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Thema: C Jesus – die Person

Beitrag 4: Jesu Verhältnis zum Vater (Bodo Fiebig29. Februar 2020)

Wer ist Jesus und wie ist sein Verhältnis zum Vater? Was bedeutet „Sohn-Sein“, wenn der „Vater“ Gott ist? Die Antworten der Theologie fiel zu verschiedenen Zeiten sehr verschieden aus: Monophysitisch oder dyophysitisch, adoptianisch oder präexistent, doketistisch oder anthropozentrisch

Wie kommt es eigentlich, dass sich in den vergangenen Jahrhunderten gerade an dieser Frage immer wieder Auseinandersetzungen und gegenseitige Verurteilungen entzündet haben? Jesus hat doch selbst in Dutzenden von Aussagen dazu Stellung genommen! Vor allem im Johannesevangelium gibt es lange Textpassagen, die genau davon handeln. Wer sollte denn über das Verhältnis Jesu zum Vater besser Bescheid wissen als er selbst?

Sehen wir also nach, wie Jesus sein Verhältnis zum Vater beschreibt. Dabei merken wir: Im Gespräch Jesu mit sehr verschiedenen Gesprächspartner und in sehr unterschiedlichen Gesprächssituationen werden mehrere Aspekte dieses Verhältnisses erkennbar. Allerdings sind die Aussagen Jesu über sein Verhältnis zum Vater so umfangreich, dass es einen eigenen Beitrag erfordern würde, sie alle aufzuführen und einzuordnen. Deshalb ist es hier nur möglich, die verschiedenen Aspekte zu benennen, um die es dabei geht und jeweils nur ein Textbeispiel wiederzugeben.

1 Aussagen Jesu zu seinem Verhältnis zum Vater

a) Die Einheit Jesu mit dem Vater

Jo 10,30: Ich und der Vater sind eins.

b) Der Vater ist allein wahrer Gott und Jesus ist von ihm gesandt

Jo 17, 3: Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.

c) Jesu Lehre ist von Gott

Jo 7, 15-16 Und die Juden verwunderten sich und sprachen: Wie kennt dieser die Schrift, wenn er es doch nicht gelernt hat? Jesus antwortete ihnen und sprach: Meine Lehre ist nicht von mir, sondern von dem, der mich gesandt hat.

d) Jesus handelt im Auftrag des Vaters

Jo 5,19: Da antwortete Jesus und sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, was er den Vater tun sieht; denn was dieser tut, das tut in gleicher Weise auch der Sohn.

e) Jesu Ehre kommt von Gott

Jo 8, 54: Jesus antwortete: Wenn ich mich selber ehre, so ist meine Ehre nichts. Es ist aber mein Vater, der mich ehrt, von dem ihr sagt: Er ist unser Gott.

f) Gott selbst bezeugt die Sohnschaft Jesu

Mt 3, 16+17: Und als Jesus getauft war, stieg er alsbald herauf aus dem Wasser. Und siehe, da tat sich ihm der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen. Und siehe, eine Stimme aus dem Himmel sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.

g) Jesu Gehorsam gegen den Willen des Vaters

Jo 4, 34 Jesus spricht zu ihnen: Meine Speise ist die, dass ich tue den Willen dessen, der mich gesandt hat, und vollende sein Werk.

h) Jesu bedingungsloses Vertrauen zum Vater

Mt 26, 38-39: Da sprach Jesus zu ihnen: Meine Seele ist betrübt bis an den Tod; bleibt hier und wachet mit mir! Und er ging ein wenig weiter, fiel nieder auf sein Angesicht und betete und sprach: Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst!

Lk 23, 46: Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt hatte, verschied er.

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2 Jesus – von Gott gezeugt, von einer Frau geboren

Über die Geburt Jesu könne wir verständlicherweise nichts aus dem Munde Jesu erwarten. Aber die Evangelien machen dazu eindeutige Aussagen:

Die Geburt Jesu Christi geschah aber so: Als Maria, seine Mutter, dem Josef vertraut war, fand es sich, ehe er sie heimholte, dass sie schwanger war von dem heiligen Geist (Mt 1,18). Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa (…) mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn (Lk 2,4-7 ).

