Das christliche Abendmahl geht auf die jüdische Tradition des Passah-Mahles zurück. Alle drei synoptischen Evangelien betonen den zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit dem Passah-Fest, bzw. dem „Fest der ungesäuerten Brote“.
Mk 14, 12-24 Und am ersten Tage der Ungesäuerten Brote, da man das Passalamm opferte, sprachen seine Jünger zu ihm: Wo willst du, dass wir hingehen und das Passalamm bereiten, damit du es essen kannst? Und er sandte zwei seiner Jünger und sprach zu ihnen: Geht hin in die Stadt, und es wird euch ein Mensch begegnen, der trägt einen Krug mit Wasser; folgt ihm, und wo er hineingeht, da sprecht zu dem Hausherrn: Der Meister lässt dir sagen: Wo ist die Herberge für mich, in der ich das Passalamm essen kann mit meinen Jüngern? Und er wird euch einen großen Saal zeigen, der schön ausgelegt und vorbereitet ist; und dort richtet für uns zu. Und die Jünger gingen hin und kamen in die Stadt und fanden’s, wie er ihnen gesagt hatte, und bereiteten das Passalamm. (…) Und als sie aßen, nahm er das Brot, dankte und brach’s und gab’s ihnen und sprach: Nehmet; das ist mein Leib. Und er nahm den Kelch, dankte und gab ihnen den; und sie tranken alle daraus. Und er sprach zu ihnen: Das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird.
Lk 22, 19-20: Und er nahm das Brot, dankte und brach’s und gab’s ihnen und sprach: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis. Desgleichen auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird!
Mt 26, 26-28: Als sie aber aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach’s und gab’s den Jüngern und sprach: Nehmet, esset; das ist mein Leib. Und er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach: Trinket alle daraus; das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden. (nur Matthäus fügt diese Erklärung an: „Zur Vergebung der Sünden“.)
Dieser Zusammenhang zwischen jüdischem Pessach-Fest und christlichem Abendmahl bedeutet aber auch, dass alle Symbole und Handlungen während dieses „Abendmahls“ aus der Perspektive des Passah-Mahles verstanden werden sollen. Man darf deshalb auch nicht Inhalte in diesen Zusammenhang hineindeuten, die da nicht hingehören: Das Passah-Mahl ist keine Feier der „Schuld-Sühnung“ (das geschieht am Jom Kippur). Hier geht es um Befreiung aus menschlicher Unterdrückung und Sklaverei, (und im übertragenen Sinn auch um die Befreiung aus der Abhängigkeit und Sklaverei unter der Macht von jeder Art eigenen oder fremden Unrechts) nicht um Schuld, Sühne und Versöhnung (das wird im Beitrag 13 „Warum musste Jesus am Kreuz sterben?“ noch eine besondere Bedeutung bekommen). Und Jesus wusste das selbstverständlich auch!
Wenn Matthäus trotzdem den Nachsatz überliefert „… zur Vergebung der Sünden“, dann betont Jesus auch hier den Aspekt der Befreiung: Die „Sünde“ wird hier verstanden als Sklaverei, die Menschen in Abhängigkeit hält wie in einem fremden Land, wo sie nicht „zu Hause“ und „bei sich selbst“ sein können, sondern einer fremden Macht unterworfen, fremdbestimmt und geknechtet. Das kann eigene Schuld sein, aber auch jede andere Form von Abhängigkeit (z. B. Sklaverei unter ungerechten Wirtschaftssystemen, Zwangsprostitution, Drogen, usw., usw…) Davon sollen die Menschen nun frei werden. Es geht auch beim christlichen Abendmahl, wie beim jüdischen Pessach-Fest, nicht um „Sühneleistung“ zur Tilgung von Schuld (siehe den Beitrag „Warum musste Jesus am Kreuz sterben?“). Es geht auch hier um Befreiung.
