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Thema: C Jesus – die Botschaft

Beitrag 10: Der Schabbat (Bodo Fiebig24. Januar 2018)

Jesus und das Gesetz am Beispiel der Schabbatgebote

Jesu Stellung zum Gesetz soll nun an einem Beispiel deutlich gemacht werden, das in der Auseinandersetzung mit seinen jüdischen Zeitgenossen eine besondere Rolle spielte: An seinem Verhältnis zum Schabbat. Jesu Einstellung zum Schabbat wurde in der Kirche häufig als das Beispiel für die Distanzierung Jesu (und damit der christlichen Religion) vom Schabbatgebot interpretiert und damit auch als Distanzie­rung von den Geboten im Alten Testament überhaupt. Man sagte: In seiner Ablehnung der Schabbatgebote habe Jesus deutlich gemacht, dass das Gesetz, die Thora, von nun an seine Gültigkeit verloren habe. Jetzt gelte etwas Neues, das Evangelium, und das sei genau das Gegenteil vom Gesetz. Sehen wir nach, ob das wirklich so zutrifft. Es gibt 12 Stellen in den 4 Evangelien, wo Jesus zu den Schabbatgeboten Stellung nimmt: Dabei geht es immer um die Auseinandersetzung, welches die richtige Weise der Schabbatheiligung ist: Darf man Heilen, darf man Gutes tun am Schabbat; darf man den Hunger stillen (z.B. durch Ährenausraufen) am Schabbat? Immer geht es darum, wie die Schabbatgebote richtig ausgelegt werden sollen. Wir finden nirgends auch nur andeutungsweise eine Aussage Jesu, wo Jesus den Schabbat selbst in Frage stellt! Was wir finden, ist die Teilnahme Jesu an der damaligen innerjü­dischen Auseinandersetzung um den rechten Gebrauch des Schabbat. Die Auseinandersetzung um die richtige Schabbatheiligung zieht sich durch die ganze jüdische Tradition, auch vor und nach Jesus.

Es gab zur Zeit Jesu zwei Hauptrichtungen im rabbinischen Judentum: eine strengere, die sich mehr am Buchstaben der Weisungen in der Thora ausrichtete, die begründete sich auf einen Thorage­lehrten namens Schammai. Und es gab eine mildere Auslegung, die sich mehr am Menschen und seinen Bedürfnissen orien­tierte: Sie berief sich auf einen anderen Thoraausleger namens Hillel. Beide, Hillel und Schammai, lebten und wirkten im 1. Jahrhundert vor der Zeitwende. Die Auseinandersetzung um diese beiden Rich­tungen war also zur Zeit Jesu noch im vollen Gange. Und sie ist, wenn ich es recht sehe, bis heute nicht beendet.

Jesus bezieht Stellung in dieser Diskussion, und er fasst einmal seine Position ganz prägnant in ei­nem Satz zusammen: Der Schabbat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Schab­bats willen (Markus 2,27) und noch schärfer: Der Menschensohn ist ein Herr über den Schabbat (Mt 12,8)

Im Talmud lesen wir es ganz ähnlich: Rabbi Jonathan, Josephs Sohn sagt: Ja, heilig ist er (der Schabbat) für euch! Er ist also euren Händen übergeben, und nicht seid ihr seinen Händen überge­ben. (Talmud-Traktat Joma 85b)

Ein Streitpunkt, der damals kontrovers diskutiert wurde, war die Frage, wie weit Lebensrettung und Hilfe am Schabbat erlaubt sind: (Joma 84b). Unsere Meister lehren: Man sei am Schabbat um Lebensrettung besorgt, und zwar je eifriger, siehe, desto lobenswerter ist es. Hat etwa einer gese­hen, dass ein Kind in eine Grube gefallen ist, so bricht er einen Teil derselben ein, damit er es her­ausschaffe. Und es ist nicht nötig erst vom Gericht Erlaubnis einzuholen, obwohl er Arbeiten ver­richtet, die am Schabbat verboten sind. Oder später: Hat einer gesehen, dass vor einem Kind eine Tür verschlossen wurde, so zertrümmert er sie und führt es heraus, und zwar je eifriger, desto lobenswerter ist es. Und es ist nicht nötig, erst vom Gerichtshof Erlaubnis einzuholen, obwohl er dabei absichtlich Holz zerkleinert.

Also nicht nur unmittelbare Lebensgefahr, schon die Angst eines Kindes, das versehentlich eingesperrt wurde, genügt, um das Schabbatgebot zu brechen. Jesus argumentiert fast wörtlich genau so. Mt 9, 11+12: Wer ist unter euch, der sein einziges Schaf, wenn es ihm am Schabbat in die Grube fällt, nicht ergreift und ihm heraushilft? Wieviel mehr ist nun ein Mensch als ein Schaf! Darum darf man am Schabbat Gutes tun.

