Was ist das: „Menschlichkeit“, oder gar „Mitmenschlichkeit“? Welches Verhalten ist denn „menschlich“, also dem Menschsein angemessen? Trägt der Mensch nicht alle Instinkte seiner tierischen Vorfahren in sich und alle (auch die zerstörerischen) Reflexe der Menschheitsgeschichte? Ist er nicht auf Selbsterhaltung im „Kampf ums Dasein“ programmiert wie alle anderen Lebewesen auch? Was ist denn der Mensch, dass sich an seinem Wesen so etwas wie „Menschlichkeit“ ermessen ließe?
Der „Weg zu einer globalen Mitmenschlichkeit“ wird hier aus der Perspektive des biblischen Glaubens beschrieben. Es ist meine Perspektive, obwohl mir bewusst ist, dass man diesen Weg auch aus anderer Perspektive heraus suchen und finden kann (siehe das Thema „Weltreligionen und biblischer Glaube“)
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1 Das Licht der Menschlichkeit
Vielleicht ist es gut, diesen Abschnitt mit einem Gleichnis beginnen, mit einer bildhaften Vorstellung, in der etwas sichtbar werden soll von der Realität der Gottesebenbildlichkeit des Menschseins, die in unserer Welt und Zeit zum Fundament einer „Ethik der Mitmenschlichkeit“ werden kann (siehe dazu auch das Thema „sein und sollen“).
Stelle dir vor, du hättest eine Art „Lampe“ in deiner Hand, eine Lampe mit einer besonderen Eigenschaft: Sie könnte nämlich eine ganz spezielle Art Energie, die in dir wirksam ist, erkennen, aufnehmen und in Leuchtkraft umwandeln. Und je stärker diese Energie in dir wäre, desto heller und strahlender würde diese deine Lampe zum Leuchten kommen.
Wann würde diese Lampe in deiner Hand mit einem ersten zaghaften Glimmen anzeigen, dass da etwas in dir ist, eine Energie, eine Lebenskraft, die hinausgeht über den bloßen Selbsterhaltungstrieb des Lebens, hinausgeht über die Jagd nach Anerkennung, über den Willen zur Macht und über das Streben nach mehr und immer mehr Besitz? Vielleicht schon, wenn du für einen Augenblick deine Aufmerksamkeit von dir selbst wegwenden und du einen Menschen wahrnehmen würdest, der zufällig an dir vorübergeht, und du dabei dem ersten, unwillkürlichen Impuls widerstehen würdest, ihn als fremd und störend zu empfinden.
Heller und wärmer würde dieses erste Glimmen dann, wenn du einem Menschen – bekannt oder unbekannt – ein Lächeln schenkst, ein freundliches Wort, eine bejahende Geste; einfach so, ohne Absicht und Hintergedanken; wenn du einem, der sich angestrengt hat, einen stummen Dank zunickst; wenn du einer, die sich gemüht hat, ein anerkennendes Wort sagst; wenn du jemandem, der sich unsicher fühlt, mit einem Blick zeigst, dass es dich freut, ihn zu sehen.
Wirklich hell und strahlend würde das Licht dieser Lampe dann, wenn du bereit wärst, auf einen eigenen Vorteil zu verzichten, um jemandem, der im Nachteil ist, zu helfen; wenn du es fertig brächtest, eine gehobene Position aufs Spiel zu setzen, um dich für jemanden einzusetzen, der den untersten Platz einnimmt; wenn du dich dazu durchringen könntest, ein eigenes Vorhaben hintanzustellen, um die Pläne eines anderen voranzubringen; wenn du Macht, Reichtum und Ruhm aufgeben könntest, um einem Machtlosen, Armen und Unbedeutenden nahe zu sein.
Noch heller, noch schöner und lebendiger wäre dieses Strahlen dann, wenn du dich für das Leben in der Gemeinschaft einsetzen würdest, sei es in deiner Familie, in der Nachbarschaft, in einer Arbeitsgruppe, einer Schulklasse, in einer Vereinigung, die dem Wohl der Menschen dienen will (sei es das Rote Kreuz, die Feuerwehr oder sonst eine helfende Einrichtung), sei es in deinem Volk oder in einer völkerübergreifenden, Grenzen überwindenden und Frieden stiftenden Gemeinschaft.
