Solange wir Lebenden (und hier ist grundsätzlich alles Leben gemeint) uns allein auf dieser Erde vorfinden (weil wir meinen, es kann ja nicht sein, das da etwas ist, das vor der Entstehung der Materie und des Lebens schon da war, nach uns sein wird und über uns wacht), solange müssen wir die Rangkämpfe als Nahrungs- und Revierkonkurrenten, als Besitz- und Machtkonkurrenten unter uns ausfechten: Zum Beispiel die Menschen gegen Wölfe, Bären und Löwen. Und seit wir Menschen die Wölfe, Bären und Löwen besiegt und sie in Zoos hinter Gittern oder in abgelegene Wild-Reservate abgedrängt haben, da bleiben für uns Menschen nur noch die Macht- und Positionskämpfe unter den verschiedenen Individuen, Rudeln, Sippen, Stämmen und Völkern: Die Stärkeren unterjochen die Schwächeren. Das ist im 21. Jahrhundert noch genau so wie vor Jahrtausenden, wenn auch die Mittel zur Unterjochung manchmal andere sind: Internationale Abkommen zugunsten der Starken, Weltwirtschaftsregeln zugunsten der Reichen …
Wie wir zu den (tierischen oder menschlichen) Mitbewohnern unserer Erde stehen, hängt entscheidend davon ab, wie das, was wir in den vorausgehenden Beiträgen unser „Weltverständnis“ genannt haben, dazu steht. Wenn z. B. in unserem Weltverständnis dieses Universum ein Produkt zufälliger Ereignisse und Abläufe ist, ohne Sinn und ohne Ziel, dann wäre es nicht ratsam und auch gar nicht möglich, in ihm verantwortlich, rücksichtsvoll, sinnvoll und zielgerichtet zu leben und zu handeln. Dann wäre die einzig richtige Maxime des Handelns, im „Kampf ums Dasein“ der Stärkere zu sein und beim „Fressen und Gefressen-werden“ der Sieger zu bleiben. Denn woher sollten in einem sinnleeren Universum Maßstäbe für sinnvolle Entscheidungen kommen, und woher sollten wir persönliche Ziele nehmen, wenn doch alles um uns her ziellos und zufällig ist? Woher sollte irgendein Lebewesen einen Handlungsimpuls nehmen, der nicht vom eigenen Vorteil getrieben ist, der Rücksicht nimmt auf Schwächere, wenn doch alles im „Kampf ums Dasein“ entstanden sein soll? Die heute so vollmundig und selbstüberzeugt verkündigen, dass doch alles „von selbst“ und „aus Zufall“ geworden ist, merken nicht, dass sie selbst davon leben, dass es noch Restbestände einer Ethik gibt, die eine schöpferische und menschenfreundliche Macht jenseits unserer eigenen Machtkämpfe voraussetzt.
Wenn wir Lebenden allein auf dieser Erde wären, weil diese Welt ihre Existenz nur zufälligen Ereignissen und Entwicklungen verdankte, dann hätten wir keine andere Möglichkeit mit unseren Konkurrenten umzugehen, als den Kampf ums Dasein und den Kampf um die besten Plätze zwischen den Rassen und Klassen der Menschheit (manchmal mit der unsinnigen Hoffnung, das aus diesen Kämpfen einmal eine ideale Gesellschaft hervorgehen wird, wie z.B. im Kommunismus).
Wenn aber diese Welt kein Zufallsergebnis des Urknalls ist und das Miteinander der Menschen nicht nur im „Kampf ums Dasein“ begründet ist und in der Auslese der Stärksten, Klügsten und Anpassungsfähigsten, dann bestünde die Aussicht, sich aus dem endlosen Kampf um Überlegenheit und Vorherrschaft zu befreien und das Menschsein als Friedensprojekt der Schöpfung zu begreifen und gestalten (siehe das Thema „Die Frage nach dem Sinn“).