Das Passah-Mahl ist in der alttestamentlichen Überlieferung Erinnerung und Vergegenwärtigung des Heilshandelns Gottes mit seinem Volk: Gott befreit sein Volk aus der Sklaverei in Ägypten. Das ist die Schlüssel-Erfahrung Israels mit dem „Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs“. Das Passah-Lamm wurde nicht als Sühne-Opfer (in der Nacht vor dem Auszug aus Ägypten) geschlachtet, sondern ausdrücklich zur Stärkung der Gemeinschaft und Stärkung auf dem Weg in die Freiheit. Bei dieser Urerfahrung der Befreiung spielen zeichenhaft bedeutsame und doch zugleich handfest präsente Dinge eine wichtige Rolle. Es sind dies das Fleisch und das Blut eines Lammes und ungesäuertes Brot:
1) Das Fleisch des Lammes, und dessen gemeinsamer Verzehr in einem Mahl der Gemeinschaft und des Aufbruchs, war Zeichen für die Entschlossenheit, sich auf den Weg zu machen, war Festigung des Miteinanders als Volk Gottes und gleichzeitig handfest nahrhafte Stärkung für den Weg. Es wurde vor dem Aufbruch gegessen. 2.Mose 12, 3-6 und 8-11: Sagt der ganzen Gemeinde Israel: Am zehnten Tage dieses Monats nehme jeder Hausvater ein Lamm, je ein Lamm für ein Haus. Wenn aber in einem Hause für ein Lamm zu wenige sind, so nehme er’s mit seinem Nachbarn, der seinem Hause am nächsten wohnt, bis es so viele sind, dass sie das Lamm aufessen können. Ihr sollt aber ein solches Lamm nehmen, an dem kein Fehler ist, ein männliches Tier, ein Jahr alt. Von den Schafen und Ziegen sollt ihr’s nehmen und sollt es verwahren bis zum vierzehnten Tag des Monats. Da soll es die ganze Gemeinde Israel schlachten gegen Abend. (…) und sollen das Fleisch essen in derselben Nacht, am Feuer gebraten, und ungesäuertes Brot dazu, und sollen es mit bitteren Kräutern essen. Ihr sollt es weder roh essen noch mit Wasser gekocht, sondern am Feuer gebraten mit Kopf, Schenkeln und inneren Teilen. Und ihr sollt nichts davon übrig lassen bis zum Morgen; wenn aber etwas übrig bleibt bis zum Morgen, sollt ihr’s mit Feuer verbrennen. So sollt ihr’s aber essen: Um eure Lenden sollt ihr gegürtet sein und eure Schuhe an euren Füßen haben und den Stab in der Hand und sollt es essen als die, die hinweg eilen; es ist des HERRN Passah.
Das Fleisch des Passah-Mahles sollte also eine Stärkung der Gemeinschaftserfahrung sein für das „Haus“ (also für dessen Bewohner, die Familie) und für die Nachbarschaft. Gott wusste, dass die Israeliten immer wieder so eine „Stärkung der Gemeinschaft“ brauchen würden auf dem bevorstehenden Weg durch die Wüste (und sie bis heute brauchen auf dem Weg durch die „Wüsten“ der Zeit), deshalb stiftete er das jährliche Pessach-Fest.
2) Das Blut des Lammes wurde nicht getrunken oder sonst irgendwie eingenommen, es war ausschließlich Zeichen der Verschonung. Und sie sollen von seinem (des Lammes) Blut nehmen und beide Pfosten an der Tür und die obere Schwelle damit bestreichen an den Häusern, in denen sie’s essen, (…) Denn ich will in derselben Nacht durch Ägyptenland gehen und alle Erstgeburt schlagen in Ägyptenland unter Mensch und Vieh und will Strafgericht halten über alle Götter der Ägypter, ich, der HERR. Dann aber soll das Blut euer Zeichen sein an den Häusern, in denen ihr seid: Wo ich das Blut sehe, will ich an euch vorübergehen, und die Plage soll euch nicht widerfahren, die das Verderben bringt, wenn ich Ägyptenland schlage (2.Mose12,7+12-13). Und 2. Mose 12, 23+24: Denn der HERR wird umhergehen und die Ägypter schlagen. Wenn er aber das Blut sehen wird am Türsturz und an den beiden Pfosten, wird er an der Tür vorübergehen und den Verderber nicht in eure Häuser kommen lassen, um euch zu schlagen. Darum so halte diese Ordnung für dich und deine Nachkommen ewiglich.
Niemals wurde im Judentum Blut getrunken, und schon gar nicht als Versöhnung für Sünden! Man kann aber davon ausgehen, dass bei besonderen Anlässen in alten Ägypten das Blut von Opfertieren getrunken wurde. Das Blut an den Pfosten des Hauses war also ein Erkennungszeichen: Hier leben keine Ägypter, die Blut trinken, sondern Hebräer, die entsprechend dem Willen Gottes kein Blut zu sich nehmen (das war den Hebräern schon seit den Zeiten des Noah verboten (1. Mose 9,4: Allein das Fleisch mit seinem Leben, seinem Blut, esst nicht!), und als Zeichen dafür sollten sie das Blut sichtbar an die Türpfosten streichen. Und wo der Todes-Engel (der „Verderber“) dieses Zeichen sah, ging er an diesem Haus vorüber.