Ihre höchste Leuchtkraft und strahlendste Schönheit würde diese Lampe dann erreichen, wenn Du jemandem (sei es ein Einzelner oder eine Gruppe), der dir selbst weh getan hat, vergibst und diese Vergebung bestätigst, indem du etwas für ihn tust, das ihn erfreuen kann; wenn du jemandem, der dir mit Ablehnung und Hass begegnet, mit Offenheit und Verständigungsbereitschaft entgegengehst; wenn du einem, der dir feindlich gegenübersteht, der dir schaden, vielleicht sogar dich töten will, die Hand zur Versöhnung reichst.
Du hast schon gemerkt, dass die Art von Energie, die in deiner gedachten Lampe zum Leuchten kommt, diejenige ist, die in der Bibel „Liebe“ genannt wird. 1.Kor 13, 1-7 (Lutherübersetzung): „Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, so dass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts. Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe, und ließe meinen Leib verbrennen, und hätte die Liebe nicht, so wäre mir’s nichts nütze.“ Merken wir das Leuchten, das in diesen Worten liegt, ein Leuchten, das schon seit 2000 Jahren inmitten der Finsternis dieser Welt einen hellen Glanz verbreitet? „Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.“
So beschreibt der Apostel Paulus diese Energie der Liebe, die im Miteinander der Menschen zum Leuchten kommen soll. Wie oft hätte diese deine Kugel in deiner Hand heute ein blasses Glimmen gezeigt, wie oft hätte sie hell geleuchtet, … und wie lange, wie viele Stunden dieses Tages, wäre sie ganz und gar dunkel geblieben?
Nun stelle dir vor, nicht nur du, sondern viele, ja alle Menschen, alle Menschen auf dieser Erde (mehr als sieben Milliarden!) hätten so eine Kugel in der Hand. Wie würde das aussehen, aus der Ferne betrachtet? Wie ein strahlendes, glitzerndes Lichtermeer oder wie tiefe, schwere Dunkelheit, vielleicht mit ein paar wenigen Lichtpünktchen darin?
Was sieht Gott, wenn er auf diese Erde schaut, die er selbst geschaffen hat? Die Bibel verschweigt es nicht: Jes 60,2: Siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker. Das ist unser Zustand und der Zustand dieser Welt, von Gott her gesehen. Und wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben: Ja, es stimmt. Diese Erde ist tatsächlich von Finsternis bedeckt, ein verdunkelter Globus, wo einige Wenige sagenhafte Reichtümer anhäufen und wo als Folge davon Millionen Andere in bitterster Armut leben, wo Korruption und Verbrechen, Ausbeutung und Sklaverei, Kriege und Bürgerkriege ganze Länder und Kontinente verwüsten, wo eine ganze Medien-Industrie davon lebt, immer grausamere Verbrechen, Mord und Gewalt Abend für Abend in unsere Wohnzimmer zu liefern – als Unterhaltung(!), während gleich nebenan das echte Verbrechen zuschlägt: Raub und Betrug, Gewalt und Mord, Rauschgift-, Waffen- und Menschenhandel und Zwangsprostitution, und wo das organisierte Verbrechen sich immer unlösbarer mit den Mächten der Wirtschaft und der Politik verbündet.
Dies ist wahrhaftig eine erkaltete Erde, wo im Zeichen der „Globalisierung“ soziale Sicherheiten abgebaut und die Menschen schutzlos einem Raubtierkapitalismus ausgeliefert werden, ausgebeutet und in die Verelendung getrieben (was wir hier zur Zeit in den sogenannten „Industrieländern des Westens“ erleben, ist ja nur der vorsichtige Anfang einer Entwicklung, die woanders schon viel weiter fortgeschritten ist). Dies ist wahrhaftig eine verfinsterte Welt, wo Habgier und Egoismus, Ungerechtigkeit und Parteilichkeit, Hass und Gewalt die Beziehungen zwischen Menschen und Völkern zerstören, wo die Liebe sogar in der innersten Keimzelle des gemeinsamen Lebens, in der Familie, erkaltet, wo die Ehen massenweise kaputt gehen, und Beziehungen zwischen Menschen reduziert werden auf die Frage, „… na, und was bringt mir das?“
Diese Erde ist in Dunkel gehüllt, und sie war doch dazu bestimmt, zum leuchtenden Mittelpunkt der Schöpfung zu werden durch das Licht der Liebe im Miteinander des Menschseins. Das ist unser Sündenfall, dass wir von dieser Menschheitsberufung so weit entfernt sind und heute weiter denn je. Gott aber gibt seine Schöpfung nicht auf, heute so wenig wie damals. Der Satz aus Jes 60, 1-3, der oben zitiert wurde, heißt als Ganzes gelesen so: Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir! Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.