Nein, da war kein Geschlechtsverkehr eines Gottes mit einer menschlichen Frau vorausgegangen, wie er in den griechischen Göttersagen mehrfach vorkommt. Gott hat durch den Heiligen Geist in Maria Leben gezeugt, voraussetzungslos, ohne menschliches Zutun. (Wer das gar nicht glauben kann, der mag meinetwegen auch annehmen, dass dieses Kind, entsprechend dem Willen Gottes, durch einen menschlichen Mann gezeugt wurde, das ist nicht das Entscheidende). Entscheidend ist vielmehr, dass Gott diesen Zeugungsvorgang dazu benutzte, um sein Heil, ja sich selbst, das innerste Wesen seiner Gottheit (und das ist seine voraussetzungslose, unerschütterliche, opferbereite Liebe) zur Welt zu bringen wie man ein Kind zur Welt bringt: Arm, hilfsbedürftig und schutzlos in einer argen Welt.

Gott, der einzige Seiende, der vor aller materiellen Schöpfung schon immer Gegenwärtige, hat sein “Ich-selbst“ (und das ist seine Liebe), das alle Rahmenbedingungen von Physik und Biologie und menschlicher Vorstellungskraft sprengt, hineingelegt in die Hilflosigkeit eines kleinen Kindes und es dieser geschaffenen Welt anvertraut: Der harten Physik eines steinernen Futtertrogs, der verletzlichen Biologie eines neugeborenen Menschen, der zerbrechlichen Liebesfähigkeit einer fast noch kindlichen Mutter, der schwankenden Tragfähigkeit eines teils enttäuschten, teils gläubigen Mannes und der begrenzten Glaubenskraft von ein paar ungebildeten Hirten auf den Feldern bei Bethlehem.

Wenn wir uns aber den Lebensweg dessen anschauen, der da geboren wurde, einen Weg, der gesäumt war von körperlich Geheilten und seelisch Gesundeten, von Menschen, die im Glauben gefestigt, in der Liebe gestärkt, in der Erkenntnis Gottes vertieft, zur Hingabe befähigt und zum Dienst bereit wurden, dann erkennen wir: In diesem Jesus, dem Sohn der Maria, war wirklich das Menschsein zur vollen Erfüllung seiner ursprünglichen Berufung gekommen: Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn (1. Mose 1,27).

Wahres Menschsein kommt nur dort zum Vollzug, wo es Bild der Liebe Gottes wird*. In Jesus ist das einzigartig und vollgültig geschehen; in ihm, seinem Leben, Reden und Tun ist Gott selbst (also seine Liebe) gegenwärtig. Er ist wahrhaftig „Sohn“ dieses „Vaters“, ihm ähnlicher als je ein Sohn seinem Vater ähnlich war.

* Siehe das Thema „AHaBaH – Das Höchste ist lieben”.

Gott ist Liebe, d. h. sein Wesen ist ein „Für-den-andern-da-sein“ in voraussetzungsloser Annahme, uneingeschränkter Zuwendung, unerschütterlicher Treue und opferbereiter Hingabe. In der Person Jesu kommt uns das vollgültige „Bild” dieser Liebe Gottes in menschlicher Gestalt entgegen, wird für uns anschaubar und begreifbar.

Warum tun wir uns eigentlich mit der jungfräulichen Empfängnis Marias so schwer? Eine Zeugung ohne Geschlechtsakt von Mann und Frau kann doch der Generation, für die künstliche Befruchtung im Reagenzglas und sogar das Klonen von Tieren aus einer einzelnen Haut-Zelle schon zur Selbstverständlichkeit geworden ist, nicht mehr gar so ungeheuerlich vorkommen.

Und doch besteht hier ein ganz fundamentaler Unterschied. „Gezeugt“ heißt eben nicht künstlich befruchtet oder gar geklont, nicht in kalter Technik mit wissenschaftlichen Methoden „produziert“. Schon beim menschlichen Zeugungsakt ist normalerweise etwas von personaler Zuwendung und Hingabe (also Liebe) mit dabei. Die Zeugung des Jesus-Kindes in Maria aber war ein Akt uneingeschränkter Zuwendung und totaler Hingabe Gottes an die Schöpfung, an das Leben und an die Menschheit, war Liebes-Akt. Die Liebe Gottes hat sich selbst hineingezeugt in das Menschsein, um ihm im Leben und im Sterben rettend und erlösend nahe zu sein. Wenn je die Zeugung eines Kindes ein Akt der Liebe war, dann diese.

