Was ist los mit der Kirche? Kirchenaustritte in nie gekannten Zahlen, hohe Kirchenvertreter unter Anklage, Kirchenleitungen, die noch zu retten versuchen, was nicht mehr zu retten scheint…
Christliche Kirchen werden gegenwärtig (jedenfalls in den sogenannten „westlichen Ländern“) in der Öffentlichkeit wahrgenommen (und vorgeführt) als alte und verstockte Institutionen, die an alten und längst überholten Menschenbildern und Gesellschaftsmodellen festhalten, die hohe moralische Ansprüche stellen, selbst aber in einem Sumpf von inneren Streitigkeiten, Intrigen, Machtkämpfen, Machtmissbrauch und sexueller Gewalt zu versinken drohen.
Was ist los mit der Kirche? Diese Frage ist so nicht zu beantworten, denn schon der Begriff „Kirche“ steht für mehrere, ganz verschiedene Realitäten:
Zunächst einmal „wollen wir doch die Kirche im Dorf lassen“ (wie eine beliebte Redewendung sagt). Gemeint ist hier zunächst einmal das Kirchengebäude mit dem weithin sichtbaren Turm in der Mitte eines Ortes, als optisches Wahrzeichen und historisches Kulturdenkmal, an dem sich traditionell auch etwas von der Identität einer städtischen oder dörflichen Lebensgemeinschaft festmacht. Diese „Kirche“ steht zwar im Zentrum eines Ortes, aber sicher nicht im Zentrum des Problems (wenn auch die Erhaltung historisch wertvoller Kirchengebäude durchaus finanzielle Probleme machen kann).
Wenn es um die „Kirche“ als Glaubensgemeinschaft geht, wird die Sache schon komplizierter: Welche „Kirche“ ist denn jeweils gemeint? Katholisch oder evangelisch oder orthodox? Und sind die sogenannten „freien Gemeinschaften“, die nicht an eine der herkömmlichen Kirchenorganisationen gebunden sind (charismatisch, evangelikal, pietistisch, methodistisch usw.) auch „Kirchen“? Und wie ist es mit den sogenannten „Sekten“ oder gar mit Erscheinungen wie die „Scientology-Kirche“? Und was ist mit Synagogen und Moscheen, die sind ja (zumindest optisch und gesellschaftlich) auch in unseren Städten präsent? Schwierig, wirklich schwierig. In Deutschland gibt es extra eine Institution, die AcK („Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen“), die darüber entscheidet, was als „christliche Kirche“ gelten kann und was eben nicht. Und da kann es ja durchaus auch Meinungsverschiedenheiten geben.
Noch schwieriger wird es, wenn wir einen Begriff von „Kirche“ verwenden (und so wird er manchmal auch verwendet), der eigentlich gar nichts konkret Wahrnehmbares meint, sondern so etwas wie eine „Kirchen-Idee“, die man aber nirgendwo auf dieser Erde sichtbar verwirklicht vorfinden könnte. Diese „Kirche“ stellt man sich vor als die (von Christus gewollte, aber von den Menschen leider niemals verwirklichte) Einheit und Gemeinschaft aller getauften Jesus-Anhänger/innen weltweit und man benennt sie mit Bezeichnungen, die manchmal die Verwirrung noch vergrößern, statt sie zu beseitigen: Z. B. „Leib Christi“ (also eine gegenwärtige „Verkörperung“ dessen, was Jesus zu Lebzeiten gelehrt und gelebt hat), ein im Neuen Testament der Bibel verwendeter Begriff oder „die eine katholische und apostolische Kirche Jesu Christi“ („katholisch“ hier im Wortsinn verstanden als „allgemein, weltumspannend“ und „apostolisch“ im Sinne von „auf dem Grund und der Botschaft der Apostel – der 12 berufenen Jünger Jesu – aufbauend“), aber diese beiden Begriffe werden gleichzeitig eben auch für Teilkirchen verwendet, die sich „katholisch“ oder „apostolisch“ nennen. Manchmal nennt man diese „geglaubte“, aber nicht sichtbare „Kirche“ auch „Reich Gottes“ (auch ein neutestamentlicher Begriff) und deren Angehörigen „Volk Gottes“, (und dann kommt man gleich wieder ins Stolpern: Nennt die Bibel nicht Israel „Volk Gottes“?) Manchmal nennt man (z. B. im „apostolischen Glaubensbekenntnis“) diese „Kirche“ auch die „Gemeinschaft der Heiligen“ (aber wer, was, wo und wie sind denn diese „Heiligen??). Schwierig, wirklich schwierig! Aber, so sagt man, Gott selbst habe von Anfang an und bis heute diese eine Kirche vor Augen und erkenne ihre Glieder in allen menschlichen Kirchenorganisationen. Wir sehen: Das mit der „Kirche“ ist gar nicht so einfach.
