Das größte Hindernis auf dem Weg in die Freiheit begegnete den Israeliten nicht beim Schilfmeer, als die Truppen des Pharao sie verfolgten. Das größte Hindernis begegnete ihnen am Horeb, dem Gottesberg, und dieses Hindernis war ihr eigener Kleinmut, der die Größe ihrer Berufung nicht fassen konnte und ihr mangelndes Vertrauen, der Gott nicht zutraute, sie auf einem unbekannten Weg sicher ans Ziel zu führen. Das soll im Folgenden angedeutet werden.
1 Königliches Priestertum
Und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein (2.Mose 19,6). Das war die Absicht, die Leit-Idee, der Gott folgte, als er das Volk aus der Sklaverei in Ägypten in die Freiheit führte. Dazu geschahen alle diese Wunder. Freilich würde sich erst mit der Zeit, nach und nach, herausstellen, was diese Verheißung und Berufung für das entlaufene Sklavenvolk konkret bedeuten sollte und auch welche Herausforderungen und Gefahren damit verbunden waren (siehe dazu auch das Thema „Reich Gottes und Demokratie“).
Das Werden dieses königlichen Priestertums hat gleich am Anfang und danach immer wieder tiefe Einbrüche erfahren. Der erste, der schon alles in Frage stellte, geschah noch am Sinai, nur wenige Tage, nachdem Gott mit dem von ihm erwählten Volk einen feierlichen Bund geschlossen hatte. Das soll in einer kurzen Zusammenfassung der Ereignisse deutlich werden:
Nachdem Mose auf dem Berge erfahren hatte, welche Berufung Gott für dieses Volk vorgesehen hatte, legte er sie den Israeliten zur Annahme vor (2. Mose 19,7-8: Mose kam und berief die Ältesten des Volks und legte ihnen alle diese Worte vor, die ihm der HERR geboten hatte. Und alles Volk antwortete einmütig und sprach: Alles, was der HERR geredet hat, wollen wir tun. Und Mose sagte die Worte des Volks dem HERRN wieder. Und Israel hat sich entschieden: Ja, wir wollen diese Berufung zur königlichen Priesterschaft annehmen.
Auf die Berufungsannahme antwortete Gott auf zweierlei Weise: Erstens mit einer Selbstoffenbarung vor dem Volk 2.Mose 19, 16-19: Als nun der dritte Tag kam und es Morgen ward, da erhob sich ein Donnern und Blitzen und eine dichte Wolke auf dem Berge und der Ton einer sehr starken Posaune. Das ganze Volk aber, das im Lager war, erschrak. Und Mose führte das Volk aus dem Lager Gott entgegen, und es trat unten an den Berg. Der ganze Berg Sinai aber rauchte, weil der HERR auf den Berg herabfuhr im Feuer; und der Rauch stieg auf wie der Rauch von einem Schmelzofen, und der ganze Berg bebte sehr. Und der Posaune Ton ward immer stärker. Und Mose redete, und Gott antwortete ihm laut.
… und zweitens mit der Gabe der Gebote.
Diese Gebote (oder Weisungen) und ihre Einhaltung im Gemeinschaftsleben des Volkes waren unverzichtbar notwendig, damit das Volk das werden konnte, was es sein sollte: königliche Priesterschaft zum Segen für die Völker der Erde. Und auch dazu sagte das Volk ja (2. Mose 24,3): Mose kam und sagte dem Volk alle Worte des HERRN und alle Rechtsordnungen. Da antwortete alles Volk wie aus einem Munde: Alle Worte, die der HERR gesagt hat, wollen wir tun.
