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Thema: C Jesus – die Person

Beitrag 2: Jesus – der Sohn (Bodo Fiebig29. Februar 2020)

Jesus wird in den Evangelien in dreierlei Weise als „Sohn” bezeichnet: Als Menschensohn, als Sohn Davids und als Sohn Gottes. Jede dieser Bezeichnungen hat ihren eigenen Hintergrund und ihre eigene Bedeutung, davon soll nun die Rede sein.

1 Der Menschensohn

Jesus spricht von sich selbst meist als „Menschensohn“, und doch nennt er ständig Gott seinen „Vater“, ein auf dem ersten Blick seltsamer Widerspruch. Und doch spiegeln sich im Spannungsfeld zwischen diesen beiden Begriffen die ganze Weite seiner Person und die Dramatik seines Lebens: Er ist Sohn Gottes und doch auch Menschenkind als Sohn der Maria; er ist der verheißene Davidssohn und doch vom Heiligen Geist gezeugt, er ist ganz Mensch, und doch in einzigartiger Weise von Gott ins Leben gerufen.

Jesus beruft sich mit dem Begriff „Menschensohn“ auf die Vision Daniels (Dan 7, 13-14): Ich sah in diesem Gesicht in er Nacht, und siehe, es kam einer mit den Wolken des Himmels wie eines Menschen Sohn und gelangte zu dem, der uralt war, und wurde vor ihn gebracht. Der gab ihm Macht, Ehre und Reich, dass ihm alle Völker und Leute aus so vielen verschiedenen Sprachen dienen sollten. Seine Macht ist ewig und vergeht nicht, und sein Reich hat kein Ende. Das ist die Selbstoffenbarung Jesu in diesem Begriff „Menschensohn“: Er ist als Mensch geboren, aber von Gott ausgestattet mit „Macht, Ehre und Reich“. Erst im Lichte dieser Offenbarung sind „Sohn Gottes“ und „Menschensohn“ kein Widerspruch.

Und doch zeigt Jesus in dem Begriff „Menschensohn“ auch die Verwundbarkeit seiner Existenz. Hier ist er angreifbar und hier wird er angegriffen. Immer wieder wirft man ihm vor, er sei doch gar nicht der verheißene Davidssohn, sondern einfach nur „Menschensohn“, d. h. einer wie alle anderen, und sein messianischer Anspruch Anmaßung und Gotteslästerung.

Als „Menschensohn“ ist Jesus auch allen Beschwernissen, Angriffen und Qualen ausgesetzt, die Menschen zu ertragen haben (Mt 8,20): Jesus sagt zu ihm: Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege. Jesus ist ja in seinem irdischen Leben wirklich „Menschensohn“, kein verkleideter Gott, sondern ganz Mensch, ohne Rückendeckung und Hintertürchen, wenn es schwierig werden sollte. Jesus leidet und stirbt wie alle „Menschensöhne“, also wie alle anderen Menschen auch. Und er durchlebt die Verzweiflung der Gottverlassenheit, die ja kaum einem Menschen erspart bleibt, in einer neuen Tiefendimension.

Zwischen diesen beiden Polen spannt sich bei Jesus die Bedeutung des Begriffs „Menschensohn“ und die Realität seines Lebens: Einmal der „Menschensohn“ aus Daniel 7, dem Gott selbst „Macht, Ehre und Reich“ gegeben hat, und zum andern (und zugleich) der „Menschensohn“ in der Bedeutung „ein Mensch wie alle anderen“ (Galater 4,4): Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan wie alle.

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2 Der Sohn Davids

Jesus selbst bezeichnete sich nie als „Davidssohn“. Er wurde immer nur von anderen so genannt.* Aber er akzeptierte und bestätigte diese Bezeichnung (z.B. Mt 21, 15+16). Nur in einer Situation bestand Jesus ausdrücklich auf seiner Königswürde als Davidnachkomme und Messias, und da kostete es ihm das Leben. Als Pilatus ihn beim Verhör fragte: „Bist du der König der Juden?“ (Mt 27,11), da bestätigte es Jesus mit den Worten: „Du sagst es“.

* Vom Verkündigungsengel (Lk 1, 32), von einigen Blinden (Mt 9,27 und Mt 20,30 mit Parallelstellen), von einer kanaanäischen Frau (Mt 15,22), von einer „sehr großen Menge“ beim Einzug in Jerusalem (Mt 21, 9), von Kindern im Tempel (Mt 21, 15).