So weit sind sich die meisten Christen aber einig: „Kirchliches Leben“ gründet sich auf der Botschaft der Bibel in den Schriften des „alten“ (ersten) und des „neuen“ (erweiterten) „Bundes“. Grundlagen des „Christlichen“ sind also (zunächst und vor allem) das Handeln und Reden Gottes und seines Christus, wie es in der Bibel überliefert ist und dann auch Erfahrungen mit dem Reden und Handeln Gottes, die Menschen (Menschen, welche die biblische Botschaft für sich selbst und für ihre Glaubensgemeinschaft tatsächlich und handfest zur Grundlage ihres eigenen Lebens, Redens und Handels gemacht haben) in den vergangenen 2000 Jahren machen konnten.
Die alles entscheidende Frage (wenn es um „Kirche“ geht) ist also:
Was sagt Gott dazu in der Bibel,
und was tut er in diesem Zusammenhang erkennbar in unserer Gegenwart?
Wer schon einmal versucht hat, einerseits biblische Texte in größerem Zusammenhang (und in der Bedeutung für unsere Gegenwart) zu verstehen, und andererseits (und gleichzeitig) die kirchliche Gegenwart in den Blick zu nehmen (und darin das Handeln Gottes zu erkennen), wird mir zustimmen, wenn ich sage, dass beides fast unmögliche Vorhaben sind. Die Zusammensetzung der Bibel ist so weit gespannt und vielschichtig und das Handeln Gottes in der Gegenwart geht so weit über unsere menschliche Erkenntnisfähigkeit hinaus, dass es unmöglich scheint, die oben gestellte Frage zu beantworten.
Was man allenfalls angehen könnte, wäre der Versuch, jeweils eine Spur, eine Leitlinie, einen roten Faden für einzelne Teilaspekte zu finden. Und das will ich hier anhand eines solchen Teilaspekts probieren. Die Frage würde dann so lauten:
Gibt es im Wort Gottes in der Bibel
und im Handeln Gottes in unserer Gegenwart
einen erkennbaren „roten Faden“,
wenn es um „das Leben, Reden und Handeln seiner Leute“ hier auf der Erde geht
und ist dieser „Faden“ auch heute noch zu erkennen?
(Dabei geht es nicht um religiöse Spekulationen und Fantasien, sondern um ganz konkrete und für alle sichtbare Ereignisse und Entwicklungen, die man anhand der biblischen Offenbarungen als Handeln Gottes erkennen könnte.) Hier will ich das anhand der folgenden drei Abschnitte versuchen:
– Heilsgeschichtlicher Rückblick
– Gegenwärtige Vorgänge
– Der gegenwärtige Auftrag für die Zukunft der Kirche
1) Heilsgeschichtlicher Rückblick
(Hier kann ja nur eine Leitlinie dieser Geschichte angedeutet werden, soweit sie für unsere Fragestellung von Bedeutung ist)
Die biblisch offenbarte Heilsgeschichte Gottes mit seinem ersterwählten und berufenen Bundesvolk (Israel) begann mit einer einzigen Person: Abraham (siehe dazu auch das Thema „Abraham“ im Bereich „Wege im Glauben“). Aber schon dieser ersten Person wurde offenbart, wohin diese Heilsgeschichte über Jahrtausende hinweg führen sollte:
1.Mose 12: Ich will dich segnen (…) und du sollst ein Segen sein (…) und in dir sollen gesegnet werden alle „Geschlechter“ (alle Völker, Stämme, Sippen … in allen Generationen) auf Erden.
