsgemeinschaft …) für ihr gemeinsames Leben und Arbeiten braucht und selbst nutzt (z. B. die gemeinsam genutzte Wohnung, Möbel, Haushaltsgeräte, Werkstatt, Arbeitsräume, Büroräume, Arbeitsgeräte usw.), gehört als Gemeinschaftseigentum dieser Gruppe, niemals jemandem andern oder einer anderen Gemeinschaft, die selbst diese Dinge nicht gebrauchen und nicht nutzen (vgl. Punkt a). Also: Ein Wohnhaus mit 20 Wohnungen (für Einzelne, Familien, Wohngemeinschaften) müsste immer denen gehören, die dieses Haus bewohnen (als Eigentümergemeinschaft , bei der jeder Einzelne oder jede Gruppe einen Eigentumsanteil in Form der eigenen Wohnung hat), nicht einem Vermieter, dem das ganze Haus gehört und der vielleicht gar nicht selbst im Haus wohnt. Die Wohnung gehört zu den lebensnotwendigen Dingen, die sollte nicht Fremdeigentum sein. (Das Hotel, in dem man im Urlaub wohnt, ist nicht lebensnotwendig und muss denen, die ein paar Tage oder Wochen darin Urlaub machen, nicht gehören). Bei einem Umzug würde man die bisherige Wohnung verkaufen und dafür eine neue kaufen, die dann wieder Eigentum derer wäre, die darin wohnen.

Ein Betrieb, in dem 20 oder 200 oder 2000  Menschen arbeiten, müsste Gemeinschaftseigentum eben dieser 20, 200 oder 2000 Menschen sein, die in diesem Betrieb arbeiten und nicht Eigentum von Investoren und Aktionären, die dort nicht arbeiten, auch nicht Eigentum des Staates oder einer Partei, nicht Eigentum einer Bank oder eines Konzerns oder eines Kombinats oder „Volkseigenen Betriebs“, nicht Eigentum einer Holding, einer „Landwirtschaftlichen Produktions-Genossenschaft“ oder einer Kolchose usw. Und: Die Leitung eines Betriebes müsste immer in demokratischen Wahlen von den in diesem Betrieb arbeitenden Menschen (und nur von diesen!) gewählt werden und dürfte nicht von Aktionärsversammlungen und Aufsichtsräten bestimmt werden oder von Parteigremien und staatlichen Planungskommissionen usw.

b2) öffentliches Gemeinschaftseigentum

Hier geht es um Gemeinschafts-Eigentum von Städten, Ländern, Staaten, … das von den jeweiligen öffentlichen Gemeinschaften zum Wohle der jeweiligen Gemeinschaft genutzt wird und was sie für ihre Funktionsfähigkeit und die Lebensqualität ihrer Bewohner brauchen (z. B. öffentliche Straßen und Busse, öffentlich Wasser- oder Stromversorgung usw). Auch hier wie in Wirtschaftsunternehmen (siehe oben „privates Gemeinschaftseigentum“) müssten alle leitenden Positionen für die Verwaltung solchen öffentlichen Gemeinschaftseigentums durch demokratische Wahlen vergeben werden.

Wichtig: Das persönliche oder gemeinschaftliche Eigentum an Lebens-und Arbeitsnotwendigem (siehe Punkt a1) dürfte seinen privaten Eigentümern auch nicht zugunsten öffentlichen Gemeinschaftseigentums entzogen oder sonst irgendwie „vergemeinschaftet“ werden. Seltene Ausnahmen, wo es um wirklich existenzielle Anliegen oder Notlagen der jeweiligen öffentlichen Gemeinschaft geht, wären, wenn entsprechender Ersatz geboten wird, möglich.

