Im zweiten Beitrag zum Thema „Schöpfungsglaube und modernes Welktbild“ mit dem Titel „Die Berufung des Menschseins“ wird schon deutlich, dass Gott mit der Erschaffung des Menschen nicht einfach dem „Schöpfungszoo“ eine neue Art hinzufügen will, sondern dass er damit einen entscheidenden Schritt geht, um der Bestimmung und Zielausrichtung der Schöpfung näher zu kommen: Das Menschsein soll zum „Ebenbild“ Gottes werden. Hier im vorliegenden Beitrag betrachten wir diejenigen biblischen Aussagen, die näher erläutern wollen, wie das konkret geschehen kann.
Die Darstellungen folgt Vers für Vers dem biblischen Text 1. Mose 2, 18 bis 1. Mose 2, 25. Dieser Text ist hier Kursiv-fett gedruckt. Die dünn gedruckten Textteile innerhalb der Bibeltexte sind Hilfen für den deutschen Satzbau, die im Urtext so nicht enthalten sind. Der Bibeltext ist hier in einer eigenen Übersetzung wiedergegeben, der den hebräischen Urtext in einer möglichst wörtlichen und auch an der hebräischen Sprech- und Schreibweise orientierten Fassung darstellt.
2,18Und es sprach JaHWeH, Gott: Nicht gut ist das Dasein des Adam für sich allein. Machen werde ich ihm eine Hilfe als sein Gegenüber.
Das Allein-Sein ist nicht gut für Adam, persönlich nicht und nicht gut für seine Berufung. Er soll Bild der Liebe Gottes sein (1. Mose 1, 27). Liebe kann sich aber immer nur im Miteinander erweisen und nur, wenn das Miteinander durch die Liebe gestaltet wird, wird im Irdischen das Eben-Bild des Wesens Gottes sichtbar. Adam braucht ein Gegenüber, das ihm zur Erfüllung seiner Berufung hilft.
Die Frau ist also nicht „Gehilfin“ des Mannes im Sinne einer untergeordneten „Hilfsarbeitskraft“, sondern notwendige Ergänzung, ohne die Adam nicht zu seiner Berufung und die Menschheitsgeschichte nicht zu ihrer Erfüllung kommen kann. Wie sollte denn Adam für sich allein zum Bild der Liebe Gottes werden? Liebe ist niemals in der Vereinzelung darstellbar. Nur dadurch, dass Gott ihm ein liebenswertes Gegenüber schafft, kann Adam werden, was er sein soll. Die entstehende Familie Adams mit Eva, ihr Zusammenseinin in liebevoller Zuordnung und Gemeinschaft, soll, im Schutzraum des Gartens Eden, zur sichtbaren Darstellung der Lebensordnung des Himmels hier auf der Erde werden: Das Miteinander und Füreinander der Liebenden als Himmel auf Erden, Bild Gottes im Menschsein. Das ist das Paradies, nicht in erster Linie das Ungefährdet-Sein des Lebens, die Leichtigkeit der Nahrungsbeschaffung oder die vertraute Nacktheit der Liebenden. Das gehört sicher alles auch dazu, aber es ist doch nur liebevolle Zugabe Gottes zum Eigentlichen.
2,19Und gebildet hatte JaHWeH, Gott, aus Materie vom Ackerboden alles Wildgetier des Feldes und alles Flatternde der Himmel, und brachte sie nun zu dem Adam, zu sehen, wie er sie nennen würde. Und wie jeweils nennen würde der Adam ein beseeltes Leben, so sollte sein Name sein. 2,20aUnd es nannte der Adam Namen für alles Vieh und für alle Flatternden der Himmel und für alles Wildgetier des Feldes.