Auf dieses Ziel hin ist die ganze Heilsgeschichte angelegt. Gott will die ganze Menschheit segnen und er tut es. Aber durch Abraham und seine Nachkommen soll dieser Segen für die Völker auch auf menschlich wahrnehmbare Weise sichtbar und konkret erfahrbar werden, damit diese Völker diese Heilsgeschichte auch erkennen, bejahen und aktiv mitgestalten können. Und das soll geschehen, indem das ersterwählte Volk Gottes (Israel), orientiert an den Geboten Gottes, eine Lebensordnung für die Gemeinschaft von Menschen ausprägt, in der nicht (wie sonst überall in der Natur und auch bei den Menschen) der „Kampf ums Dasein“ und das „Fressen und Gefressen-Werden“ das oberste „Gesetz“ ist, sondern ein „Miteinander und Füreinander des Menschseins“ und ein „Segnen und Gesegnet-Werden“. An diesem Vor-Bild des Gottesvolkes sollten die Völker der Welt lernen, wie man als Gesegnete lebt („als Gesegnete“ meint hier „als von Gott Geliebte, Bewahrte, Gestärkte, Geführte, Berufene …“).
In der Geschichte Israels im AT können wir nachlesen, wie Gott, unbeirrt durch viele Rückschläge, dieses Ziel verfolgt. Und: Dass er die Heilsgeschichte auf eine zukünftige Vollendung hin weiterführten will:
Jes 2, 2-4: Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des HERRN Haus ist, fest stehen, (…) und alle Heiden werden herzulaufen, und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinaufgehen zum Berg des HERRN, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem. Und er wird richten unter den Nationen und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.
Gott will (in der Zielperspektive der Heilsgeschichte) diese Erde als Ort des Friedens einrichten und die Menschheit als Liebes-Gemeinschaft der von Gott Gesegneten. Als aber das Volk Israel trotz der „Weisungen“ (Thora) Gottes nicht fähig war, Lebens- und Gemeinschaftsformen als „Gesegnete Gottes“ auszubilden und dauerhaft durchzuhalten, die zum Vor-Bild für die Völker der Welt hätten werden können, musste Gott sich selbst im „Sohn“ ins Menschsein begeben, um dort wahre „Menschlichkeit“ sichtbar und erfahrbar zu machen. In Jesus, seinem Leben, Reden, und Tun ist die Menschheitsberufung als „Ebenbild Gottes“ (der die Liebe ist*) vollgültig zur Erfüllung gekommen, (Joh 14,9: Wer mich sieht, sieht den Vater) wenn auch vorläufig nur in einem Einzigen.
* Das steht jetzt einfach so da (1. Jo 4, 8); näher begründen kann ich das hier nicht. Siehe dazu die Themen „AHaBaH – das Höchste ist lieben“ und „Zwischen Schöpfung und Vollendung“ und „Die Frage nach dem Sinn“.
Es sollte aber nicht bei diesem Einen bleiben. Wer die Gemeinschaft der Jesus-Jünger und –Jüngerinnen sieht, wie sie leben und zusammenleben und wie sie einander lieben (jedenfalls da, wo sie es tun), der soll eine erste, vorsichtige, und doch auch beglückende Ahnung bekommen: So ist Gott! Und so könnte die Erfüllung der Menschheitsberufung in Gang kommen (1. Mose 1, 27: „…und Gott schuf den Menschen sich zum Ebenbild“). Wahres Menschsein ist Nachahmung der Menschenliebe Gottes. Jesus verkündigte das „Reich Gottes“, das „wie im Himmel, so auf Erden“ Wirklichkeit werden soll und in dem die neutestamentliche Jesus-Jüngerschaft zusammen mit dem alttestamentlichen Gottesvolk der Juden das eine und ganze „Reich-Gottes-Volk“ bilden soll. Und wir nehmen wahr, wie weit wir noch davon entfernt sind.