So waren nun alle Voraussetzungen gegeben, dass Gott mit diesem Volk einen Bund schließen konnte. Dazu brauchte es keine priesterlichen Mittler, denn das Volk als Ganzes hatte ja eine priesterliche Verantwortung angenommen. Beim Bundesschluss war also das ganze Volk beteiligt und die jungen Männer Israels (keine „hauptamtlichen“ Priester, sondern junge Männer, die normalerweise als „noch nicht würdig“ angesehen wurden) waren es, die das Opfer für die entsprechende Handlung darbrachten (2. Mose 24, 4-8): Da schrieb Mose alle Worte des HERRN nieder und machte sich früh am Morgen auf und baute einen Altar unten am Berge und zwölf Steinmale nach den zwölf Stämmen Israels und sandte junge Männer von den Israeliten hin, dass sie darauf dem HERRN Brandopfer opferten und Dankopfer von jungen Stieren. Und Mose nahm die Hälfte des Blutes und goss es in die Becken, die andere Hälfte aber sprengte er an den Altar. Und er nahm das Buch des Bundes und las es vor den Ohren des Volks. Und sie sprachen: Alles, was der HERR gesagt hat, wollen wir tun und darauf hören. Da nahm Mose das Blut und besprengte das Volk damit und sprach: Seht, das ist das Blut des Bundes, den der HERR mit euch geschlossen hat aufgrund aller dieser Worte.
Darauf folgte eine erneute, noch weitergehende Selbstoffenbarung Gottes vor den Ältesten des Volkes, die hier das ganze Volk repräsentieren. 2. Mose 24, 9-11: Da stiegen Mose und Aaron, Nadab und Abihu und siebzig von den Ältesten Israels hinauf und sahen den Gott Israels. Unter seinen Füßen war es wie eine Fläche von Saphir und wie der Himmel, wenn es klar ist. Und er reckte seine Hand nicht aus wider die Edlen Israels. Und als sie Gott geschaut hatten, aßen und tranken sie.
Nun wollte Gott noch dem Mose die Gebote auf Steintafeln übergeben (ein im Vergleich zu Pergament oder Papyrus unvergängliches Material), in die er mit eigener Hand die Worte der Weisung eingravieren wollte, als unvergängliche Ordnung für das Leben und Miteinander-Leben des Volkes. Dazu rief er sich Mose noch einmal auf den Berg in seine unmittelbare Gegenwart (2. Mose 24,15-18): Als nun Mose auf den Berg kam, bedeckte die Wolke den Berg, und die Herrlichkeit des HERRN ließ sich nieder auf dem Berg Sinai, und die Wolke bedeckte ihn sechs Tage; und am siebenten Tage erging der Ruf des HERRN an Mose aus der Wolke. Und die Herrlichkeit des HERRN war anzusehen wie ein verzehrendes Feuer auf dem Gipfel des Berges vor den Israeliten. Und Mose ging mitten in die Wolke hinein und stieg auf den Berg und blieb auf dem Berge vierzig Tage und vierzig Nächte.
An dieser Stelle wird die Handlungsfolge jedoch unterbrochen durch ein Geschehen, das diesem Ablauf völlig zu widersprechen scheint. Es folgt die Anweisung für den Bau eines Heiligtums und für die Ausstattung und Weihe eines speziellen, herausgehobenen und auf die Familie Aarons beschränkten Priestertums. Das königliche Priesteramt des ganzen Volkes scheint wie vergessen und ausgelöscht. Woran war es gescheitert?
2 Scheitern
Erst wenige Wochen waren vergangen seit Mose zum ersten Mal auf dem Gipfel des Berges war, aber was war in dieser Zeit alles geschehen! Mose war wieder auf dem Berg. Er war am Ende seiner Kräfte, als er vom Gipfel des Berges herabstieg bis zu der Hochfläche mit der kleinen Quelle. Todmüde war er und zugleich in höchster Anspannung. Vierzig Tage und Nächte war er auf dem Berg gewesen. Und diese Tage überstrahlten sein ganzes Leben mit einem Glanz, den er nie für möglich gehalten hätte. Und nun sollte alles vergeblich gewesen sein? Mit welchen Erwartungen war er auf diesen Berg gestiegen! Hier sollte er die steinernen Tafeln empfangen, auf die HaHWeH selbst seine Weisungen an das Volk eingraviert hatte (2. Mose 24, 12-14): Und der HERR sprach zu Mose: Komm herauf zu mir auf den Berg und bleib daselbst, dass ich dir gebe die steinernen Tafeln, Gesetz und Gebot (oder: Weisungen und Verpflichtungen), die ich geschrieben habe, um sie zu unterweisen. Da machte sich Mose auf mit seinem Diener Josua und stieg auf den Berg Gottes. Aber zu den Ältesten sprach er: Bleibt hier (im Lager), bis wir zu euch zurückkommen. Siehe, Aaron und Hur sind bei euch; hat jemand eine Rechtssache, der wende sich an sie. Diese Weisungen sollten dem Volk die Richtlinien für ihr Gemeinschaftsleben geben. Wenn sie sich daran hielten, könnten sie wirklich in die Rolle hineinwachsen, die ihnen von JaHWeH zugedacht war: Königliche Priesterschaft zum Segen für die Völker der Erde.