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3 Jesus – vom Himmel gekommen

Jo 6, 33+35+38: Denn Gottes Brot ist das, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben. (…) Ich bin das Brot des Lebens. (…) Denn ich bin vom Himmel gekommen…

Nein, Jesus ist nicht mit einer Art Weltraum-Fähre vom Mond oder Mars oder einer fernen Galaxie gekommen und auf dieser Erde gelandet. Das Wort „Himmel“ ist im Neuen Testament oft eine Umschreibung für Gott. Man scheute sich aus Ehrfurcht vor Gott, seinen Namen auszusprechen, und verwendete lieber eine weniger direkte Bezeichnung. So wird zum Beispiel im Matthäus-Evangelium durchgehend statt „Reich Gottes“ der Begriff „Himmelreich“ verwendet. Gemeint ist das Gleiche. „… vom Himmel gekommen“ heißt also hier „von Gott her“.

In Jesus begegnet uns etwas, was „von Gott her“ kommt. In der Person des Menschen Jesus aus Nazareth kommt uns Gott selbst nahe und zwar in der zentralen Wesensäußerung seines Gott-Seins, der Liebe. Und diese Liebe Gottes, die uns in Jesus offenbart wird, ist das „Grundnahrungsmittel“ unseres spirituellen Menschseins, ist „Brot des Lebens“.

Wie sich biologisch-materielles und spirituelles Menschsein (Paulus nennt das „Fleisch“ und „Geist“ z. B. Gal 6,8) zueinander verhalten, können wir uns an folgendem bildhaften Vergleich verdeutlichen: Nehmen wir eine Geige, ein schönes, wertvolles Instrument. Wir können nun dieses Instrument genauer untersuchen. Ein Kenner wird vielleicht herausfinden, wann und von welchem Meister es gebaut wurde. Wir können auch das Holz prüfen und feststellen, welche Teile aus welcher Holzart hergestellt wurden. Wir könnten sogar den Lack chemisch analysieren usw.

Bei allen diesen Untersuchungen würden wir aber nicht die geringste Andeutung von dem finden, wofür dieses Instrument eigentlich gebaut wurde, nämlich von der Musik, die man darauf spielen kann. Auch bei der genauesten Analyse mit den modernsten Geräten würden wir in der materiellen Zusammensetzung dieser Geige auch nicht die winzigste Spur finden von den wunderschönen Melodien von Mozart, Beethoven, Bruch …

Die Melodie steckt nicht in irgend einem Detail der Materie, aus dem die Geige gebaut ist, nicht im Boden oder der Decke, nicht im Steg oder in den Saiten. Nur dann, wenn ein Künstler die Geige in die Hand nimmt und zum Klingen bringt, dann wird sie als Ganzes zum Klangkörper einer Melodie.

Ähnlich ist es beim Menschen. Seine ganze materiell-biologische Existenz, einschließlich aller seiner intellektuellen Begabungen und emotionalen Anlagen, sind nur das „Instrument“, auf dem ein großer Künstler eine wunderbare Melodie zum Klingen bringen will: die Melodie der Liebe Gottes. Dazu sind wir und alle Menschen gemacht. Gott hat das Menschsein dazu bestimmt, dass es zum „Klangkörper“ wird, durch den etwas von Gott selbst mitten in dieser materiellen Welt zum Klingen kommt. Oder anders ausgedrückt: Das Menschsein soll zum „Ebenbild“, zur erfahrbaren Gegenwart Gottes werden (1.Mose 1, 27: Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde). Gott aber ist die Liebe (1. Joh 4, 16).

Durch die Beziehung zu Jesus kommt die Melodie der Liebe Gottes in einem Menschenleben zum Klingen, wird Teil einer menschlichen Person.

Wenn es nun aber geschähe, dass in einem Menschenleben die Melodie der Liebe, die Gott auf ihm spielen wollte, nicht zum Klingen käme, dann hätte dieses Leben seinen Sinn verfehlt. Das „Instrument“ wäre und bliebe wertvoll, kostbarer als jede Stradivari, aber es bliebe stumm und nutzlos. Ein Mensch mag noch so schön oder sportlich oder intelligent sein, wenn in seinem Leben nicht die Melodie der Liebe Gottes zum Klingen kommt, bleibt es unerfüllt und ohne bleibenden Sinn.

Diese „Melodie“ ist das, was oben mit dem „spirituellen Menschsein“ gemeint war. Dabei muss noch eines hinzugefügt werde: Der Mensch ist nicht als „Soloinstrument“ gebaut. Erst im Zusammenklang mit anderen und unter der „musikalischen Gesamtleitung“ Gottes kann sich die ganze Klang-Fülle des Menschseins entfalten.