Im Neuen Testament lesen wir es so: So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben (Joh 3,16).
Ja, die Liebe Gottes gilt der „Welt“, also der ganzen Menschheit und Schöpfung. Die Unversöhntheit der Menschen mit ihrem Schöpfer, und (als Folge davon) ihre Friedlosigkeit und Zerrissenheit untereinander, sollen geheilt werden. Alle sollen aus der Gewalt des Egoismus und der Feindschaft befreit werden, sollen zum Frieden kommen mit Gott und miteinander. Der Mensch soll nicht mehr des Menschen „Wolf” sein. Das Gesetz des Lebens soll nicht mehr heißen: „fressen und gefressen-werden“. Der Starke soll dem Schwachen nicht mehr Gewalttäter sein, sondern Schutz und Hilfe. Der Nächste soll dem Menschen nicht mehr Konkurrent, Gegner und Feind sein, sondern Geliebter. Die ganze Menschheit auf diesem ganzen Globus soll zu der einen, alle und alles umfassenden Liebes- und Lebensgemeinschaft werden (als Abbild des Wesens Gottes), zu der sie ursprünglich geschaffen war. Das ist die Art von Globalisierung, die Gott auf diesem Globus verwirklichen will.
Diesen Heilsplan Gottes für die Welt zu erkennen und den Glauben an die Liebe Gottes durchzuhalten in einer Welt, die zur einen Hälfte als egozentrische, rücksichtslose Konsum- und Spaßgesellschaft existiert und zur anderen Hälfte als permanente Kriegs- und Hungerkatastrophe, das ist eine der Herausforderungen unserer Zeit.
2 Das Leuchtbild der Gemeinschaft
Aber vielleicht sieht Gott doch mehr und viel tiefer, als wir es können? Vielleicht sieht er ein Bild, das unseren Blicken verborgen ist? Vielleicht hat er ein Leuchtbild der Menschlichkeit vor Augen, von dem wir kaum etwas ahnen?
Ich will wieder versuchen, in einem Vergleich anzudeuten, was gemeint sein könnte. Viele haben zu Hause ein bestimmtes Computerprogramm, einen Computer-Weltatlas. Mit diesem Programm kann man sich die Erde als Globus auf den Bildschirm holen. Und zwar in verschiedenen Ansichten: Da kann man in einer Ansicht die Meere und Länder, die Gebirge und Flüsse besonders gut erkennen. In einer anderen Ansicht sieht man vor allem die Städte und Verkehrswege, die Bodenschätze und Industriegebiete. Und dann gibt es da noch eine Nachtansicht des Globus. Die sieht aus, als ob man vom Weltraum aus auf die Nachtseite der Erde schaut. Da kann man zunächst gar keine Länder und Meere sehen, da sieht man auf dunklem Hintergrund nur einzelne Lichtpunkte. Und diese Punkte sind bei diesem Programm nach dem Energieumsatz angeordnet. Da wo viel Energie eingesetzt wird, also in den großen Städten und Industriegebieten, da sind viele Lichtpunkte, und bei den Meeren und Wüsten und Polargebieten, da ist es ganz dunkel. Auf den ersten Blick kann man da weiter gar nichts erkennen. Aber wenn man sich diese Nachtansicht der Erde etwas genauer anschaut, dann erkennt man tatsächlich die Kontinente der Erde. Man kann die Küstenlinien erahnen, weil da meistens viele Städte sind und die Leuchtpünktchen dort nahe beieinander liegen und man erkennt die Kältezonen und Wüsten der Erde daran, dass es da fast ganz finster ist.
