(Dies ist ein Kurzbeitrag ohne eigene Kommentarseite. Für angemeldete Leser ist aber am Ende des Textes eine Möglichkeit vorgesehen, kritische Stellungnahmen oder eigene Gedanken zum Thema anzufügen.)
Noch nie in den Jahrtausenden der Menschheitsgeschichte gab es, so wie heute, eine gemeinsame, alle Länder und Kontinente umfassende Weltöffentlichkeit (trotz aller Abschottungsmaßnahmen, mit denen totalitäre Regime ihre Bürger von eben dieser Weltöffentlichkeit fernhalten wollen). Noch nie waren die politischen, wirtschaftlichen, finanziellen, juristischen, aber auch wissenschaftlichen, kulturellen, weltanschaulichen und religiösen Belange der ganzen Menschheit so eng miteinander verbunden und so sehr voneinander abhängig wie heute. Wir stehen, wie nie zuvor, an einer Zeitenwende, an der Wende von den traditionell verschieden geprägten Regional-Gesellschaften zu der einen globalen Menschheits-Gesellschaft.
Ich will das mit dem Bild von einer Seenlandschaft verdeutlichen: Stellen wir uns vor: In einer weiten Talsenke liegen mehrere verschieden große Seen, in die verschiedene Zuflüsse münden: kleine Bäche mit klarem Wasser, aber auch verseuchte Abwässer von Häusern und Fabriken. Jeder dieser Seen hat seinen besonderen Charakter, je nach seiner Lage, der Wasserqualität und den Pflanzen und Tieren, die in ihm leben. Manche der Seen sind noch relativ sauber und gesund, andere enthalten soviel Abfall und Giftstoffe, dass sich in ihnen kaum noch Leben regt. Nun aber ist eine nie dagewesene Überschwemmung im Gang, eine globale Daten- und Informationsflut ungeheuren Ausmaßes. Alle Dämme sind gebrochen; alle Wasser strömen ineinander und vermischen sich; ein einziger großer See entsteht. Noch halten die Selbstreinigungskräfte des großen Sees der Verschmutzung stand, aber er steht auf der Kippe. Schon eine kleine Menge von zusätzlichem klaren Wasser (oder auch von neuem Schmutz) kann darüber entscheiden, ob die Ökobilanz des ganzen Sees kippt, ob der große „See” (= globale Gesellschaft) und die kulturelle Vielfalt in ihm als friedlicher und menschenwürdiger Lebensraum erhalten bleibt oder nicht.
Durch eine weltweite Kommunikation, die es diesem Umfang, in dieser Intensität und Dichte noch niemals gegeben hat, entsteht aber nicht nur eine die ganze Menschheit umfassende Weltöffentlichkeit, sondern (unbewusst und von den meisten unbemerkt) auch eine neue, alle Kontinente und Kulturen übergreifende gemeinsame Weltethik, die nach und nach die ethischen Grundpositionen der einzelnen Kulturen, die in Jahrtausenden und in relativer Isolation entstanden waren, ablöst und ersetzt. Unsere Gegenwart heute ist der Zeitraum, in dem eine kollektive Ethik der Menschheit, also das, was weltweit und über die Grenzen der verschiedenen Kulturen hinweg, als richtig oder falsch gilt, was als erwünscht oder unerwünscht, erlaubt oder verboten, „gut” oder „böse” angesehen und gewertet wird, und wo die Ansicht (ja, im schlimmsten Falle der Zwang), wie man „korrekterweise” zu denken, zu reden und zu handeln hat, seine entscheidende und für lange Zeit gültige Ausformung und Begründung erfährt.