Und dann bekommt die Jesus-Jüngerschaft die Anweisung, die Abrahams-Verheißung voranzubringen: Mt 28,19-20: Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende (Lutherübersetzung).
So ist es geschehen in den vergangenen 20 Jahrhunderten der Kirchengeschichte, trotz aller Fehlentwicklungen und Brüche, die es da auch gegeben hat (siehe dazu auch das Thema “Weltgeschichte und Heilsgeschichte“). Durch die Ausbreitung des Christentums ist die biblische Offenbarung zu allen Völkern auf allen Kontinenten gelangt. Die zweitausendjährige Geschichte der Christenheit, war eben nicht nur „Unheilsgeschichte“, sondern auch und trotz allem „Heilsgeschichte“. Unsere Welt sähe noch viel düsterer aus, wenn es den Glauben, die Gebete und den persönlichen Einsatz von vielen Millionen Christen in allen Jahrhunderten nicht gegeben hätte.
Es begann die Zeit der weltweiten Aussaat (der „Ausstreuung“) des Evangeliums in den harten, dornigen, felsigen und doch auch fruchtbaren Acker der Menschheit. Und das trotz aller Fehlentwicklungen (vor allem dort, wo sich die Ausbreitung der „guten Botschaft“ mit den Eroberungsplänen von Machthabern verband). Zwar gibt es immer noch Volksstämme auf der Erde, die von der Botschaft des Evangeliums kaum erreicht wurden, und die Mission unter den Völkern muss noch weitergehen, aber die Zeit der Aussaat neigt sich erkennbar dem Ende zu.
Weitgehend unbeachtet von der Christenheit blieb dabei, dass noch ein zweiter „Same“ ausgestreut wurde: Das Volk Israel. Gleichzeitig mit der beginnenden Weltmission zur Zeit der ersten christlichen Apostel begann auch die Zerstreuung des jüdischen Volkes über alle Länder der Erde. Und was uns noch viel weniger bewusst ist: Auch das war Aussaat Gottes. Die Verheißung Gottes an Abraham (…durch dich sollen gesegnet werden alle Völker auf Erden. 1. Mose 12,3) wurde nicht nur durch die christliche Mission verwirklicht, sondern auch durch die Zerstreuung der Juden. Überall da, wo in den vergangenen zwei Jahrtausenden Juden hinkamen und lebten, wurden sie zum Segen für die Völker, die sie aufnahmen (und zum Fluch für diejenigen, die sie vertrieben, misshandelten und ermordeten). Wir können bei Weitem nicht ermessen, welche Ströme des Segens durch die Anwesenheit jüdischer Gemeinden in die sie umgebenden Völker geflossen sind, vor allem durch ihr unablässiges Gebet und ihre alle Anfechtungen überstehende Treue zum Gebot Gottes.
Nach der Zerstreuung ist gemäß den Verheißungen Gottes eine Zeit der Sammlung vorgesehen. In vielen Verheißungen des Alten Testamentes und in mehreren Gleichnissen Jesu wird uns gesagt, dass nach der Zeit der Aussaat eine Zeit des Einbringens der Früchte, eine Zeit der Sammlung und Ernte kommen soll. Hier wird nur je ein Beispiel aus dem „Alten“ und „Neuen“ Testament angeführt. Jes 45, 5+6: So fürchte dich nun nicht (Israel), denn ich bin bei dir. Ich will vom Osten her deine Kinder bringen und dich vom Westen her sammeln, ich will sagen zum Norden: Gib her! und zum Süden: Halte nicht zurück! Bring her meine Söhne von ferne und meine Töchter von den Enden der Erde.