Der Bericht von der Ergänzung Adams durch seine Frau als Gegenüber und Hilfe wird unterbrochen von der Namensgebung der Tiere durch Adam. Dabei wird ein ganz entscheidender „Durchbruch“ in der Entwicklung der Sprache geschildert: Vom Gebrauch von Lautäußerungen als Hinweis, Lockruf, Warnung usw. (wie sie viele Tierarten benutzen) hin zum Benennen der Erscheinungen der Umwelt mit differenzierten Namen. Erst dadurch wird eine geistige Aneignung und Durchdringung der Welt, in der wir leben, möglich. Die Sprache als Träger der Kultur und als Instrument der Wissenschaft war im Entstehen. Und die Historiker wird kaum überraschen, dass dieser Vorgang in Mesopotamien angesiedelt wird. Das Zweistromland gilt als eine „Wiege der menschlichen Kultur“.
Übrigens: Im Vers 19 wird gesagt, dass Gott nicht nur den Menschen sondern auch alle Tiere aus Erde „gebildet” hatte (vgl. die Anmerkungen zu 1. Mose 2,7 im Beitrag „Die Berufung des Menschseins“) . Wir könnten uns nun vorstellen, wie er die Millionen verschiedener Lebensformen, Weichtiere, Insekten, Vögel, Fische, Säugetiere usw. aus Lehm geformt und dann durch anhauchen belebt hätte, und wir merken, wie unsinnig und wirklichkeitsfremd so eine Vorstellung wäre. Nein, alle diese Tiere sind aus „Erdmaterie”, also aus den Atomen und Molekülen der unbelebten Natur vom Schöpfer in langen Zeitabläufen herausgebildet worden.
2,20bAber für Adam (d.h. für sich selbst als Menschen) fand er (Adam) keine Hilfe als Gegenüber.
Am Schluss dieses Einschubs wird trotz der biologischen Ähnlichkeit noch einmal der schöpfungsmäßige Abstand zwischen Mensch und Tier betont: Keines der Tiere (auch kein „Menschenaffe“) kann ein personales Gegenüber für den Menschen sein.
Die Tiere (Vieh, Vögel und Wildgetier werden hier genannt) sind zwar „beseeltes Leben“ aber sie haben nicht den Geisthauch Gottes in sich, der allein befähigen kann, das zu sein und zu werden, was die Berufung des Menschseins ausmacht: anschaubares Bild und handelnde Vergegenwärtigung der Liebe Gottes in der Schöpfung. Deshalb folgt nun der Bericht von der Ergänzung Adams durch eine ihm und seiner Berufung entsprechende Frau.
Gott wollte mit Adam und seiner Frau einen spirituellen Neuanfang des Menschseins beginnen, ohne den Ballast einseitiger und egoistisch motivierter Werte, Ordnungen und Gesetze (die bis dahin gewachsenen Zweige am „Baum der Erkenntnis von Gut und Böse“). Dazu war ein neues Handeln Gottes notwendig, denn die Menschen aus den verschiedenen Sippen und Völkern der damaligen Zeit waren ja spirituell keine „unbeschriebenen Blätter”; wahrscheinlich hatten sie schon Formen von Religion und Kult (siehe das Thema „Weltreligionen und biblischer Glaube”), aber sie waren eben nicht vom Geist Gottes erreicht und durchdrungen.
Der Mensch wurde nach den Aussagen der Bibel von Anfang an gleichzeitig und miteinander geschaffen als Mann und Frau (wörtlich: „männlich und weiblich” 1. Mose 1, 27) Dem würde es allerdings widersprechen, wenn man annehmen müsste, dass die Frau erst später aus einer Rippe des Mannes gemacht wurde. Wir werden sehen, dass sich dieser scheinbare Widerspruch auflöst, wenn wir selbst uns von manchen liebgewonnenen Interpretationen des biblischen Textes lösen.