Vielleicht sieht Gott, wenn er auf die „Nachtseite” der Erde schaut, auch solche Leuchtpunkte: die Leuchtpunkte vom Energieumsatz der Liebe, wie in dem Bild von den Leuchtkugeln in unserer Hand.
Aber hier meldet sich berechtigte Skepsis: Kann wirklich die positive Haltung einzelner Menschen die kollektive Verfinsterung des Menschseins erhellen? Machen wir uns da nicht etwas vor? Gewiss: Aus der Nähe betrachtet und vor den Augen Gottes leuchtet schon die kleinste Geste der Mitmenschlichkeit, auch wenn sie von der Dunkelheit und der Kälte dieser Welt immer wieder in Frage gestellt und aufgesogen wird. Aufs Ganze gesehen aber können diese vereinzelten Leuchtzeichen der Liebe die Verfinsterung des Daseins nicht durchdringen. Denn hier geht es ja um Welt-Verfinsterung, um eine Menschheits-Umnachtung, die mit Dunkel-Wörtern wie „Auschwitz“ oder „Hiroschima“ oder „Weltwirtschaftskrise” oder „weltweiter Drogen-, Waffen- und Menschenhandel” oder „religiös motivierter Terrorismus” oder „Weltverfolgungsindex” usw. nur angedeutet werden kann. Nein, was da sichtbar wird in der Dunkelheit der Welt, das sind nicht einzelne, besonders heilige Menschen, auch ihr Leuchten würde bei weitem nicht ausreichen.
Die Verfinsterung der Welt besteht ja im Wesentlichen nicht aus einzelnen Untaten einzelner Menschen, sondern aus Machtsystemen der Bosheit. Die Finsternis in der Geschichte der Menschheit wurde immer da am finstersten, wo sie sich zu einem kollektiven System aus ideologischer Entmenschlichung des Denkens und verbrecherischer Entmenschlichung des Handelns verdichtete. In Deutschland zur Zeit des Nationalsozialismus gab es so ein Dunkelsystem der Unmenschlichkeit, nämlich das Unterdrückungs- und Vernichtungssystem der „Konzentrationslager“, das schließlich Millionen von Menschen verschlang, als hätte es sie nie gegeben. Da waren eben nicht nur einzelne böse Menschen am Werk, sondern es war ein mit böser Absicht geplantes und immer weiter ausgebautes System, das daraufhin ausgerichtet war, die Gefangenen, die ja meist keinerlei persönliche „Schuld“ auf sich geladen hatten, zu erniedrigen, zu quälen, ihre Arbeitskraft bis zum äußersten auszubeuten und sie schließlich zu töten. Man könnte genauso auch die Arbeitslager des GULAG in der Sowjetunion unter Stalin, die „Umerziehungslager” der „Kulturrevolution” unter Mao in China oder als heute aktuelles Beispiel die Straflager des kommunistischen Systems in Nordkorea als Beispiele heranziehen.
Heute finden wir ein solches Dunkelsystem der Menschenverachtung vielleicht auch in den hell erleuchteten, glänzenden Börsensälen in den Weltzentren des Geldes, wo an einem einzigen Tag, in einer einzigen Stunde durch weltweite (von Computersystemen in Bruchteilen von Sekunden gesteuerte) finanzielle Transaktionen über Tausende oder manchmal sogar Millionen von Menschenschicksalen entschieden wird. Wobei ja das Schlimme nicht der Börsenhandel selbst ist, sondern das Denksystem der dort handelnden Menschen, das es ganz selbstverständlich und sinnvoll erscheinen lässt, Milliardenbeträge rund um den Globus zu verschieben und an jeder dieser Verschiebestationen riesige Reichtümer zu verdienen (oder auch mal zu verlieren), ohne nur eine Sekunde daran zu denken, dass diese Werte ja irgendwann, irgendwo von Menschen erarbeitet worden sind, und dass jede dieser Transaktionen Millionen von menschlichen Existenzen ermöglichen oder vernichten kann.