Mt 13,24-26+30: Das Himmelreich gleicht einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte. Als aber die Leute schliefen, kam sein Feind und säte Unkraut zwischen den Weizen und ging davon. Als nun die Saat wuchs und Frucht brachte, da fand sich auch das Unkraut (…) Lasst beides miteinander wachsen bis zur Ernte; und um die Erntezeit will ich zu den Schnittern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut; (…) aber den Weizen sammelt mir in meine Scheunen. Der „Weizen“ ist ein Bild für biblisch gläubige Menschen. Diese sollen nun gesammelt und in die „Scheunen“ Gottes gebracht werden. Gemeint sind dabei beide: Juden und Christen, ersterwähltes und hinzuberufenes Bundes-Volk Gottes.
2) Gegenwärtige Vorgänge
Jetzt ist Sammlungs-Zeit. Das ist keine menschliche Idee, sondern Gott selbst hat es (entsprechend seiner Verheißungen) so werden lassen: Unsere gegenwärtige heilsgeschichtliche Situation kann man bezeichnen als Zeit der Zerstreuung (bzw. der Aussaat), die sich dem Ende zuneigt und sich überschneidet mit der beginnenden und schon begonnenen Zeit der Sammlung (bzw. der Ernte). Diese Sammlung des Gottesvolkes geschieht jetzt in drei verschiedenen, aber sich ergänzenden Bewegungen:
- Die Sammlung des Volkes Israel (nach vielen Jahrhunderten der Zerstreuung) in seinem verheißenen Lande (das kann jeder sehen, ob man diese Vorgänge als Handeln Gottes erkennt, ist eine andere Frage)
- gleichzeitig geschieht eine Sammlung der Christenheit zur Einheit der ganzen Kirche Jesu Christi in allen Konfessionen und zur Gemeinschaft aller Jesus-Gläubigen einschließlich der messianischen Juden. Dabei ist die Sammlung zur Einheit der JesusJüngerschaft aus den Völkern schon ein gutes Stück vorangekommen; dass auch die Jesus-Gläubigen aus dem Judentum dazugehören (freilich nicht als Teil der Völker-Kirche, sondern als Vorläufer und Bindeglied für die Versöhnung des ganzen Gottesvolkes aus Juden und Christen, siehe nächsten Absatz), das ist allerdings vielen noch nicht bewusst.
- Die Sammlung aller biblisch gläubigen Juden und Christen zur Einheit und Ganzheit des Gottesvolkes Alten und Neuen Testaments (genauer gesagt: des „ersterwählten Bundesvolkes“ der Juden und des „hinzuberufenen Bundesvolkes“ der Christen). Da ist noch ein weiter Weg zu gehen, aber erste Schritte sind erkennbar.
Diese „Sammlung zur Einheit“ geschieht, um durch sie das voranzubringen, was Gott von Anfang an gewollt und verheißen hat, nämlich, dass auf diese Weise alle Völker und Generationen der Menschheit gesegnet werden. An diesem Segen teilzuhaben und anderen Anteil zu geben, indem auch die mit einbezogen werden in diese Sammlungs- und Einheits-Bewegung Gottes, das ist gegenwärtig eine Herausforderung an alle, die dem geoffenbarten Heilsplan Gottes folgen wollen.
Diese Segnungs-Bewegung hat aber auch ihre Brüche, Einbrüche und Abbrüche erlebt. Z. B. in den Zeiten, wo Kirchen eher nach Machtentfaltung strebten statt nach Segensentfaltung. Dann hielt Gott auch seinen Segen für die Kirchen zurück (nicht automatisch auch für alle einzelnen Christen und Christen-Gemeinschaften). Sichtbar wurde das z. B. im 7. bis 10. Jahrhundert (und darüber hinaus bis heute), als sich der Islam gerade in den Ländern durchsetzte, in denen sich die urchristlichen Gemeinden zuerst ausgebreitet hatten (im Nahen Osten und in Nordafrika) und das seit 14 Jahrhunderten! Ähnliches erleben wir gegenwärtig in Europa, also in der Weltgegend, in der sich in den vergangenen 2000 Jahren das Christentum am deutlichsten ausgewirkt hat. Auch hier wird das Christsein grundsätzlich in Frage gestellt (jetzt allerdings im Inneren weniger durch Anmaßung und Machtentfaltung, als durch Anpassung und Selbstaufgabe; von außen her zum Teil auch wieder vom Islam, vor allem aber von einem immer aggressiver voranschreitenden Atheismus).