Bei der nun folgenden Beschreibung von der „Bildung“ der Frau geht es nicht darum, wie Gott dem (angeblich) ersten Menschen, Adam, eine Frau schenkt, damit sich das Menschengeschlecht fortpflanzen kann. Hier wird vielmehr verdeutlicht, wie Gott dem Adam, dem er durch die Einhauchung seines Geistes eine ganz neue Seite des Menschseins eröffnet hat, nun auch eine Frau „bildet“, die seiner Doppelexistenz von „geistlichem“ und „fleischlichem“ Menschsein entspricht (siehe auch den Beitrag „Adam“ im Bereich „mitgehen, A Biblische Wegführungen“).
2,21Und fallen ließ JHWH, Gott, Tiefschlaf auf den Adam. Und er nahm die eine von seinen beiden Seiten (die geistliche) und verschloss darunter sein Fleischliches Menschsein.
In unseren Vorstellungen davon, wie das geschehen ist, haben wir uns allzu sehr festgelegt auf das Bild von einem göttlichen Chirurgen, der den Adam in eine Art Narkose-Schlaf versetzt und ihm die Brust aufschneidet, um ihm eine Rippe zu entnehmen. Aus dieser Rippe hätte er sich dann das Skelett einer Frau zurechtgebogen, das er dann mit allen Organen eines Menschenkörpers umkleidet hätte. Eine ziemlich abenteuerliche Vorstellung, und eine für Eva ziemlich abwertende, wenn für sie eine Rippe genügt, während für ihren Mann alles Übrige bleibt.
Andere Vorstellungen muten geradezu phantastisch „modern“ an: Dem in einen Tiefschlaf (Betäubung, Narkose) versetzten Adam entnimmt Gott eine bestimmte Zelle (das entsprechende hebräische Wort wird meist mit „Rippe“, manchmal mit „Zelle“ übersetzt, z.B. bei H. Bruns und in der „konkordanten Wiedergabe“ – wörtlich bedeutet das im Urtext verwendete Wort „zela“ „Seite“) und er verschließt die „Operationswunde“ wieder, indem er sie mit Fleisch bedeckt. Aus dieser Zelle bildet Gott die Frau, von der Adam sagt: „Bein von meinem Gebein und Fleisch von meinem Fleisch“ also genetisch mit ihm verwandt. Das klingt verblüffend ähnlich dem Vorgang bei der Entstehung des Klon-Schafes „Dolly“, deren Klon-“Mutter“ man eine Zelle entnommen und daraus ein genetisch identisches Schaf entwickelt hatte. War Eva der erste Klon-Mensch? Nein, so frappierend die Parallelen des Vorgehens auf dem ersten Blick sind, so stoßen sie doch schnell an Grenzen: Eva war als Frau eben nicht genetisch identisch mit dem Mann Adam. Wir müssen also genau hinsehen um zu verstehen, worum es in diesem Textabschnitt geht.
2,22Und es bildete JaHWeH, Gott, die Seite, die er von dem Adam genommen, zur Frau und er brachte sie zu dem Adam.
Wieder müssen wir uns von lieb gewordenen Vorstellungen trennen: So wie wir im Abschnitt „Adam, der neue Mensch” die Vorstellung ablegen mussten, dass da Gott eine Lehmfigur durch Anhauchen zum Leben erweckte, so müssen wir uns nun von der Idee trennen, dass Gott die Eva dem Adam sozusagen aus den Leib geschnitten habe.
Adam selbst – so haben wir gesehen – war insofern „Neuschöpfung des Menschseins“, als er durch den Hauch der Liebe Gottes zu einer ganz neuen Menschlichkeit befähigt wurde. Seit dieser Einhauchung des Geistes Gottes ist Adam ein „mehrdimensionales Wesen“. Paulus nennt später die beiden Dimensionen des Menschseins „Geist“ und „Fleisch“, göttliches und materielles Leben in einem Wesen. Hier in unserer Textstelle wird betont, dass das „Fleisch“ des Adam (sein natürlich-kreatürliches Menschsein) „unter“ (so heißt es hier wörtlich) der „geistlichen Seite“ verschlossen wird.