Es hatte doch alles so gut begonnen. Als er zusammen mit Josua heraufgestiegen war und das von Felswänden umstellte Hochbecken erreicht hatte, war der Gipfel des Berges von einer lichten Wolke verhüllt gewesen. Mose und Jo-suah hatten die Gegenwart und Herrlichkeit JaHWeHs noch nie so deutlich vor Augen gehabt wie da. Sechs Tage lang hatten sie in einem Zustand tiefsten Friedens und höchster Beglückung in dieser Gegenwart gelebt (2. Mose 24, 15+16): Als nun Mose auf den Berg kam, bedeckte die Wolke den Berg, und die Herrlichkeit des HERRN ließ sich nieder auf dem Berg Sinai, und die Wolke bedeckte ihn sechs Tage …
Dann hatten sie am siebenten Tag die Stimme JaHWeHs vernommen, die ihn, Mose, zu sich auf den Gipfel des Berges rief und er war die letzte kurze Strecke allein auf den Berg hinaufgestiegen (2.Mose 24, 16+18): … und am siebenten Tage erging der Ruf des HERRN an Mose aus der Wolke … Und Mose ging mitten in die Wolke hinein und stieg auf den Berg und blieb auf dem Berge vierzig Tage und vierzig Nächte.
Was er in den folgenden Tagen erlebte, hätte Mose hinterher nicht in Worte fassen können. Es war eine Gottesnähe, die ihn einhüllte wie ein wärmender Mantel und ein Zustand glückseliger Geborgenheit, die ihn im Innersten erfüllte. Er hätte hinterher nichts erzählen können von Wachen und Schlafen, Essen und Trinken, Hitze und Kälte, Tag und Nacht. Das alles spielte hier keine Rolle. Die ganze Zeit über war die Kargheit des Felsengipfels in ein Leuchten* getaucht, in dem alles, auch er selbst, klar und durchsichtig erschien wie Kristall.
* 2.Mose 24, 17: Und die Herrlichkeit des HERRN war anzusehen wie ein verzehrendes Feuer auf dem Gipfel des Berges vor den Israeliten.
Mose ahnte nichts davon, dass dieses Leuchten vom Lagerplatz des Volkes im Tal her aussah wie ein verzehrendes, alles vernichtendes Feuer. Am neununddreißigsten Tag auf dem Berg war sich Mose ganz sicher: 40 Tage, das war das Zeitmaß, das JaHWeH für seinen Aufenthalt bei ihm vorgesehen hatte. Morgen würde er die Tafeln des Bundes mit den grundlegenden Weisungen und Verpflichtungen für das Volk empfangen und wieder zu den Menschen hinabsteigen.
Als Mose am vierzigsten Tage die Sonne aufgehen sah über den Felsgraten der Berge weiter im Osten, erwartete er, dass JaHWeH ihm nun offen gegenübertreten würde, um ihm die Bundestafeln zu überreichen, aber er wartete vergeblich. Statt dessen umfing ihn auf dem Gipfel des Berges plötzlich eine Stille und Leere, die ihn trotz der wärmenden Morgensonne frieren ließ. Die schützende Wolke war verschwunden und das grelle Sonnenlicht beschien eine leere und trostlose Landschaft. Wie anders war das als in den vergangenen Tagen, wo er die Nähe JaHWeHs so deutlich und so beglückend gespürt hatte! Wo war JaHWeH nun? Warum ließ er ihn gerade jetzt allein? Mose war, als hielte die Natur, und hielten selbst die Engel im Himmel den Atem an im Anblick eines schrecklichen Geschehens.