(Nur als Nebenbemerkung: Wenn man eine „natürliche“ Erklärung für die Ereignisse haben will, dann könnte man die Passah-Erzählung so verstehen, dass sie den Höhepunkt einer Entwicklung beschreibt, die schon lange in Gang war: Israel war als Sklaven-Volk in Ägypten immer in der Versuchung, ägyptische Riten (z. B. das Trinken von Blut) nachzuahmen. Nun könnte es sein, dass sich damals eine Seuche ausbreitete, die von Tieren auf Menschen übersprang – wie es z. B im 21. Jahrhundert n. Chr. bei der Entstehung der Corona-Pandemie auf dem Tiermarkt in Wuhan geschah). Deshalb wird hier besonders betont, dass das Fleisch des Lammes auf keinen Fall roh gegessen werden darf, auch nicht gekocht, sondern am Feuer gebraten, um alle Krankheitserreger abzutöten (von denen die Hebräer nichts wussten, aber Gott wusste es). Sogar die Reste sollen noch im Feuer verbrannt werden. Der „Verderber“ im biblischen Text könnte also auch ein Bakterien-Stamm oder eine Virus-Variante gewesen sein, denen Gott nicht erlaubte, in die Häuser der Hebräer zu kommen, weil sie das Blut nicht getrunken hatten, sondern an die Pfosten des Hauses gestrichen. Von den Ägyptern, die das Blut unerhitzt getrunken hatten, wurden viele krank und starben).
Bei allen drei synoptischen Evangelien (Mt, Mk und Lk – Jo berichtet nicht vom Abendmahl) ist jeweils vom „Blut des Bundes“, bzw. vom „Bund in meinem Blut“ die Rede. Das greift auf die Ereignisse nach dem „Auszug“ aus Ägypten zurück. Noch auf dem Weg ins verheißene Land, am Berg Sinai, schließt Gott einen Bund mit den Volk der Abrahamsnachkommen, und dort spielt auch das Blut von geopferten Tieren eine Rolle (2. Mose 24, 3-8):
Mose kam und sagte dem Volk alle Worte des HERRN und alle Rechtsordnungen. Da antwortete alles Volk mit einer Stimme: Alle Worte, die der HERR gesagt hat, wollen wir tun. Da schrieb Mose alle Worte des HERRN nieder und machte sich früh am Morgen auf und baute einen Altar unten am Berge und zwölf Steinmale nach den zwölf Stämmen Israels und sandte junge Männer der Israeliten hin, dass sie darauf dem HERRN Brandopfer opferten und Dankopfer von jungen Stieren. Und Mose nahm die Hälfte des Blutes und goss es in die Becken, die andere Hälfte aber sprengte er an den Altar. Und er nahm das Buch des Bundes und las es vor den Ohren des Volks. Und sie sprachen: Alles, was der HERR gesagt hat, wollen wir tun und darauf hören. Da nahm Mose das Blut und besprengte das Volk damit und sprach: Seht, das ist das Blut des Bundes, den der HERR mit euch geschlossen hat aufgrund aller dieser Worte.
Auch hier wurde kein Blut getrunken, sondern das „Blut des Bundes“ wurde eingesetzt als Bestätigung und als Selbstverpflichtung des Volkes, alles zu halten, was im „Buch des Bundes“ steht.
3) Das ungesäuerte Brot war Zeichen der Eile des Aufbruchs und es war gleichzeitig gedacht als Wegzehrung in der Wüste (2. Mose 12,39): Und sie backten aus dem rohen Teig, den sie aus Ägypten mitbrachten, ungesäuerte Brote; denn er war nicht gesäuert, weil sie aus Ägypten weggetrieben wurden und sich nicht länger aufhalten konnten und keine Wegzehrung zubereitet hatten.