Wenn das Leben nicht das Ergebnis zufälliger Ansammlungen von komplexen Molekülen in den Tiefen der Urmeere ist, und der Mensch kein Zufallstreffer der Evolution, und wenn es in Wahrheit eine rettende, schützende, fördernde, helfende und heilende Macht gibt, die außerhalb aller materiellen und biologischen Systeme steht und die allem Leben positiv zugewendet ist, dann wäre es im Schutzraum dieser Macht nicht nur möglich, sondern sinnvoll und richtig, als Menschen in versöhnter Verschiedenheit zu leben, ohne die Rangkämpfe der Rassen und Klassen, ohne die Machtspiele der Weltmächte und Weltkonzerne, ohne Ausbeutung und Versklavung, ohne Gewalt und Mord. Dann müssten wir keine Angst mehr haben, dass wir zu kurz kommen oder gar umkommen, wenn wir nicht die Stärkeren sind. *
* siehe dazu die Themen „Die Frage nach dem Sinn“ , „sein und sollen“ und „AHaBaH – das Höchste ist lieben“
Ob es den Atheisten unserer Tage gefällt oder nicht: Wir müssen uns entscheiden. Weder die Gläubigen noch die Ungläubigen können mit absoluter Gewissheit und auf Grund wissenschaftlich eindeutig bewiesener Fakten sagen, ob es einen Gott gibt, der alles erschaffen hat und der das Menschsein zum Ebenbild seiner Liebe und Fürsorge beruft – oder nicht. Aber wir haben die Freiheit der Entscheidung: Wir können in allen Situationen unseres alltäglichen Lebens im Umgang mit unseren Mitmenschen (und mit unseren Mit-Lebewesen) so leben und handeln (oder zumindest uns darum bemühen), als gäbe es diesen Gott als Schöpfer und Erhalter des Lebens, als Sinngeber des Universums und Zielgeber der Zeit und dann wären unser Wohlergehen, unsere Sicherheit und unsere Zukunft nicht davon abhängig, dass wir Sieger bleiben im endlosen Kampf der Geschlechter und Systeme.
Wir sind frei. Wir haben die Freiheit der Entscheidung, wie wir leben wollen. Wollen wir in einer zufällig entstandenen Welt leben, ohne Sinn und Ziel? Wir haben die Freiheit, das zu wählen. Aber dann müssen wir jeden Tag in unseren sinn- und ziellosen Leben um unser (zeitlich sehr eng begrenztes) Überleben kämpfen nach den Überlebensregeln der Natur: Kampf ums Dasein, fressen und gefressen werden. Oder wollen wir uns dafür entscheiden, in einer Welt zu leben, die schon ihren Sinn hat und jedes Menschenleben seinen Wert und sein Ziel, so dass wir uns die Lebens-Mittel nicht erkämpfen müssen und das Lebensglück nicht erjagen, sondern sie im Miteinander und Füreinander der Liebe erarbeiten und gestalten können? Wir haben die Freiheit, auch das zu wählen.
Ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht: Wir entscheiden uns jeden Tag viele Male. Immer dann, wenn ein Mensch sich ohne Eigennutz einem anderen zuwendet, ihm Aufmerksamkeit und Freundlichkeit schenkt, ohne Gegenleistungen zu erwarten und ihm hilft, ohne selbst davon profitieren zu wollen, dann hat er das Leben in einer sinnvollen Welt gewählt. Denn in einer sinnlosen Welt wäre es völlig unsinnig, einem anderen etwas Gutes zu tun ohne selbst einen Gewinn davon zu haben. Milliarden Menschen in allen Völkern, Kulturen und Religionen der Welt wählen ganz selbstverständlich, jeden Tag in ganz alltäglichen Situationen, dieses sinnvolle Leben, indem sie etwas Sinnvolles, Hilfreiches und Hoffnungsvolles tun. Und nur hoffnungslose Ideologen sagen: „Es kann und darf nicht sein, dass dieses Leben einen Sinn hat und ein Ziel, weil es nicht sein kann und nicht sein darf, dass es etwas gibt, das höher ist als Materie, Raum und Zeit, also höher als wir selbst.“
Wenn wir uns aber für das Miteinander und Füreinander des Lebens entscheiden und für die frohmachende, helfende und heilende Kraft der Liebe, dann werden wir (ganz gewiss und trotz aller menschlichen Schwächen und allen Versagens) die Erfahrung machen, ganz nah und direkt und unmittelbar überzeugend, dass es diesen Gott doch gibt, der unsere Welt geschaffen hat und noch immer erhält, der unserer Hilfsbedürftigkeit entgegenkommt, der unser verwundetes ICH berührt, der unser Welt- und Selbstverständnis von der verzweifelten Sinnlosigkeit des Daseins erlöst und uns zum Sinn und Ziel unseres Lebens führt. Und: Der uns hilft, das Ziel auch wirklich zu erreichen: Freiheit des Ich in der Beziehung zum Du, durch die Liebe zu Gott und den Menschen. Und: Bleibende Freiheit von allem Bösen und zu allem Guten im Lebensraum der Liebe Gottes. Wir haben die Freiheit, aber wir haben sie nur, wenn wir sie auch annehmen und nutzen.
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Bodo Fiebig „Entscheidung zur Freiheit“ Version 2019 – 4
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