Mose wartete Stunde um Stunde, dass JaHWeH erscheinen und mit ihm sprechen würde, aber nichts geschah. Als die Sonne sich im Westen dem Horizont näherte, fühlte er eine Einsamkeit, wie noch nie in seinem Leben: Fern von den Menschen und von Gott verlassen. Da hörte er wie aus großer Ferne die Stimme JaHWeHs (2.Mose 25, 2-9): „Sage den Israeliten, dass sie für mich eine Opfergabe erheben von jedem, der es freiwillig gibt. Das ist aber die Opfergabe, die ihr von ihnen erheben sollt: Gold, Silber, Kupfer, blauer und roter Purpur, Scharlach, feine Leinwand, Ziegenhaar, rotgefärbte Widderfelle, Dachsfelle, Akazienholz, Öl für die Lampen, Spezerei zum Salböl und zu wohlriechendem Räucherwerk, Onyxsteine und eingefasste Steine zum Priesterschurz und zur Brusttasche. Und sie sollen mir ein Heiligtum machen, dass ich unter ihnen wohne. Genau nach dem Bild, das ich dir von der Wohnung und ihrem ganzen Gerät zeige, sollt ihr’s machen…“
Mose erschauderte: War das die Weisung, die er empfangen sollte? Waren das die Worte des Bundes, die er erwartete? Er fühlte die Kühle der hereinbrechenden Nacht um sich und er nahm etwas wahr, das war wie das sanfte Licht einer Öllampe in einem sehr großen, dunklen Raum. Dann sah er mit geschlossenen Augen Dinge, die er nie zuvor gesehen hatte. Es waren nicht das Gold und das Silber und die Edelsteine und wertvollen Zutaten, die ihn beeindruckten oder eher beunruhigten. Er sah die Wohnung Gottes bei den Menschen, das Zelt der Begegnung mit dem Allerheiligsten und der Bundeslade, und den Leuchter und den Altar, aber es schien ihm wie die Wohnung eines Verbannten, wie eine vergoldete Heimstätte draußen vor dem Lager, für den Gott, den man im Innern des Lagers, mitten unter dem Volk, nicht haben wollte. Er sah Priester in kostbaren Gewändern bei heiligem Dienst, aber sein Herz blieb stumm und eine große Traurigkeit fiel über ihn wie eine schwere, dunkle Decke. Und er hörte (2. Mose 28, 1-3): „Du sollst Aaron, deinen Bruder, und seine Söhne zu dir herantreten lassen aus der Mitte der Israeliten, dass er mein Priester sei, er und seine Söhne Nadab, Abihu, Eleasar und Itamar. Und du sollst Aaron, deinem Bruder, heilige Kleider machen, die herrlich und schön seien, und sollst reden mit allen, die sich darauf verstehen, die ich mit dem Geist der Weisheit erfüllt habe, dass sie Aaron Kleider machen zu seiner Weihe, dass er mein Priester sei…”
In Mose brannte eine einzige Frage: Warum? Warum war auf einmal alles ganz anders und warum sollte er ein Heiligtum bauen, wo doch der Heilige selbst bei ihnen sein wollte, und warum sollte er ein besonderes Priesteramt einrichten, wo doch das ganze Volk zu einem königlichen Priestertum berufen war? Als die Stimme JaHWeHs geendet hatte, sah Mose das erste Licht des neuen Tages hinter den schwarzen Zacken der Felsenberge aufsteigen und dann erblickte er vor sich zwei steinerne Tafeln, auf denen Schriftzeichen eingraviert waren: Die Weisungen und Verpflichtungen des Bundes Gottes mit seinem Volk. Da hörte Mose noch einmal die Stimme und erschrak zutiefst über dem, was er hörte (2.Mose 32,7-8): „Geh, steig hinab; denn dein Volk, das du aus Ägyptenland geführt hast, hat schändlich gehandelt. Sie sind schnell von dem Wege gewichen, den ich ihnen geboten habe. Sie haben sich ein gegossenes Kalb gemacht und haben’s angebetet und ihm geopfert und gesagt: Das ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägyptenland geführt hat.”