Noch heute essen Juden an Pessach ungesäuertes Brot als Zeichen ihrer Bereitschaft, auf das Wort Gottes hin aufzubrechen in das verheißene Land, ohne erst noch abzuwarten, bis „alles geregelt ist“. Jahrtausende später, in der Zeit der Verfolgung in Nazi-Deutschland haben viele Juden zu lange gewartet, weil sie meinten, dass sie noch abwarten müssten, bis „der Brotteig gesäuert“ (also alles wichtige und Notwendige geregelt) wäre, aber dann war es bei vielen zu spät und sie konnten dem Verderben nicht mehr entkommen. Das gilt selbstverständlich auch für Christen: Auch sie sollen in jeder besonderen Situation „die Zeichen der Zeit“ erkennen und entsprechend handeln, ohne allzulange zu zögern.
Dieses Passahmahl soll jedes Jahr gefeiert werden als Erinnerung und Vergegenwärtigung des befreienden und verschonenden Handelns Gottes mit seinem Volk (2. Mose 12,14): Ihr sollt diesen Tag als Gedenktag haben und sollt ihn feiern als ein Fest für den HERRN, ihr und alle eure Nachkommen, als ewige Ordnung.
Jesus und seine Jünger leben in dieser Tradition, nicht nur nach dem äußeren Vollzug, sondern auch nach ihrer inneren Bedeutung. Diese innere Bedeutung (aus der Sicht des zweiten Teils der Bibel, des NT) erschließt sich aber erst in der Zusammenschau von alttestamentlicher Überlieferung und neutestamentlicher Handlung.
Matthäus 26,17-20: Aber am ersten Tage der Ungesäuerten Brote traten die Jünger zu Jesus und fragten: Wo willst du, dass wir dir das Passahlamm zum Essen bereiten? Er sprach: Geht hin in die Stadt zu einem und sprecht zu ihm: Der Meister lässt dir sagen: Meine Zeit ist nahe; ich will bei dir das Passah feiern mit meinen Jüngern. Und die Jünger taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte, und bereiteten das Passah. Und am Abend setzte er sich zu Tisch mit den Zwölfen.
Zur Zeit Jesu wurde das Passahfest noch in der ursprünglichen Form gefeiert, bei der tatsächlich ein Lamm geschlachtet und in der Tischgemeinschaft des Hauses verzehrt wurde. Der Tempel war ja noch da, die Opferriten und rituellen Schlachtungen wurden noch vollzogen. Und da in jedem Haus ein Lamm gegessen werden sollte, musste man sehr viele Lämmer schlachten. Markus erwähnt ausdrücklich die Zeit, wo man die Schlachtung für das Passah-Lamm vornahm (sie musste wohl aus praktischen Erwägungen, wegen der großen Zahl der zu schlachtenden Lämmer, schon am Vortag durchgeführt werden) Mk 14,12: Und am ersten Tage der Ungesäuerten Brote, als man das Passalamm opferte, sprachen seine Jünger zu ihm: Wo willst du, dass wir hingehen und das Passalamm bereiten, damit du es essen kannst?
Obwohl hier ausdrücklich vom „Essen des Passahlammes“ die Rede ist, wird beim Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern in allen drei synoptischen Evangelien nirgendwo das Fleisch des Lammes erwähnt. Es ist immer nur von Brot und Wein die Rede und von Schüsseln, in die man das Brot eintauchte. Es handelte sich also bei dem hier angeführten „ersten Tag der Ungesäuerten Brote“ um den Tag (bzw. den Abend) vor dem eigentlichen Passahfest (erst an diesem zweiten Tag wurde das Lamm verzehrt). Am ersten Abend des sieben Tage dauernden Festes wurde ungesäuertes Brot gegessen zusammen mit Bitterkräutern und Fruchtmus, die an das bittere Los der Sklaverei erinnern sollten und an den Lehm, aus dem die Versklavten Ziegel brennen mussten. Dazu wurde mit Wasser verdünnter Wein getrunken. (Das heutige jüdische Seder-Mahl geht wohl ebenso auf diesen ersten Abend des Festes zurück, wenngleich hier das geschlachtete Lamm noch in dem gerösteten Lammknochen auf dem Seder-Teller zeichenhaft präsent ist.)
Erst am nächsten Abend wird man in Erinnerung an die Befreiung das Lamm essen. Aber da wird Jesus, so wie die geschlachteten Lämmer, nicht mehr am Leben sein. Im Rahmen dieses Mahles „am ersten Tage der Ungesäuerten Brote“ geschieht dann das, was wir als Einsetzung des Abendmahles kennen (Mk 22-24): Und als sie aßen, nahm er das Brot, dankte und brach’s und gab’s ihnen und sprach: Nehmet; das ist mein Leib. Und er nahm den Kelch, dankte und gab ihnen den; und sie tranken alle daraus. Und er sprach zu ihnen: Das ist mein „Blut des Bundes“, das für viele vergossen wird.