Jesus bewegte sich mit seiner Auslegung der Schabbat-Gebote kaum jemals außerhalb der Spannbrei­te der innerjüdischen Diskussion seiner Zeit. Daran darf man also das Besondere an Jesus nicht aufhängen, an seiner Stellung zum Schabbat und zu den Geboten. Das Besondere an Jesus liegt ganz woanders! Davon wird noch die Rede sein (siehe den folgenden Beitrag „Warum musste Jesus am Kreuz sterben?“)

Jesus selbst nahm jedenfalls in seiner ei­genen Lebensführung die Schabbatgebote sehr ernst (Markus 1,21): Und sie gingen hinein nach Kapernaum; und alsbald am Sabbat ging er in die Synagoge und lehrte. (Und das ist kein einmaliges Ereignis, solche Aussagen tauchen in ähnlichen Formu­lierungen immer wieder auf, z. B. Lukas 4,31/6,6/13,10) In Lukas 4,16 wird es noch deutlicher: Und er kam nach Nazareth, wo er aufgewachsen war, und ging nach seiner Gewohnheit am Sabbat in die Synagoge und stand auf und wollte lesen. Jesus führte, was den Schabbat betrifft, das Leben eines frommen Juden, der ganz selbstverständlich „nach seiner Gewohnheit“ am Schabbat in die Syn­agoge ging und der darüber hinaus so viel Ansehen genoss, dass er dort die Thora lesen und lehren durfte.

Ich möchte hier noch einen anderen Aspekt anführen, der mich in diesem Zusammenhang faszi­niert: Jesus hielt ganz selbstverständlich sein ganzes Leben lang den Schabbat, aber nicht nur das, er hielt sogar noch im Tode die Schabbat-Ruhe! Er wurde hingerichtet am Tag vor dem Schabbat. Am Schabbat ruhte er im Grab und die Auferstehung geschah erst am Tag nach dem Schabbat. Ich meine, das ist nicht einfach ein Zufall ohne Bedeutung. Niemals konnte der Schabbat, der gottgegebene Ruhetag, zu­gleich der Auferstehungstag sein, wo Gott selbst den Stein vom Grabe wälzte und die Fesseln des To­des sprengte.

In der chassidisch-jüdischen Tradition hat der Tag nach dem Schabbat sogar noch eine besondere Bedeutung. Normalerweise beginnt nach dem 7. Tag der Woche, dem Schab­bat, wieder die neue Woche mit dem ersten Tag und so immer weiter im gleichen 7-Tage-Rhythmus. Aber, so heißt es, wenn die Zeit Gottes erfüllt ist, dann kommt nach dem Schabbat nicht wieder der erste, sondern der 8. Tag. Der achte Tag durchbricht den immer wiederkehrenden 7-Tage-Rhythmus, er bringt das ganz Andere, ganz Neue. Der Tag nach dem Schabbat, der nicht wie­der in den 7-Tage-Rhythmus zurückkehrt, ist der Tag der Offenbarung einer neuen Welt. Der achte Tag ist der Tag des Messias. Diesen Zusammenhang kann man sogar an den hebräi­schen Wörtern erkennen (im folgenden sind in den hebräischen Wörtern die Vokale, die ja im hebräischen Urtext des Alten Testaments gar nicht verwendet werden, mit kleinen, tiefgesetzten Buchstaben geschrieben.): Das Wort „Messias“ kommt von hebräisch „Maschiach“, der Gesalbte. Das hebräische Wort für das Salböl (schemen), mit dem der Messias gesalbt wird, und das hebräische Wort für „acht“ (schmona) haben beide den gleichen Wortstamm. Der achte Tag ist auch der Tag der Beschneidung. Sie ist das Zeichen des Bundes, und zugleich auch das Zeichen, dass der Mensch, der ja noch hier im Irdischen lebt, doch auch schon der Himmlischen Welt angehört. Das hebräische Wort für „Himmel“ (schamajim) hat wieder (hier in Mehrzahlform) den gleichen Wortstamm wie schemen (Salböl) und schmona (acht). Die Auferstehung des Gesalbten muss­te am ersten Tag der Woche geschehen, am Tag nach dem Schabbat, der zugleich als der achte Tag, als der Tag des Messias, den Himmel öffnet und ein ganz neues Zeitalter einleitet.

Das ist die eigentliche Bedeutung der Auferstehung am Tage nach dem Schabbat. Später wurde daraus der „Sonntag“ (ursprünglich der Tag des römischen Sonnengottes), den man als bewusste Abgren­zung vom Judentum benutzte (und man wählte lieber heidnische Götternamen für die Namen der Monate und Wochentage, bloß um keine Anklänge an die jüdischen Ursprünge mehr erkennen zu lassen). Der erste Tag der Woche hat seine eigene Bedeutung als Auferstehungstag Jesu, nicht als „Ersatz“ für den Schabbat.

Im Leben und in der Lehre Jesu und sogar in seinem Sterben und Auferstehen finden wir also nicht eine Spur, die darauf hinweist, dass er den Schabbat gering geachtet, oder als nicht mehr zeit­gemäß verworfen hätte. Jesus ist nicht gekommen, um die Gebote Gottes in Frage zu stellen oder gar abzuschaffen, sondern um die Gebote so zu erfüllen, damit für alle sichtbar wird: Die Liebe ist die Erfüllung der Gebote (siehe den Beitrag „Die Liebe ist des Gesetzes Erfüllung“).

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© 2013, Bodo Fiebig Der SchabbatVersion 2018-1

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