Die wirklich bösen Folgen der weltweiten Finanzkrisen sind ja nicht hier bei uns zu sehen, sondern in den ohnehin schon bitter armen Entwicklungsländern, die nun gar keine Chance auf Besserung mehr haben. Dort wird wirklich und leibhaftig gehungert und gestorben als Folge der unersättlichen Gier nach mehr Reichtum von eh schon Reichen. Und gegen solche Systeme kollektiver Seelenverfinsterung wird auch das Licht der frömmsten Einzelnen nicht anleuchten können.
Aber: Nicht nur die Verfinsterung der Welt geschieht vor allem durch kollektive Systeme, auch die Durchlichtung des Menschseins kann nur durch organisch strukturierte und systemisch vernetzte Gemeinschaften geschehen. Wir müssen also das Bild von der Leuchtkugel, die den Energieumsatz der Liebe anzeigt, noch etwas erweitern und differenzieren: Nur dann, wenn die Nächsten-Liebe in einem in Treue auf Dauer angelegten Beziehungssystem, in einer beständigen Gemeinschaft des Miteinander und Füreinander zum Vollzug kommt, kann sie die Leuchtkraft entwickeln, die auch die schwärzeste Finsternis menschlicher Schuld durchdringt. So etwas ist grundsätzlich in allen Kulturen und Religionen möglich. Im Besonderen aber ist das die Berufung der Christenheit. Jo 13, 34+35 sagt Jesus zu seinen Jüngern: „Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander lieb habt. Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.“
Es sollte nach dem Willen Gottes, des Schöpfers dieser Welt, auf dieser Erde nicht nur eine weltumspannende Biosphäre entstehen, eine alle Kontinente und Meere umfassende Lebens-Schicht, die rund um die Erde, von Pol zu Pol und von den Tiefen der Ozeane bis in die Höhen der Atmosphäre reicht, und in der alles Leben wechselseitig voneinander abhängt und aufeinander bezogen ist.
Es sollte auf dieser Erde nicht nur eine alle Völker, Sprachen und Kulturen umfassende Weltsphäre des Geistes entstehen, die in alle Jahrtausende der Menschheitsgeschichte zurückreicht und die sich im Austausch der Gedanken, Bilder und Worte zu einem globalen Gesamtkunstwerk menschlichen Geistes verknüpft und verdichtet.
Es soll auf dieser Erde auch eine die ganze Menschheit umfassende Weltsphäre der Liebe, ein Weltorganismus des Miteinander und Füreinander entstehen, ein Beziehungsgeflecht der Liebe, das alle Völker und Kulturen, alle Sprachen und Rassen, alle Gesellschaftsformen und Lebensgemeinschaften durchdringt, ein weltweites Leuchtmuster der Mitmenschlichkeit, das inmitten der verfinsterten Gegenwart in aller Unvollkommenheit doch schon die gottgewollte Liebeseinheit der Menschheitsfamilie vorabbildet, ein Weltorganismus der Für-Bitte und des Für-Handelns, ein globaler Blutkreislauf geistlicher und materieller Gaben, durch den das eine und alles überstrahlende Bild der Liebe Gottes im Menschsein trotz aller menschlichen Schwächen und Brechungen anschaubar und lebendig wird.
Das ist die Globalisierung, die Gott selbst gewollt und begonnen hat. Eine Globalisierung, in der das Menschsein das werden kann, was es sein soll: Ebenbild Gottes, Abbild seiner Liebe im Miteinander der Völker und Kulturen. Und darin der Einzelne als Weltmensch, Gemeinschaftswesen und Individuum, dessen Identität sich immer mehr und immer deutlicher durch liebevolle Begegnung, Zugehörigkeit und Gemeinschaft füllt. Eine allen gemeinsame „Ethik der Mitmenschlichkeit“ wäre die notwendige Grundlage für eine globale Gesellschaft. Ohne dieses tragende Fundament wäre die Gefahr riesengroß, dass aus der einen Welt das eine große Weltgefängnis würde, in dem das Menschsein unter dem Stiefel der Macht kaputtgetreten wird. Mitmenschlichkeit oder Unmenschlichkeit, das ist die gegenwärtig entstehende Alternative für die Zukunft der Globalisierung.
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Bodo Fiebig „Auf dem Weg zu einer globalen Mitmenschlichkeit“ Version 2018-1
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