Jesus feiert mit seinen Jüngern das Mahl der Erinnerung und Vergegenwärtigung des befreienden und verschonenden Handelns Gottes. So wie die Israeliten sich seit Jahrhunderten an das Handeln Gottes bei der Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten erinnern, so sollen sich die Jesus-Jünger künftig auch an das Handeln Gottes bei der Befreiung aus jeder von Sklaverei und Abhängigkeit erinnern, die jetzt durch ihn geschehen wird und die noch viel umfassender und tiefgehender ist (Lukas 22, 19): … das tut zu meinem Gedächtnis (d.h. zur Erinnerung an mich).
Jesus identifiziert sich dabei mit den Lamm des Passah-Mahles. Das ist mein Leib (aber was er dabei den Jüngern gibt, ist eben nicht Fleisch des Lammes, sondern Brot), und das ist mein Blut (und er gibt ihnen nicht Lammblut zu trinken, sondern Wein). Jesus sagt damit sinngemäß: „Ich gebe meinen Leib (mein Leben), so wie die Passah-Lämmer geschlachtet werden, und zur Erinnerung dessen sollt ihr das Brot essen so wie am „ersten Tag der Ungesäuerten Brote”. „Und mein Blut wird, wie das Blut der Passah-Lämmer, vergossen als Zeichen der Verschonung und Zusage der Befreiung von allen versklavenden Mächten, und zur Vergegenwärtigung dessen sollt ihr Wein trinken. Die blutige Opferung der Lämmer ist nicht mehr notwendig, weil mein Blut vergossen wird.“
Und tatsächlich: wenige Jahre später wurden (nach der Zerstörung des Tempels im Jahre 70 bzw. 135 n. Chr.) die Tieropfer abgeschafft – bis heute! Die Erinnerung an das befreiende und verschonende Handeln Gottes ist (bei Juden und Christen gleichermaßen) nicht mehr an Fleisch und Blut der geopferten Tiere gebunden. So wie das Lamm als Gemeinschaftserfahrung und als Stärkung für den Weg in die Freiheit gemeinsam gegessen wurde, und das Blut des Lammes als Zeichen der Verschonung an die Türpfosten gestrichen wurde, so soll jetzt bei dem von Jesus gestifteten Mahl der Gemeinschaft das Essen des Brotes spirituelle Stärkung sein für den gemeinsamen Weg in die Freiheit von allen versklavenden Mächten ihrer Zeit, und das Trinken des Weines Zeichen der Verschonung.
Es geschieht also bei der Feier des Abendmahls mit Brot und Wein eine tatsächliche und reale Vergegenwärtigung des Heils (also Stärkung der Gemeinschaft und Befreiung von versklavenden Mächten und Abhängigkeiten z. B. auch von Alkohol, Nikotin und Drogen jeder Art), nicht eine Vergegenwärtigung der alttestamentlichen Heilszeichen (Fleisch und Blut). Und es geschieht dies durch die Erinnerung (Gedächtnis) an den, der dieses Heil durch die Hingabe seines Lebens bewirkt hat.
Wenn also Jesus seinen Jüngern Brot gibt und dazu sagt „das ist mein Fleisch“, und Wein gibt und dazu sagt „Das ist mein Blut“, dann gibt er ihnen zu verstehen, dass sie durch das Essen dieses Brotes und durch das Trinken dieses Weines in der Mahlgemeinschaft der Jünger und Jüngerinnen Jesu teilhaben an dem Heil, das sein Leiden und Sterben (auch heute noch) bewirkt und dass sie dabei ihn selbst in ihrer Gemeinschaft körperlich spürbar empfangen und aufnehmen.
Wir können uns den geistlichen Vorgang beim Essen und Trinken des heiligen Mahles leichter bewusst machen, wenn wir sie mit den biologischen Vorgängen bei der ganz normalen Nahrungsaufnahme vergleichen: So wie durch Essen und Trinken Brot und Wein in uns eingehen und durch die Vorgänge der Verdauung Teil unseres biologischen Menschseins werden, so werden auch (beim gläubigen Essen und Trinken von Brot und Wein des heiligen Mahles) Leib und Blut Christi (seine Person und seine Heilswirklichkeit) Teil unseres spirituellen Menschseins, wird Jesus in uns einverleibt und in alle an der Mahlgemeinschaft Beteiligten (und das ist die ganze Jesusjüngerschaft, die dieses Mahl gläubig feiert).
