Wieso ist hier von einem „ersten Teil“ der Schöpfung die Rede, gibt es denn noch einen „zweiten Teil“? Ja, genau so ist es: Gott stellt in einem ersten Schöpfungsakt die Rahmenbedingungen her für das, was nachher geschehen soll (dieser „erste Teil der Schöpfung“, hier dargestellt in den Bildern 3 – 5, entspricht in der Bibel dem Text 1. Mose 1,1 bis 1. Mose 2,3). Gott schafft und gestaltet die Schöpfung als „Bühne“, auf der sich die Schöpfungsabsicht Gottes verwirklichen soll. Diese „Bühne“ beseht aus der „Kulisse“ und den „Darstellern“. Die „Kulisse“ ist das Universum und darin die Erde. Die „Darsteller“ sind das Leben und darin das Menschsein.
Alles zielt darauf hin, dass der Mensch dort seine „Rolle“ findet und spielt: Ebenbild und Geliebter Gottes, der die Liebe Gottes in der Schöpfung darstellt und verwirklicht im Miteinander des Menschseins. Diese Sammlung aller Menschen hin zur Liebesgemeinschaft des Menschseins als Gegenüber der Liebe Gottes, das ist der zweite Teil der Schöpfung, deren Ziel und Vollendung. Das ist aber auch der weitaus schwierigere Teil der Schöpfung. Dagegen ist die Erschaffung des Universums und des Lebens eine Kleinigkeit. Die Sammlung des Menschseins zur Liebesgemeinschaft untereinander und gemeinsam als Gegenüber der Liebe Gottes hat sich in den vergangenen Jahrtausenden als „Mission impossible“ erwiesen; aber Gott wäre nicht Gott, wenn er nicht trotzdem seinen Heilsplan zu seiner gewollten Erfüllung bringen könnte. Dieser zweite Teil der Schöpfung (hier dargestellt in den Bildern 6 – 20) entspricht in der Bibel dem Text 1. Mose 2,4 bis Off 22,21 (also nach den ersten zwei bis drei Seiten der ganze Rest der Bibel). Es geht in der ganzen Bibel um die Berufung des Menschseins als Gegenüber der Liebe Gottes (und auch um alles menschliche Versagen angesichts dieser Berufung).
Nun aber zunächst zum ersten Teil: Erschaffung und Ausgestaltung der „Bühne“ (des Universums, des Lebens und des Menschen).
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Bild 3: Erschaffung des Universums

Der Impuls der Liebe Gottes war es, der die Schöpfung in Gang setzte. So gewaltig war dieser Impuls, dass er zur Initialzündung der Weltentstehung wurde, zum „Anstoß des Seins“*, und die ganze unfassbare Weite und Vielfalt des Kosmos mit der wahrhaft erstaunlichen Feinabstimmung aller seiner Kräfte und Konstanten hervorbrachte.
*Siehe das Thema „Die Frage nach dem Sinn“ im Bereich “Grundfragen des Lebens“, Beitrag 1 „Im Anfang schuf Gott?“
Aber die unendlichen Weiten des Universums, ihre Galaxien und Sternensysteme, ihre Gaswolken und Energieströme, ihre „Roten Riesen“, „weißen Zwerge“ und „schwarzen Löcher“, die können ja nicht lieben, die sind nicht geeignet als Gegenüber der Liebe Gottes.
Das muss man gar nicht negativ werten. Das Universum besteht aus toter Materie und seelenloser Energie. Wie sollten sie so etwas wie Liebe enthalten? Aber inmitten dieser materiellen Schöpfung des Universums wollte Gott sich ein Geschöpf erwecken, das zur Liebe fähig sein kann. Dazu erwählte er sich einen der unbedeutendsten Klumpen toter Materie in einem der Milliarden Sonnensysteme am Rande einer der Milliarden Galaxien, unsere Erde, um dort den ersten Schritt seines Vorhabens zu verwirklichen: die Erschaffung des Lebens.
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Bild 4: Erschaffung des Lebens