Freilich, der Mensch ist keine Geige. Und so zeigen sich auch wesentliche Unterschiede der menschlichen Wirklichkeit zum Bild von einem Musikinstrument. Einer wird hier von Jesus angesprochen: Unser spirituelles Menschsein muss ernährt werden wie unser biologisches. Auch unser spirituelles Menschsein kann Mangel leiden und hungern. Es braucht „Brot des Lebens“. Das Brot des Lebens ist das Lebensnotwendige, was das Leben am Leben erhält. Das gilt für das spirituelle Leben genauso wie für das biologisch-materielle. Damit soll nicht eine verschiedene Wertigkeit von materiellem und spirituellem Menschsein ausgedrückt werden, sondern es meint die zwei (und beide in dieser Welt unbedingt notwendigen) „Seiten“ des Menschseins, die erst miteinander den Menschen ausmachen.

Das Brot, das unser spirituelles Menschsein am Leben erhält, ist Jesus, durch den uns die Liebe Gottes in menschlicher Gestalt entgegenkommt. Seine Botschaft, sein Vor-Bild im Leben und Handeln, sein stellvertretendes Leiden und Sterben, seine Auferstehung und Himmelfahrt, seine Gegenwart in der Gemeinschaft der Glaubenden, seine Hingabe an sie in Brot und Wein des Heiligen Mahles, durch die sie die stärkende, heilende, vergebende Liebe Gottes empfängt, sie sind die „Lebens-Mittel“, von dem unser Glaube, ja unser ganzes Menschsein lebt.

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4 Jesus – aufgefahren in den Himmel

Jo 16,28: Ich bin vom Vater ausgegangen und in die Welt gekommen; ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater.

Was dieses „ … ich bin vom Vater ausgegangen“ bedeutet, lesen wir im Philipperbrief (2, 6-11): Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode,ja zum Tode am Kreuz. Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind,und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.

Jesus geht nicht wieder „zum Vater im Himmel“, weil er die Nase voll hat von dem mühevollen Leben auf dieser Erde und von der Gewalttätigkeit und Grausamkeit der Menschen.

Jo 14, 2-3: In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Wenn’s nicht so wäre, hätte ich dann zu euch gesagt: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten? Und wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, auf dass auch ihr seid, wo ich bin.

Damit wir das nicht falsch verstehen: Hier ist nicht ein ferner, unantastbarer, unverletzlicher Gott zu Besuch auf diese Erde gekommen, und, als die Sache schief ging, wieder in seine Himmelssphären entschwunden. Sondern Gott selbst hat sich selbst, seine verletzliche Liebe, der Lebenswirklichkeit dieser Welt anvertraut, hat sie mit vollem Risiko und ohne Rückzugsmöglichkeit der Todesverfallenheit dieser Welt und der unerbittlichen Grausamkeit menschlichen Handelns ausgeliefert. Nur dadurch, dass die vollkommene Liebe Gottes in der verletzlichen Menschlichkeit des Menschen Jesus von Nazareth zur Erfüllung kam, nur dadurch, dass er den Tod auf sich nahm, damit die Menschen leben können, als er noch im Sterben rief „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“, nur dadurch ist diese Liebe wieder bei Gott, hat sie wieder „göttliche Gestalt“ angenommen. Ohne den Triumph der Liebe im Leben und Sterben und Auferstehen Jesu wäre nicht nur das Mensch-Sein des Menschen gescheitert, sondern wäre auch das Gott-Sein Gottes unvollkommen.

Ziel des Ganzen aber ist es, dass alle Menschen, so weit sie sich nicht dagegen wehren, im Nahbereich der Liebe Gottes eine „Wohnung“ und ein bleibendes „zu Hause“ finden.

Die Liebe kommt von Gott und hat ihren Platz bei Gott, ja ist wesentlich „in Gott“ (Joh 17,21 wie du, Vater in mir bist und ich in dir…). Wenn die Liebe zum Vollzug kommt, dann ist sie, die von Gott ausgeht, wieder zu ihrem Ursprung zurückgekehrt.

Aber nicht nur Jesus, sondern alles Menschsein soll, wie es seine Bestimmung von Anfang an war, diese „göttliche Gestalt“ annehmen als Gottes „Ebenbild”. Und das geschieht tatsächlich – manchmal sichtbar, manchmal im Verborgenen – im Leben von Menschen und Gemeinschaften. Freilich: Oft ist es bis zur Unkenntlichkeit entstellt oder verschüttet.

Aber selbst dort, wo wir im Leben, Reden und Tun von Menschen fast greifbar etwas von der Liebe Gottes wahrnehmen, ist es doch – selbst im Heiligsten – immer unvollkommen, immer zerbrechlich und mit allzu menschlich-egoistischen Bestrebungen durchsetzt. Bis Gott selbst, im Friedensreich seines Gesalbten (Christus), das „Gold der Liebe“ reinwaschen wird vom Schmutz der Jahrtausende.