Durch das gemeinsame Essen und Trinken des heiligen Mahles wird die ganze gläubige Gemeinschaft der Essenden und Trinkenden zu dem einen unzertrennlichen alle Getauften umfassenden Christusleib. So, in dieser Weise, ist Christus durch die Gaben des Heiligen Mahles leibhaftig in uns, und wir leibhaftig in ihm. So wie jede einzelne Zelle eines Körpers durch Essen und Trinken mit Nahrung versorgt und am Leben erhalten wird, so wird auch durch das gemeinsame Essen und Trinken des heiligen Mahles jedes Glied der Mahlgemeinschaft und der ganze Christusleib mit Nahrung „vom Himmel herab“ (Joh 6,51) versorgt und am Leben erhalten, einem Leben, das nicht mit dem biologischen Tod endet, sondern „lebt in Ewigkeit“ (Joh 6, 51). Dabei kann ja (biologisch gesehen) die einzelne Zelle eines Körpers nur am Leben bleiben, solange sie in den Gesamtorganismus und seine Lebensvorgänge einbezogen ist. Sobald sie aus dem Körper herausgeschnitten wird, stirbt sie. Umgekehrt kann der ganze Organismus nur leben, wenn auch die einzelnen Zellen am Leben bleiben. Dies gilt beides auch, wenn es sich dabei um die „Körperschaft“ des Christusleibes handelt.
Die einzelne „Zelle“ (die einzelne Person oder Gruppe) kann nicht für sich essen und trinken, sie kann ihre Nahrung nur durch die Lebensvorgänge im Gesamtorganismus erhalten. Nur wenn der einzelne Gläubige im Gesamtorganismus des einen, alle Getauften umfassenden Christusleibes bleibt, und in ihm und durch ihn die Heilsgaben empfängt, kann er auch das Heil empfangen, das mit diesen Gaben verbunden ist. Und nur, wenn im Gesamtorganismus des Gottesvolkes die einzelnen Zellen (Einzelne und Gemeinschaften) durch das Mahl geistliches Leben in sich aufnehmen und im Miteinander lebendig halten, austauschen und weitergeben, kann auch der Gesamtorganismus des Gottesvolkes leben.
Die Feier des Abendmahls, der Eucharistie, ist trotzdem mehr als nur eine „Erinnerung“ an ein vergangenes Ereignis. Das, was damals durch die Hingabe von Leib und Blut Jesu am Kreuz geschehen ist, nämlich die Befreiung von aller Sklaverei und die Verschonung von den Folgen eigenen und fremden Unrechts, das geschieht jetzt real und gültig für uns, während wir gemeinsam das Mahl feiern. Und diese Mahlgemeinschaft wird uns, die wir jetzt miteinander feiern, als Volk Gottes verbinden und wird unser Miteinander und die geschwisterliche Liebe stärken auf dem Wege in die Freiheit im Reich Gottes.
In dieser Gemeinschaft der Befreiten ist auch das ersterwählte Bundesvolk Gottes, das Judentum, mit einbezogen. Die Erfahrung der Befreiung, die durch ein Mahl der Gemeinschaft gefeiert wird, ist Juden und Christen gemeinsam, auch wenn der Vollzug dieses Mahles, trotz der gemeinsamen Wurzel, in verschiedener Weise geschieht. Das Heil, das in Folge dieses Mahles präsent wird, ist nicht nur für die christliche Gemeinde selbst da und auch nicht nur für den Gesamtorganismus des Gottesvolkes aus Juden und Christen, sondern Juden und Christen vollziehen es stellvertretend und das zukünftige Heil vorwegnehmend für die ganze Menschheit und Schöpfung. Und wenn wir manchmal betrübt feststellen, dass die Menschen um uns her in ihrer Mehrheit spirituell Mangel leiden und nach Erfüllung hungern, dann liegt das auch daran, dass in der Gemeinde diese „stellvertretende Nahrungsaufnahme“ entweder nicht ausreichend oder zu egoistisch und nur auf sich selbstbezogen vollzogen wird.
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