„Und die Erde war Chaos und Leere“ (hebr. „tohuwabohu“), so beschreibt die Bibel den Anfangszustand des Schöpfungsteils Erde. Und da drinnen, mitten im Tohuwabohu von Materie und Energie, die sich stets verändern und immer neu in Erscheinung treten, entfaltet der Schöpfer nach und nach die Voraussetzungen und Bestandteile des Lebens: Licht und Luft, Land und Meer, erste Pflanzen und Tiere (siehe das Thema „Schöpfungsglaube und modernes Weltbild“)
Leben ist Materie und Energie in einer ganz besonderen Daseinsform. Es ist nicht eine in beidem schon enthaltene Option, die sich bei entsprechend günstigen Bedingungen von selbst entwickeln könnte, sondern eine Neuschöpfung mitten in dem schon Vorhandenen – in der Materie geschaffen, aber nicht von ihr.
Das Leben, das sich ja aus toter Materie aufbaut, muss in jeder Sekunde seiner Existenz dem Tode abgerungen werden. Nichts ist unwahrscheinlicher als das Leben. Jeder lebende Organismus setzt sich aus Materie zusammen, die außerhalb dieses Organismus tot ist. Das Leben ist ein paradoxer Ausnahmezustand der Materie, der totes Material in einen Stoffwechselkreislauf zwingt und dazu bringt, dass es dort an hochkomplexen Vorgängen teilnimmt, deren Zusammenwirken nur in einem lebenden Organismus funktioniert und die in den Strukturen der Materie selbst nicht angelegt sind (siehe das Thema „Leben und Tod“)
Mit der Zubereitung des Lebens hatte der Schöpfer die notwendigen „Rahmenbedingungen“ geschaffen, dass der entscheidende Schöpfungsschritt gegangen werden konnte: die Erschaffung des Menschen. So wie Gott mitten in der schon vorhandenen materiellen Schöpfung ein völlig neues Dasein anlegte, das Leben, so will er jetzt mitten im vorhandenen Leben ein völlig neues Dasein ermöglichen: das Menschsein.
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Bild 5: Erschaffung des des Menschen

Die Ausbreitung des Lebens über die Erde hatte in langen Zeiträumen eine Biosphäre entstehen lassen, in der die ganze Vielfalt des Lebens, vom Einzeller bis zu den höheren Pflanzen und Tieren, zueinander in Beziehung steht und voneinander abhängig ist. Damit war die Umwelt bereitet für die Erschaffung des Menschen.
1.Mose 26-27:: Und es sprach Gott: Machen wollen wir Menschen in unserem Bild, gemäß unserer Gleichheit. (…) Und Gott schuf den Menschen in seinem Bild, im Bilde Gottes schuf er ihn, männlich und weiblich erschuf er sie.
Hier heißt es nun zum ersten Mal in der biblischen Schöpfungsgeschichte, dass Gott etwas machen „will“. Bis dahin hieß es immer: Gott sprach und es wurde so. Mit der Erschaffung des Menschen war das Schaffen Gottes bei dem Ziel angekommen, das er erreichen wollte. Die ganze Entwicklung des Lebens war so angelegt, dass dieses von Gott gewollte Geschöpf „Mensch“ entstehen konnte. Dabei ist der Mensch zunächst einmal und biologisch gesehen gar nichts Besonderes gegenüber allen anderen Lebewesen: Ein intelligentes Säugetier – weiter nichts. Aber Gott wollte nun aus ihm ein Geschöpf bilden, das inmitten der materiellen Schöpfung und inmitten des Lebens, das sich im „Kampf ums Dasein“ behaupten muss, ein Gegenüber seiner Liebe werden kann. Der Mensch ist im Vergleich zu allem Vorangegangenen eine wirkliche Neuschöpfung Gottes, trotz seiner biologischen Nähe z. B. zu den Säugetieren. Und dieses „ganz Neue“ ist nicht biologischer Art, sondern besteht in einer besonderen, nur die Menschen betreffenden Berufung. Die Schöpfung „Mensch“ soll „Eben-Bild“, das heißt anschaubare Vergegenwärtigung Gottes sein mitten in einer scheinbar gottlosen Welt. Damit beginnt ein völlig neuer Schöpfungsabschnitt: Nicht nur Materie und Leben, sondern Darstellung und Vergegenwärtigung Gottes in der Schöpfung durch die Verwirklichung dessen (im Miteinander der Menschen), was das Gott-Sein Gottes ausmacht: die Liebe. Und damit beginnt der zweite Teil der Schöpfung.
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Bodo Fiebig „Der erste Teil der Schöpfung“ Version 2020-7
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