Angesichts dieser Situation sichtet und prüft Gott gegenwärtig sein Volk in verschiedenen Erdteilen auf verschiedene Weise (durch Verfolgung und schwere Bedrängnis, jetzt vor allem in Teilen von Asien, Afrika und Südamerika); in Europa jetzt (noch?) durch inneren Zerfall und äußere Krisen. Wie geschieht diese Sichtung und Prüfung speziell in Europa?
- a) Gott sichtet und prüft sein Volk durch neue, ungewohnte Gefährdungen (eine Pandemie, mit der niemand gerechnet hat, eine Klimakrise, die man nicht in den Griff bekommt, eine Energiekrise, möglicherweise demnächst eine Welt-Wirtschaftskrise … und plötzlich ein Krieg – in Europa!) und wir hatten uns doch so sehr dran gewöhnt, dass alles fast wie von allein geht, und dass alles ganz selbstverständlich immer so weitergeht wie bisher.
Und b) Gott sichtet und prüft sein Volk (das bedeutet ja nicht, dass Gott diese Krisen und Kriege will, sie sind nicht Gott-gewollt, sondern Menschen-gemacht, aber er nutzt diese Krisen um sein Volk zu sichten und zu prüfen) z. B. indem er unsere so sehr gewohnten Grundlagen des Zusammenlebens in Frage stellt durch technische, politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche, soziale … Entwicklungen (darauf kann ich hier nicht im Einzelnen eingehen, siehe die Themen „Gefährliche Entwicklungen“ und „Natürliche und künstliche Intelligenz“), die es so noch nie gegeben hat oder auch durch Diktaturen, durch Welt-Mächte (Russland, China, USA(?) …), die die Welt-Macht gewaltsam an sich reißen wollen.
Und c) Gott sichtet und prüft sein Volk, indem er in den einzelnen „Teilkirchen“ die Macht-Strukturen, die Ämter und Autoritäten und die jeweiligen Amts-Inhaber in Frage stellt (und die Selbstverständlichkeit von Kirchen-Zugehörigkeit und immer sprudelnden Geld-Quellen). Noch nie (außer in den gewaltsamen Revolutionen der Neuzeit) wurden die „Würdenträger“ der Kirchen so offen angegriffen, angezeigt, angeklagt wie gegenwärtig (manchmal zurecht, oft auch willkürlich und pauschal). Die wirklich kriminellen Fälle von Missbrauch und deren Vertuschung (die auch wirklich strafrechtlich verfolgt werden müssen!) dienen oft nur als Vorwand und „Brandbeschleuniger“ im Kampf gegen Kirche und Christentum allgemein.
Und auch jetzt (und gerade jetzt) geht es wieder darum, dass die Angehörigen des „Volkes Gottes“ der Welt vorleben, wie man als Gesegnete Gottes in Gemeinschaft leben kann, so dass von ihnen Segen ausgehen kann für „alle Geschlechter auf Erden“ (wie das konkret für aussehen könnte, das versuche ich im Abschnitt 3 „Der gegenwärtige Auftrag“ anzudeuten).
3) Der gegenwärtige Auftrag für die Zukunft der Kirche
Aus dieser heilsgeschichtlichen Linie (Abschnitt 1 „heilsgeschichtlicher Rückblick“ und Abschnitt 2 „gegenwärtige Vorgänge“) wird erkennbar, welchen Auftrag „die Kirche“ (unter anderem) in der Gegenwart und nahen Zukunft hat: Sammlung zur Einheit und Ganzheit der Jesusjüngerschaft einschließlich der messianischen Juden und die Sammlung zur Einheit und Ganzheit des einen Gottesvolkes aus Juden und Christen. Durch diese doppelte Sammlung zur Einheit sollen „gesegnet werden alle „Geschlechter“ (alle Völker und Generationen) auf Erden. Wobei „wir“ (egal, wer dann jeweils mit „wir“ gemeint ist) ja nicht die Einzigen sind, die diesen Auftrag haben, sondern (Gott sei Dank!) viele andere auch, ja eigentlich alle gläubigen Christen, aber es kommt eben auch auf jeden Einzelnen an und auf jede kleine oder große Gemeinschaft und auf jeden, wenn auch noch so kleinen Beitrag.