Die Entstehung einer Weltethik ist zunächst einmal positiv zu werten, als nie dagewesene Chance, das Zusammenleben aller Menschen auf eine einheitliche und gemeinsame ethische Grundlage zu stellen. Es kann aber auch eine nie dagewesene Bedrohung darstellen. Ob der kalte, egoistische Selbstbehauptungswille der verschiedenen Individuen und gesellschaftlichen Interessengruppen in harter Konkurrenz und rücksichtsloser Durchsetzungskraft den Ton angeben wird (vielleicht auch eine ideologisch-religiöse Weltbevormundung, ein weltumfassender Gesinnungsterror) oder ob es eine Mitmenschlichkeit sein wird, die auch den Schwachen und Bedürftigen ihren Lebensraum lässt und welche die Freiheit des Denkens und Glaubens, des Redens und Lebens garantiert, das wird heute und in der allernächsten Zeit entschieden. Und diese Entscheidung wird wahrscheinlich für lange Zeit gültig bleiben.
Gewiss, die Völker der Erde können nun zu der einer Menschheitsfamilie werden, wie es von Anfängen von Gott gemeint und gewollt war. Wenn aber dann nicht die Menschenfreundlichkeit und die Nächstenliebe diese Welt regieren, sondern die Bosheit, die Habgier und das Machtstreben, die Lüge und die Verführung, der Betrug und die Ausbeutung, wenn dann die ökonomischen, ideologischen oder religiösen Absolutheitsansprüche das Handeln der Mächtigen bestimmen, mit Unterdrückung und Gewalt, mit Kampf und Krieg, dann wird diese Herrschaft so total sein wie nie zuvor. Dann werden die Fliehenden keinen mehr Ort haben, wo sie in Sicherheit wären. Dann werden die Verfolgten kein Land mehr finden, das sie aufnehmen und ihnen Schutz gewähren könnte. Noch nie war die Menschheit als Ganzes, bis zur letzten einsamen Südseeinsel, so dem Zugriff globaler Mächte ausgeliefert wie heute und noch mehr in der Zukunft.
Die Frage ist nur, was wird diese Zukunft bestimmen? (siehe dazu auch den Themenbeitrag „Recht und Unrecht“) Wird es die aufbauende Macht der Liebe sein oder die zerstörende Gewalt des (individuellen und kollektiven) Egoismus? Die gegenwärtigen globalen wirtschaftlichen, politischen, sozialen, kulturellen und weltanschaulich-religiösen Umbrüche und Erschütterungen, verbunden mit nie dagewesenen globalen Wanderungsbewegungen brechen die gewohnten Ordnungen und gültigen Normen auf. Aber wohin wird der Weg gehen? Diese Frage wird heute und in den nächsten Jahren für lange Zeit entschieden. Und wir sind aufgefordert, diese Entscheidungsphase mitzugestalten. Christen aus verschiedenen Ländern und Kulturen, in verschiedenen Konfessionen und Gruppierungen, jeweils beheimatet in einer konkreten Glaubens- und Lebensgemeinschaft aber weltweit verbunden und vernetzt, können entscheidend dazu beitragen, dass nicht die Habgier, das Machtstreben und die Selbstüberhöhung die künftige globale Menschheits-Gesellschaft bestimmen, sondern die Menschenliebe Gottes, die zum Vor-Bild und Anstoß wird für ein sich wandelndes Klima weltweiter und kulturübergreifender Mitmenschlichkeit. Jeder noch so kleine Beitrag Einzelner oder von Gruppen kann darüber entscheiden, ob die soziale und spirituelle „Ökobilanz“ unseres globalen „Ideen-Pools“ zum Positiven oder zum Negativen umschlägt.
Christsein – wozu? Dazu, dass Menschen das werden, was sie sein sollen: Ebenbild Gottes, Darstellung und erfahrbare Verwirklichung der Liebe Gottes im Miteinander und Füreinander menschlicher Gemeinschaft, durch die der Name Gottes geheiligt wird und sein Wille geschieht und so das Reich Gottes kommt, wie im Himmel, so auf Erden.
Alle Beiträge zum Thema "A Grundlagen der Gesellschaft"
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