Das Wort „zela“, das meist mit „Rippe“ übersetzt wird, heißt eigentlich „Seite“; es bezeichnet in der Bibel z. B. die (Längs-)Seite der Bundeslade, der Siftshütte, des Altars, also die eine Dimension dieser Gegenstände. Diese ursprüngliche Wortbedeutung kann uns hier weiterhelfen: Eva kann nur dann für Adam zur Hilfe bei der Erfüllung der Menschheitsberufung werden, wenn auch sie Anteil bekommt an der neuen Dimension des Menschseins, wenn auch sie nicht mehr „einseitig“ nur der „fleischlichen“ Dimension angehört. Sie soll nun auch Teilhaberin an der unvergleichlichen, das eigentliche Menschsein erst begründenden Gabe (dem „Charisma“ vgl. 1. Kor 13) Gottes werden, an der (göttlich inspirierten) Liebe, die das Menschenleben zum Bild Gottes macht.
Überraschenderweise haucht nun Gott der Eva nicht direkt seinen Geist ein, sondern greift auf das zurück, was er schon vorher dem Adam mitgeteilt hatte. Daran wird deutlich: Der Atem des Göttlichen im Menschen soll nicht jedem Einzelnen direkt von Gott eingehaucht, sondern von Mensch zu Mensch weitergegeben werden.
So geschieht es ja auch heute noch: Ein Mensch, der vom Geist Gottes ergriffen und erfüllt ist, teilt sich einem andern mit und nun beginnt in diesem ein vom Geist Gottes gelenkter geistlicher „Bildungsprozess“, durch den aus einem ein-seitig „fleischlichen“ Menschen das Vollbild des Menschseins aus „Fleisch-und-Geist“ wird. Das hebräische Wort, das hier mit „bilden“ übersetzt wird, heißt eigentlich „bauen, aufbauen, ausbauen“. Gott selbst baut (durch seinen Geist) die Persönlichkeit eines Menschen aus und auf, wenn er in ihm das spirituelle Menschsein ausformt.
Hier, wo das zum ersten Mal geschehen soll, versetzt Gott den Adam dabei in einen Tiefschlaf. Das betont auf beinahe humorvolle Weise: Adam war nicht aktiv beteiligt. Eva, die genetisch und ethnisch gesehen aus einem der Stämme und Sippen im Land am Euphrat und Tigris stammt, soll den Geist bekommen, den Gott zuerst dem Adam eingehaucht hatte. Die spirituelle Existenz der Frau wird hier zwar von der schon vorhandenen Spiritualität Adams „inspiriert“, sie ist aber nicht von der Großzügigkeit des Mannes abhängig, sondern wird dann von Gott selbst „gebildet“ (aufgebaut, ausgeformt), während Adam schläft.
Gott nimmt die eine Seite Adams, die spirituelle Dimension seines Menschseins, und bildet aus ihr und der schon vorhandenen „fleischlichen Seite“ Evas einen neuen Menschen als geisterfülltes Wesen. Dabei geht dem Adam nichts verloren. Der Geist Gottes wird nicht zerstückelt, wenn er sich neu mitteilt. Beide, Adam und Eva, Mann und Frau können dieses neue Menschsein hundertprozentig haben, wenn sie es hundertprozentig von Gott annehmen. Und jetzt erkennt Adam in Eva das ihm von Gott geschenkte Gegenüber:
2,23Und es sprach der Adam: Diese, diesmal, ist Wesen von meinem Wesen und Fleisch von meinem Fleisch! Diese werde genannt Frau (hebr. Ischa), denn vom Mann (hebr. Isch) ist sie genommen.
Meist wird dieser Freudenruf Adams so übersetzt: „Das ist Bein von meinem Gebein und Fleisch von meinem Fleisch“ und sofort ist das Bild von der herausoperierten „Rippe“ wieder da. