Bereich: A Vision und Konkretion

Thema: Das Jerusalem-Projekt

Beitrag 3: Der kleine Anfang (Bodo Fiebig13. September 2022)

Die biblischen Berichte von den Erfahrungen der Menschen mit ihrem göttlichen Gegenüber zeigen eine immer wiederkehrende Handlungsweise Gottes: Er beginnt etwas Neues, Großes immer ganz klein mit einzelnen oder ganz wenigen Menschen.

Er beginnt die Geschichte des Gottesvolkes mit Abraham und seiner Familie. Er beginnt die Heilsgeschichte für die Völker der Erde mit einem kleinen Stammesverband von entlaufenen Sklaven. Er beginnt die Geschichte des messianischen Königtums mit dem Hirtenknaben David (nachdem das Königtum des großen, starken Saul gescheitert war). Er beginnt die Geschichte der Jesusjüngerschaft mit zwölf einfachen Leuten aus Galiläa und er beginnt die Welt-Geschichte der Christenheit mit einer kleinen Gemeinschaft von messiasgläubigen Juden, der „Urgemeinde” in Jerusalem vor zweitausend Jahren.

In der geschützten Verborgenheit des senfkornkleinen Anfangs formt Gott die Ordnungen und Strukturen, die später dem starken „Baum” der wachsenden Gemeinschaft ihren inneren Halt und ihre äußere Gestalt geben sollen. Das Prinzip des „kleinen Anfangs”, der scheinbar unbedeutenden „Erstlingschaft”, des kleinen, unscheinbaren, aber real anschaubaren und anfassbaren „Modells” für eine große, umfassende, aber noch unfassbare Zukunft ist im Alten wie im Neuen Testament durchgehend erkennbar.

Dabei müssen wir unterscheiden: Die Urgemeinde ist kein „Muster” im Sinne einer „Schablone” als Vorlage zur Vervielfältigung, mit deren Hilfe für alle Zeiten immer genau gleiche Gemeinde-Exemplare produziert werden sollen. Sie ist ein „Modell” (etwa so, wie man in der Architektur diesen Begriff versteht, wo man ein Modell für ein großes, schönes Haus anfertigt, damit diejenigen, die daran bauen und später darin wohnen werden, schon jetzt sehen und „begreifen” können, wie das große Haus einmal werden soll). So ein Modell ist ein verkleinertes und vereinfachtes Vor-Bild für etwas Großes, was erst noch entstehen soll. An ihm kann man schon wesentliche Formen und Merkmale erkennen, aber vieles ist noch offen und veränderbar, je nachdem, wann und wo, von wem und für wen das große Haus dann gebaut wird. In diesem Sinne war die Urgemeinde „Modell” für das „Haus Gottes” (Jesus nennt es das „Reich Gottes”, siehe das Thema „Dein Reich komme”), ein Modell, das aus kleinsten Anfängen nach und nach entstehen und weiterentwickelt werden sollte, bis dann Gott selbst durch seinen „Gesalbten” (Messias) den großen Bau vollendet.

Allerdings gab es zur Zeit des „Zweiten Tempels” in antiken Orient für den Aufbau so eines „Modells” unüberwindbare Hindernisse: In der Geschichte des Volkes Israel war zur Zeit der israelitischen Könige und erst recht zur Zeit der Fremdherrschaft der Babylonier, Assyrer, Perser, Mazedonier, Seleukiden, Römer… der Weg für eine solche modellhafte Vor-Verwirklichung des „Reiches Gottes“ versperrt. So bereitete Gott schließlich die Verwirklichung seines Vorhabens in der Verborgenheit einer kleinen und äußerlich völlig unbedeutenden Gemeinschaft vor: in der Jerusalemer Urgemeinde, der Keimzelle des Christentums (die aus lauter gläubigen Juden bestand). Dort formte er die grundlegenden Beziehungen, Aufgaben, Ämter und Strukturen aus, die für die Lebensgemeinschaft des Gottesvolkes in den realen Verhältnissen dieser Welt und Zeit maßgeblich sein sollen.

Zweifacher Dienst

Da, in der Urgemeinde, gab es zunächst zwei grundlegende Formen von Zuständigkeit und Verantwortung. Sie repräsentieren auch zwei unterschiedliche For­men von Leitung. Apg 6,1-4a: In diesen Tagen aber, als die Zahl der Jünger zunahm, erhob sich ein Murren unter den griechischen Juden in der Gemeinde gegen die hebräischen, weil ihre Witwen übersehen wurden bei der täglichen Versorgung. Da riefen die Zwölf (Apostel) die Menge der Jünger zusammen und sprachen: Es ist nicht recht, dass wir für die Mahlzeiten sorgen und darüber das Wort Gottes vernachlässigen. Darum, ihr lieben Brüder, seht euch um nach sieben Männern in eurer Mitte, die einen guten Ruf haben und voll heiligen Geistes und Weisheit sind, die wir bestellen wollen zu diesem Dienst. Wir aber wollen ganz beim Gebet und beim Dienst des Wortes bleiben.

Wir sehen: die Urgemeinde entwickelte schon von Anfang an verschiedene Zuständigkeiten für die spirituelle und die materielle Versorgung der Menschen. Die apostolische Berufung war zuständig für die geistliche „Speisung“ der Menschen, die diakonische Berufung war zuständig für deren leibliche Speisung. Es gab eine überregionale, für alle Mitglieder der Gemeinschaft zuständige geistliche Leitung durch die Apostel und eine lokal oder regional verantwortliche Zuständigkeit für die materielle Versorgung durch die Diakone.

Die Apostel waren von Jesus, dem „Gesalbten“ (Messias) Gottes, selbst berufen und eingesetzt, die Diakone wurden von der Gemeinde gewählt (und danach von den Aposteln bestätigt und gesegnet, Apg 6, 5-6). Das bedeutet: Die Apostel sind die Beauftragten Christi für die geistliche Leitung der Gemeinschaft aller Gläubigen weltweit, die Diakone sind Beauftragte der Gemeinde für deren materielle Versorgung und soziale Sicherung an einem bestimmten Ort. Beide, das Apostolat und das Diakonat, haben eine weltweite Verantwortung, aber in verschiedener Weise: Das Apostolat nimmt seine Verantwortung ausgehend von einem spirituellen Zentrum in Jerusalem wahr, die Diakonate dagegen haben jeweils eine örtlich begrenzte Verantwortung, sind aber über das ganze Land (und später über viele Länder der Erde) verstreut und untereinander verbunden, so das sie (als Zielvorstellung) ein weltweites Netzwerk bilden. Beide aber waren und sind gleichermaßen unverzichtbar. In den folgenden Beiträgen „spirituelles Zentrum“ und „Diakonische Netz“ soll näher darauf eingegangen werden.

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Dabei sollte es niemanden entmutigen, wenn die Anfänge einer spirituell fundierten  weltweiten Gesellschafts- und Friedensdiakonie sehr bescheiden, ja ärmlich aussehen. Gott hat vor, aus kleinen Anfängen Großes werden zu lassen.

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Der kleine Anfang,  Version 2022-8

c 2022 Bodo Fiebig, herausgegeben im Selbstverlag, alle Rechte sind beim Verfasser.

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