Bereich: mitgehen

Thema: C Jesus – die Botschaft

Beitrag 12: Israel und die Kirche (Bodo Fiebig24. Januar 2018)

Israel und die Kirche? Hier kann nur ein einziger Aspekt zu dieser Fragestellung angedeutet werden. Zu einer umfassenderen Darstellung siehe das Thema „Juden und Christen“. Unser Gleichnis, das uns schon in den vorangehenden Beiträgen beschäftigt hat, (Mk 12, 1-8) endet mit einer sehr harten Aussage (Mk 12, 9): Was wird nun der Herr des Weinbergs tun? Er wird kommen und die Weingärtner umbringen und den Weinberg andern geben.

Über viele Jahrhunderte hinweg ist dieser Vers immer gleich gedeutet worden: Die „Weingärtner“, das sind die Juden, und denen wird der „Weinberg“ (ja, was ist das eigentlich? Ihr Land, ihr Status als Volk Gottes, ihre Verheißungen …?) genommen werden. Und das wird nun „anderen“ gegeben (und das können ja nur wir, die Christen sein). Diese Auslegung schien durch die geschichtlichen Entwicklungen bestätigt: Im Jahre 70 nach Christus (also nur wenige Jahrzehnte, nachdem Jesus dieses Gleichnis erzählt hatte) wurden das jüdische Land und die Stadt Jerusalem von den römischen Legionen belagert, erobert und zerstört. Die überlebenden Juden wurden, soweit sie nicht fliehen konnten, in die Sklaverei verkauft und in alle Himmelsrichtungen verstreut. Es begann für das Judentum die Jahrhunderte andauernde Leidenszeit der Diaspora. Das Christentum hingegen blühte auf, breitete sich rings um das Mittelmeer ebenso wie weiter nach Osten zu aus und wurde schließlich sogar Staatsreligion im römisch-byzantinischen Reich.

Was die Christen dabei nicht bedachten, ist die Tatsache, dass diese Deutung die Bedeutung der Bilder, die Jesus verwendete, völlig auf den Kopf stellt. So hat es Jesus nicht gesagt und so war dieser Satz von Jesus ganz gewiss nie gemeint. Der Weinberg war im Alten Testament (und das war die Bibel Jesu; das Neue Testament gab es ja noch nicht) immer das Bild für das Volk Israel und das gilt auch für dieses Gleichnis. Der Weinbergbesitzer ist Gott selbst. Und der setzt nun in unserem Gleichnis Weingärtner ein mit dem Auftrag, diesen Weinberg zu pflegen und darauf zu achten, dass er gute Früchte bringt. Mit diesen „Weingärtnern“ können ja unmöglich „die Juden“, also das Volk Israel als Ganzes gemeint sein, sonst wären ja der „Weinberg“ und die „Weingärtner“ identisch.

Die „Weingärtner“ im Gleichnis Jesu sind Menschen, die verantwortlich sind für die Pflege und die geistliche „Fruchtbarkeit“ des „Weinberges“, also des Volkes Israel. Diese „Verantwortlichen“ (gemeint waren damals die „weltlichen“ Verantwortlichen also die Könige, das Synedrium, die Reichen und Mächtigen …, wie auch die „geistlichen“ Verantwortlichen, also die Hohenpriester, die gesamte Priesterschaft und religiöse Gruppierungen wie die Pharisäer, Sadduzäer, Essener …) haben damals ihre Verantwortung und herausgehobene Stellung missbraucht und zum eigenen Vorteil genutzt. Ihnen wurde nun ihre Verantwortung entzogen, ja mehr noch, nach den Kämpfen im Jahre 70 (und danach noch einmal im Jahre 135 n. Chr.) verschwanden alle diese Gruppierungen von der Bildfläche und es gab und gibt sie nicht mehr – bis heute.

Der „Weinberg“ (das Volk Israel in der fast zweitausendjährigen Diaspora) wurde anderen „Weingärtnern“ zur Pflege übergeben. Das war (wenn wir die historischen Tatsachen nehmen, wie sie sind und wie sie Gott hat werden lassen) im Wesentlichen die rabbinische Autorität, die sich bald nach der Katastrophe herausbildete (oder neu etablierte) und die bis heute diese Verantwortung trägt und wahrnimmt. Sie war es, die das Judentum in der Zeit der Diaspora gepflegt hat! Sie hatte in dieser Zeit der Zerstreuung und Gefährdung vor allem eine der überlieferten Tradition verpflichtete bewahrende Funktion. Erst jetzt, in unserer Gegenwart, wo das Judentum in bestimmenden Teilen wieder in seinem angestammten Land konzentriert ist, könnten seine „Weingärtner“ auch wieder eine (theologisch und gesellschaftlich) weiterführende Rolle übernehmen.

Wenn wirklich das Christentum gemeint gewesen wäre mit den „anderen“, denen nun der „Weinberg“ zur Pflege übergeben wurde, so hätte es diesen Auftrag auf schändliche Weise missbraucht und ins Gegenteil verkehrt. Oder wollte jemand behaupten, die verschiedenen christlichen Kirchen wären gute „Weingärtner“ gewesen, die die Verantwortung für die Pflege und geistliche Fruchtbarkeit des Judentums während der Jahrhunderte der Diaspora treu und fürsorglich und entsprechend dem Willen des „Weinbergbesitzers“ ausgeübt hätten? Gewiss nicht. Vielmehr haben Christen (auch die Amtsträger und Machthaber der Kirchen) oft an den Juden, die unter ihnen lebten, so gehandelt, wie die „Weingärtner“ im Gleichnis Jesu mit dem „Sohn“ umgegangen waren: Und sie nahmen ihn und töteten ihn und warfen ihn hinaus vor den Weinberg. Aber vielleicht wäre ja wirklich (nach dem Willen Gottes!) die Pflege des Weinbergs Israel in der Diaspora eine Aufgabe für die Christenheit in dieser Zeit gewesen?

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© 2013, Bodo Fiebig Israel und die Kirche Version 2018-1

Herausgegeben im Selbstverlag, alle Rechte sind beim Verfasser. Vervielfältigung, auch auszugsweise, Übersetzung, Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen und jede Form von kommerzieller Verwertung nur mit schriftlicher Genehmigung des Verfassers

Bodo Fiebig Gesetz oder LiebeVersion 2018-1

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