Diese von Gott selbst in Gang gesetzte Sammlungs-Bewegung wird allerdings auf der Seite der Christen durch ein schweres (und auch schon viele Jahrhunderte altes) Hindernis gebremst: Ihre Uneinigkeit, Rivalität und Spaltung. Die „Mission“ der christlichen Kirchen Europas hatte ja nicht nur den christlichen Glauben „exportiert“, sondern zugleich auch alle Rivalitäten und Spaltungen der europäischen Christenheit.
In manchen „Missionsländern“ kann es Hunderte von selbständigen „Kirchen“ geben, die alle eifersüchtig auf ihr eigenes Wachstum hin arbeiten. Manche entstanden aus einzelnen „Missionsinitiativen“ aus Europa oder Nordamerika, die mit viel Geld und Begeisterung neue Gemeinden gründeten, dann aber, als es mühsam wurde, sich enttäuscht wieder in ihre Heimat zurückzogen. Sie hinterließen dabei Gemeinden, die weder materiell noch theologisch selbständig werden konnten und dann oft in seltsamste Sektenbewegungen abdrifteten. Solange Eifersucht und Konkurrenzdenken unter den „Kirchen“ nicht überwunden werden, kann es mit der „Sammlung“ der Christen nicht vorangehen.
Ein zweites „Hindernis“ ist die sogenannte „Ämterfrage“. Die einzelnen Christen und Christen-Gemeinschaften würden ja schon miteinander auskommen und auch gern zusammenarbeiten, aber vieles scheitert an dem Absolutheitsanspruch von Ämtern und hierarchischen Ämterstrukturen, der jeweils nur die Vollmacht der eigenen Ämter anerkennt, nicht aber die anderer (oder nur bestimmter) Teilkirchen. Daran scheitert z. B. schon seit Jahrhunderten das gemeinsame Abendmahl von Angehörigen der „alten“ und der „reformatorischen“ Kirchen.
Herausgehobene und über das „Kirchenvolk“ erhabene Ämterhierarchien sind auch ein Nährboden für Missbrauch (vor allem für Machtmissbrauch, aber auch, wie das Kirchenvolk gegenwärtig mit Entsetzen wahrnehmen muss, für sexuellen Missbrauch von Anvertrauten)
So ergibt sich die folgende Aufgabenstellung (jetzt speziell auf die europäischen „Kirchen“ bezogen):
- Glauben, Gebet und tätigen Einsatz für die Einheit aller Christen in alten Kirchen und neue Bewegungen
- Glauben, Gebet und tätigen Einsatz für die Einheit aller Christen mit den messianischen Juden zur Einheit der ganzen Jesus-Jüngerschaft
- Glauben, Gebet und tätigen Einsatz für die Einheit des alttestamentlichen und neutestamentlichen Bundesvolkes für die Einheit und Ganzheit des Gottesvolkes aus Judentum und Völkerkirche.
Dabei müsste aber berücksichtigt werden, welche Veränderungen angesichts der gegenwärtigen „Sichtung und Prüfung“ (siehe oben) dazu notwendig sind:
- a) nach innen:
- Herausbildung eines Dienerorganismus statt Über-und Unterordnungen (ein lebender Organismus braucht keine Hierarchien; das Herz ist nicht „Vorgesetzter“ des Magens, und nicht einmal im Gehirn gibt es „Chef-Neuronen“, die allen anderen Nervenzellen sagen, was sie zu tun haben, sondern alle Neuronen und alle Körperteile arbeiten mit allen anderen zusammen zum Nutzen des Ganzen). Mt 23,8 sagt Jesus: Aber ihr sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn einer ist euer Meister; ihr aber seid alle Brüder (und Schwestern).