Das war es also! Deshalb war plötzlich alles so verändert. Das Volk hatte seine einzigartige Berufung verleugnet. Es hatte sich statt der unbegreifbaren Gegenwart JaHWeHs einen anfassbaren Gott aus Gold gemacht, einen Jungstier, Symbol von Kraft und Fruchtbarkeit. Und es hatte einen abgesonderten Priesterdienst eingerichtet, um der Herausforderung und Verantwortung des ihm anvertrauten allgemeinen Priestertums auszuweichen. Es wollte sein wie alle anderen Völker auch!
Mose war erschüttert und ratlos. Wie sollte es nun weitergehen? 2. Mose 32, 9-14: Und der HERR sprach zu Mose: „Ich sehe, dass es einhalsstarriges Volk ist. Und nun lass mich, dass mein Zorn über sie entbrenne und sie vertilge; dafür will ich dich zum großen Volk machen.” Mose aber flehte vor dem HERRN, seinem Gott, und sprach: „Ach HERR, warum will dein Zorn entbrennen über dein Volk, das du mit großer Kraft und starker Hand aus Ägyptenland geführt hast? Warum sollen die Ägypter sagen: Er hat sie zu ihrem Unglück herausgeführt, dass er sie umbrächte im Gebirge und vertilgte sie von dem Erdboden?Kehre dich ab von deinem grimmigen Zorn und lass dich des Unheils gereuen, das du über dein Volk bringen willst. Gedenke an deine Knechte Abraham, Isaak und Israel, denen du bei dir selbst geschworen und verheißen hast: Ich will eure Nachkommen mehren wie die Sterne am Himmel, und dies ganze Land, das ich verheißen habe, will ich euren Nachkommen geben, und sie sollen es besitzen für ewig.” Da gereute den HERRN das Unheil, das er seinem Volk zugedacht hatte.
3 Zeichen des Neuanfangs
Noch während Mose sprach, fiel ihm ein, was in der vergangenen Nacht geschehen war. JaHWeH selbst hatte ihm gezeigt, dass er, Mose, ein Heiligtum für das Volk bauen sollte und ein Priestertum einrichten. JaHWeH selbst hatte schon im Angesicht des Ungehorsams die Mittel und Voraussetzungen vorbereitet, die den Ungehorsam und die Folgen des Abfalls abmildern sollten. JaHWeH hatte nie wirklich daran gedacht, sein erwähltes Volk zu vernichten, aber er hatte darauf gewartet, dass er, Mose, für sein Volk eintreten würde. Und Mose neigte sich vor JaHWeH und bat um Vergebung dafür, dass er das Geschenk der Gnade, das Gott im Augenblick todeswürdiger Schuld gegeben hatte, das Heiligtum und das Priestertum, so gering geachtet hatte. Gewiss, sie waren Folge des Scheiterns und Notbehelf für begrenzte Zeit, aber sie waren auch kostbare Gaben der vergebenden Gnade und unverzichtbare Hilfe für den weiteren Weg.
Und Mose stieg in der beginnenden Dämmerung hinab bis zu der Stelle, wo er Josuah zurückgelassen hatte. Er sah den fragenden Blick Josuas, aber er schwieg. Sie schliefen unter den Büschen bei der Quelle. Als sie am nächsten Morgen erwachten, war der Himmel über dem Berggipfel blau und klar wie immer, aber Mose schien er fremd und leer und weiter entfernt als je. Kein Lüftchen regte sich, kein Vogel flog über die Felsen. Nur das Wasser der Quelle rann aus dem Quellgrund. Schweigend machten sich Mose und Josua an den Abstieg.
Als sie den Abhang erreichten, von dem aus man die Ebene mit dem Lager überblickenkonnte, hörten sie den Lärm des Festes bis zu ihnen heraufschallen. 2.Mose 32,18-19: Als nun Josua das Geschrei des Volks hörte, sprach er zu Mose: Es ist ein Kriegsgeschrei im Lager. Er antwortete: Es ist kein Geschrei wie bei einem Sieg, und es ist kein Geschrei wie bei einer Niederlage, ich höre Geschrei wie beim Tanz. Als Mose aber nahe zum Lager kam und das Kalb und das Tanzen sah, entbrannte sein Zorn, und er warf die Tafeln aus der Hand und zerbrach sie unten am Berge.
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Bodo Fiebig „Scheitern und Neuanfang“, Version 2020-5
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