Jesus Botschaft spannte sich zwischen diesen beiden Polen: Der Botschaft von Gott als dem liebenden Vater und der Botschaft von der nahe gekommenen Königsherrschaft Gottes, das durch ihn, Jesus, den Gesalbten Gottes (den Messias), schon „mitten unter euch“ (seinen Jüngern) Wirklichkeit wird.

Diese Botschaft war zugleich auch Ausdruck seiner eigenen Lebenswirklichkeit: Er verdankte sein Leben in einzigartiger Weise der Vaterschaft Gottes und er war als von Gott selbst eingesetzter und bestätigter Davidssohn Träger der messianischen Verheißungen, die sich mit dem Königshaus Davids verbanden. Das Reich Gottes und die Vaterschaft Gottes, das sind seine Themen. Von seiner irdischen Familie redet Jesu fast nie, und wenn, dann meist in abwehrendem Sinne (Mk3,31-35): Und es kamen seine Mutter und seine Brüder und standen draußen, schickten zu ihm und ließen ihn rufen. Und das Volk saß um ihn. Und sie sprachen zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder und deine Schwestern draußen fragen nach dir. Und er antwortete ihnen und sprach: Wer ist meine Mutter und meine Brüder? Und er sah ringsum auf die, die um ihn im Kreise saßen, und sprach: Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder! Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.

Josef, seinen irdischen (wenn auch nicht biologischen) Vater, erwähnt Jesus nie. Zur Zeit seiner öffentlichen Predigt war das Verhältnis zu ihm wohl schon so zerrüttet, dass er darauf nicht mehr Bezug nehmen konnte und wollte.

In vielen Streitgesprächen Jesu mit den damaligen theologischen „Experten“, den „Schriftgelehrten und Pharisäern“, ging es um die Legitimation für sein Reden und Tun. Für diese „Experten“ war Jesus eindeutig ein Schwindler und Hochstapler. Wie konnte ein Wanderprediger unbekannter Herkunft, der erwiesenermaßen nicht aus der davidischen Abstammungslinie kam (auch wenn Josef, von dem manche behaupteten, er wäre echter Davidide, ihn adoptiert hatte) messianische Vollmachten für sich beanspruchen? Hatte man nicht schon genug Unruhe und Blutvergießen durch selbsternannte „Messiasse“ erlebt?

Offensichtlich wurde Jesus aus Kreisen der Pharisäer vorgeworfen, dass er sich als Messias (Christus) ausgebe, in Wahrheit aber gar nicht aus dem davidischen Königsgeschlecht stamme (Mt 22, 41-45): Als nun die Pharisäer beieinander waren, fragte sie Jesus: 22,42 Was denkt ihr von dem Christus? Wessen Sohn ist er? Sie antworteten: Davids.22,43 Da fragte er sie: Wie kann ihn dann David durch den Geist Herr nennen, wenn er sagt (Psalm 110,1): 22,44 »Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten,bis ich deine Feinde unter deine Füße lege«? 22,45 Wenn nun David ihn Herr nennt, wie ist er dann sein Sohn? Jesus weist den Vorwurf der Anmaßung zurück und antwortet mit diesem Zitat aus Psalm 110, aus dem hervorgeht, dass David selbst den zukünftigen Messias als seinen Herrn bezeichnet. Das heißt, der Messias steht über David und deshalb wäre es auch nicht nötig, dass der messianische König ein (leiblicher) Nachkomme der Davidsdynastie sein müsste. Jesu Legitimation als Messias ist nicht biologisch begründet, sondern theologisch; sie kommt nicht aus der Abstammung von David, sondern aus der Sendung von Gott.

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3 Der Sohn Gottes

In diesen Auseinandersetzungen betonte Jesus immer wieder seine besondere Vater-Sohn-Beziehung zu Gott. Matthäus 11,27: …niemand kennt den Sohn als nur der Vater und niemand kennt den Vater als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will. Während Jesus wusste, dass er in einzigartiger Weise sein Leben Gott selbst verdankte, bestanden seine Gegner darauf, dass der Adoptivsohn Josefs doch einen leiblichen Vater haben müsse. Jo 8,19: Da fragten sie ihn: Wo ist dein Vater? Jesus antwortete: Ihr kennt weder mich noch meinen Vater; wenn ihr mich kenntet, so kenntet ihr auch meinen Vater.