- Einsetzen von Dienstberufungen statt Ämter als Machtpositionen: Eph 4, 7+11: Einem jeden aber von uns ist die Gnade gegeben nach dem Maß der Gabe Christi. (…) Und er selbst gab den Heiligen die einen als Apostel, andere als Propheten, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer, damit die Heiligen zugerüstet werden zum Werk des Dienstes. Das bedeutet: Jedem Gemeindeglied sind „Gnadengaben“ (Charismen) gegeben und die sind verschiedenartig, aber gleichwertig, denn sie kommen alle von Gott. Also: Keine Ämter-Ordnung innerhalb einer kirchlichen Hierarchie, sondern Berufungen zum Dienst, zusammen mit allen anderen für das Ganze und für den gemeinsamen Auftrag.
Entscheidend bei der Ausübung von Dienstberufungen wäre ja immer die Haltung der ganzen Gemeinde, für die die jeweils Amtierenden (z. B. bei Gottesdiensten) stellvertretend handeln. Die Gemeinschaft als Ganzes glaubt, lebt und handelt diakonisch, priesterlich, prophetisch, apostolisch… Wäre das nicht der Fall, so wäre unser kirchliches Leben entleert, auch wenn noch Diakone, Priester, Bischöfe, Propheten, Apostel … als „Amtsträger“ vorhanden wären.
Wobei davon auszugehen ist, dass grundsätzlich alle Glieder (und selbstverständlich auch die Frauen) der verschiedenen Kirchen „Begabte“ und „Berufene“ sind, deren Begabungen und Berufungen erkannt, bestätigt und eingesetzt werden sollen … „damit die Heiligen“ der christlichen Gemeinschaften „zugerüstet werden zum Werk des Dienstes“. Dazu bräuchte es keine „Amts-Weihen“ mit exklusiven „Amts-Vollmachten“, sondern Segnungen zum Dienst, die von und in der jeweiligen Gemeinschaft vollzogen würden.
- b) nach außen:
- „Mission“ als Weitergabe der biblischen Offenbarungen und Segnungen, nicht als Export innerkirchlicher Streitigkeiten oder europäischen Kulturgutes.
- Entwicklung eines (nach innen wirksamen und auch nach außen erkennbaren) Zusammenspiels von verschiedenen Begabungen und Berufungen (in Gottesdienst-Feiern, aber auch in allen übrigen Vorgängen und Beziehungen) ohne hierarchische Ämter.
- Lebensformen für die Einheit der ganzen Jesus-Jüngerschaft in ganz konkreten Beziehungen zu messianischen, Jesus-gläubigen Juden erproben und weiterentwickeln, so dass auch Außenstehende daran teilhaben und entsprechende Erfahrungen machen können.
- Lebensformen der Einheit des ganzes Gottesvolkes aus Juden und Christen erproben und weiterentwickeln, so dass auch Außenstehende daran teilhaben und entsprechende Erfahrungen machen können.
- Neue Formen der Verkündigung, der Kommunikation und der Glaubensgemeinschaft (über die Grenzen der traditionellen „Teil-Kirchen“ hinweg) erproben (z.B. verbunden im Internet)
- und ??? (hier bleibt noch ganz viel Raum für eigene Erfahrungen, Ideen, Vorschläge …)
Was ist los mit der Kirche? Das kann man sehr verschieden sehen, je nachdem, worauf man mehr achtet: Darauf, was Menschen tun, oder darauf, was Gott tut. So diffus und widersprüchlich menschlich-kirchliches Reden und Handeln oft erscheint, so eindeutig sind die Verheißungen Gottes und deren Erfüllung in unserer Zeit. Achten wir also darauf, was Gott mit seiner Kirche macht, dann erkennen wir nach und nach immer besser, „was los ist mit der Kirche“ und welche Herausforderungen sich für uns als „Kirche im 21. Jahrhundert“ daraus ergeben.