5 Jesus – wiederkommend in Herrlichkeit

Mt 24, 29-31: Sogleich aber nach der Bedrängnis jener Zeit wird die Sonne sich verfinstern und der Mond seinen Schein verlieren, und die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen.Und dann wird erscheinen das Zeichen des Menschensohns am Himmel. Und dann werden wehklagen alle Geschlechter auf Erden und werden sehen den Menschensohn kommen auf den Wolken des Himmels mit großer Kraft und Herrlichkeit. Und er wird seine Engel senden mit hellen Posaunen, und sie werden seine Auserwählten sammeln von den vier Winden, von einem Ende des Himmels bis zum andern.

Jo 12,32: Und ich, wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.

Im Reich Gottes, das Jesus verkündigt und das durch sein Erscheinen auf der Erde beginnt und Wirklichkeit wird, soll die Schöpfung zur Vollendung kommen.

Offb 21, 1-5: Und ich sah einen neuen Himmel undeine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und wird bei ihnen wohnen,und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu!

Wie verhält sich dieses Neue, Vollkommene, das Jesus verkündigt,zum Jetzigen, Bestehenden, Unvollkommenen, d.h. zu unserem Leben hier und heute? Zwei Möglichkeiten scheinen denkbar:

Das Gegenwärtige wird in einem stetigen Prozess der Verwandlung und Erneuerung allmählich immer mehr verändert und verbessert, bis es irgendwann dem Idealbild unserer Hoffnungen entspricht.

Oder: Es geschieht ein radikaler Abbruch und Neuanfang, bei dem das Gegenwärtige beendet und zerstört wird und etwas ganz Neues beginnt, das in keinem Zusammenhang mit dem Vorangegangenen mehr steht.

Beide Vorstellungen entsprechen nicht der Botschaft Jesu und der ganzen biblischen Prophetie. Jesus redet, um das Verhältnis von Gegenwärtigem und Kommenden anzudeuten, vom Reich Gottes, das mitten in dieser Welt und Zeit, schon „nahe herbeigekommen“ ist.

Es ist verborgen, wie ein Schatz im Acker und kostbar, wie eine Perle, für die es sich lohnt, alles andere aufzugeben (Mt 13, 44-46).

Es beginnt klein und unauffällig, aber es wächst und breitet sich aus, so, wie aus einem Senfkorn ein Baum wird oder wie ein kleines Stückchen Sauerteig einen ganzen Teig durch säuert (Mt 13,31-33).

Dieses Reich wird allen Menschen verkündigt, so, als ob Samen ausgestreut würde über fruchtbares und unfruchtbares Land. Aber nur wenige hören es recht, nehmen es auf und halten es fest, so dass die Früchte des Reiches Gottes unter ihnen wachsen und reifen können (Mt 13, 3-9 im Gleichnis vom „vierfachen Ackerfeld“). Es wird ausgeworfen wie ein Fischernetz, in dem sich Brauchbares und Unbrauchbares fängt (brauchbar bzw. unbrauchbar für den Aufbau und die Ausgestaltung des Gottesreiches in dieser Welt Mt 13, 47-50).

Es ist hinein gestreut in die Welt wie Weizen in einen Unkrautacker, so dass es immer vermengt ist mit Ungöttlichem und Widergöttlichem (Mt 13,24-30).

Gemeinsam ist allen diesen Gleichnissen, dass hier von einer Gleichzeitigkeit von Gegenwärtigem und Zukünftigem die Rede ist. Mitten im Hier und Heute ist das Zukünftige schon gegenwärtig, hat es schon begonnen, seine Wirkkraft zu entfalten. Wer bereit ist zum Schauen, wird es erkennen; wer Ohren hat zu hören, wird es wahrnehmen.

Und doch redet Jesus auch von einem im Wortsinn „weltbewegenden“ Ereignis, wo er, der „Menschensohn“, das, was unauffällig und oft unbemerkt schon geworden und gewachsen ist, zur sichtbaren Vollendung bringt. Das, was kommt, wird weit über das hinausgehen, was ist und was die Juden seiner Zeit erwarteten: Nicht nur Wiederherstellung Israels und des davidischen Königtums, sondern das „Reich Gottes“, in dem unter der Herrschaft des Messias, die ganze Menschheit und Schöpfung zu ihrer gottgewollten Bestimmung und Vollendung kommt.

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Bodo Fiebig „Jesu Verhältnis zum Vater“ Version 2020-2

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