Jesus sieht sich ganz eins mit Gott (Joh 10, 30): Ich und der Vater sind eins. Ja, er sieht sein Verhältnis zu Gott in einer besonderen, herausgehobenen Vater-Sohn-Beziehung von einzigartiger Nähe und Geschlossenheit. Joh 14,8-11: Spricht zu ihm Philippus: Herr, zeige uns den Vater, und es genügt uns. Jesus spricht zu ihm: So lange bin ich bei euch, und du kennst mich nicht, Philippus? Wer mich sieht, der sieht den Vater! Wie sprichst du dann: Zeige uns den Vater? Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin und der Vater in mir? Die Worte, die ich zu euch rede, die rede ich nicht von mir selbst aus. Und der Vater, der in mir wohnt, der tut seine Werke. Glaubt mir, dass ich im Vater bin und der Vater in mir; wenn nicht, so glaubt mir doch um der Werke willen.

Aber seine Gegner lassen nicht locker: Wie kann Jesus Sohn Gottes sein, wenn er doch die Gebote Gottes bricht, indem er am Sabbat Kranke heilt? Jesus weist ihre Vorwürfe zurück (Jo 5,19-20): Da antwortete Jesus und sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, was er den Vater tun sieht; denn was dieser tut, das tut gleicherweise auch der Sohn. Denn der Vater hat den Sohn lieb und zeigt ihm alles, was er tut, und wird ihm noch größere Werke zeigen, so dass ihr euch verwundern werdet.

Schließlich gehen seine Gegner zum Generalangriff über. Sie werfen ihm vor, dass er mit Beelzebul, dem obersten der bösen Geister, im Bunde sei. Mt 12, 22-24: Da wurde ein Besessener zu Jesus gebracht, der war blind und stumm; und er heilte ihn, so dass der Stumme redete und sah. Und alles Volk entsetzte sich und fragte: Ist dieser nicht Davids Sohn? Aber als die Pharisäer das hörten, sprachen sie: Er treibt die bösen Geister nicht anders aus als durch Beelzebul, ihren Obersten.

Während die einfachen Leute (das „Volk“) in Jesus den verheißenen Davidssohn sahen, und die Wunder als Bestätigung seiner darin begründeten Messiasberufung, sahen die Pharisäer und Sadduzäer in ihm den Verführer des Volkes, der mit den Dämonen im Bunde war und durch deren Macht scheinbare Wunder tat. Besorgt sahen sie die Begeisterung der Menschen und fürchteten die Reaktion der römischen Besatzungsmacht. Johannes 11,46-53: Einige aber von ihnen gingen (nach der Auferweckung des Lazarus) hin zu den Pharisäern und sagten ihnen, was Jesus getan hatte. 11,47 Da versammelten die Hohenpriester und die Pharisäer den Hohen Rat und sprachen: Was tun wir? Dieser Mensch tut viele Zeichen.11,48 Lassen wir ihn so, dann werden sie alle an ihn glauben, und dann kommen die Römer und nehmen uns Land und Leute. 11,49 Einer aber von ihnen, Kaiphas, der in dem Jahr Hoherpriester war, sprach zu ihnen: Ihr wisst nichts; 11,5 ihr bedenkt auch nicht: Es ist besser für euch, ein Mensch sterbe für das Volk, als dass das ganze Volk verderbe. 11,51 Das sagte er aber nicht von sich aus, sondern weil er in dem Jahr Hoherpriester war, weissagte er. Denn Jesus sollte sterben für das Volk, 11,52 und nicht für das Volk allein, sondern auch, um die verstreuten Kinder Gottes zusammenzubringen. 11,53 Von dem Tage an war es für sie beschlossen, dass sie ihn töteten.

Die Befürchtungen im Hohen Rat waren keineswegs übertrieben. Auf keinen Fall würden die Römer es dulden, dass ein Nachkomme eines früheren Herrscherhauses in den eroberten Gebieten eine messianische Bewegung in Gang setzte, die aus ihrer Position gesehen, nur als eine gefährliche nationale Revolte eingeschätzt werden konnte. Weder der Hohe Rat noch die Römer wollten oder konnten damals wahrnehmen, dass Gott selbst hier in die Menschheitsgeschichte eingegriffen hatte. Sohn Gottes oder Sohn Davids, oder doch einfach nur der Sohn der Maria aus einer illegalen, fast schon ehebrecherischen Beziehung? Die Meinungen der Zeitgenossen Jesu gingen weit auseinander und sie führten zu heftigen Auseinandersetzungen.

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Bodo Fiebig „Jesus, der Sohn“ Version 2020-2

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