c) Menschheitseigentum

Alles, was für die Gemeinschaft des Lebens auf der Erde existenziell wichtig ist (Ozeane, Atmosphäre, aber auch Polargebiete, Wüsten, Urwälder) … und alle Gebiete, Vegetationszonen und Bodenschätze, die für die Stabilisierung des Weltklimas und für die Weltgesundheit wichtig sind und alles für die Vielfalt und die Lebensräume von Menschen, Tieren und Pflanzen Notwendige müsste Gemeinschaftseigentum der Menschheit sein und dürfte nur in den Grenzen genutzt werden, die von der Menschheitsgemeinschaft selbst gemeinsam festgelegt werden mit der Maßgabe, dass sie allen zugute kommen und niemanden einseitig begünstigen, und dass die Vielfalt des Lebens geschützt wird und die Lebensräume von Pflanzen, Tieren und Menschen erhalten bleiben. Es müssten also von der Weltgemeinschaft der Menschen (auch gegen die Besitzinteressen von Nationalstaaten) solche Gebiete ausgewiesen werden, die vor dem Zugriff wirtschaftlicher Interessen dauerhaft geschützt bleiben.

Eigentum muss also differenziert betrachtet und behandelt werden: Persönliches Eigentum, privates und öffentliches Gemeinschafts-Eigentum und Menschheitseigentum. Alle diese Formen von Eigentum müssen je besonders behandelt werden. Sie alle rechtlich  „über einen Kamm zu scheren“ (wobei dieser „Kamm“ sehr oft bewirkt, dass die Besitzenden immer noch mehr Besitz ansammeln), würde ihrer je besonderen Bedeutsamkeit nicht gerecht.

3 Eigentum verpflichtet?

Die beiden Sätze (im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 14, Absatz zwei) „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich auch dem Wohle der Allgemeinheit dienen“ sind von Menschen, die über ein Eigentum verfügen, das den Durchschnittsbesitz in der Bevölkerung übersteigt, leider nur selten beachtet oder gar konkret umgesetzt worden. Ideologische Vorgaben verstärken diese Tendenz:

„Eigentum ist Diebstahl“ meint der Kommunismus und liegt falsch damit, denn Eigentum ist auch Schutz vor Unterdrückung und Ausbeutung durch die Besitzenden und durch die Mächtigen (z. B. auch durch die Mächtigen in kommunistischen Parteien).

„Eigentum konzentriert sich immer mehr in den Händen von immer weniger Vermögenden“, stellen wir fest beim Blick auf Gesellschaften mit ungebremstem Kapitalismus. Das ist eine richtige Einschätzung einer falschen Entwicklung, denn übermäßiger Besitz erzeugt übermäßige Macht, die sich vor allem gegen die Besitzlosen wendet und deren Unterdrückung und Ausbeutung begünstigt..

Weder Staats-Sozialismus noch Privat-Kapitalismus sind geeignete Wirtschaftsformen für eine menschenwürdige Gesellschaft im 21. Jahrhundert (vgl. im Thema „Die Ethik des Atheismus“ den Beitrag „Die das Gute wollten“). Noch ungeeigneter und gefährlicher wäre  ein Staatskapitalismus in Form einer Partei-Diktatur, wie er sich gegenwärtig in einigen Ländern als „Erfolgsmodell“ präsentiert.

Die sogenannte „soziale Marktwirtschaft“ ist der Versuch, den Privat-Kapitalismus als Wirtschaftsmodell zu installieren, ihn aber dann so weit einzugrenzen, dass seine schlimmsten Auswirkungen abgemildert werden. Das konnte solange (einigermaßen) gut gehen, als die begrenzenden Mächte (nationale Gesetze, internationale Vereinbarungen) solche Regelungen auch durchsetzen konnten. In Zeiten internationaler Großkonzerne und globaler Finanzkonzentrationen aber funktionieren solche Eingrenzungen immer weniger. Die Welt-Macht der Welt-Unternehmer ist schlichtweg größer als die Macht der Institutionen, die diese Unternehmer-Macht begrenzen könnten.

Regelungen, welche die Macht der wirtschaftlichen und politischen Machtkonzentrationen begrenzen könnten, müssten also von einer ethisch begründeten „Welt-Vereinbarung“ der Menschen aller Regionen und Kulturen ausgehen (die UNO in ihrer jetzigen Verfassung mit dem mächtigen „Sicherheitsrat“ der großen Atom-Mächte als eigentliches Entscheidungsgremium wäre dazu nicht geeignet, da die sogenannten „ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates“ über ein Vetorecht verfügen, mit dem sie auch eigenes offensichtliches Unrecht durchsetzen und absichern können).

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Bodo Fiebig Eigentum Version 2020-12

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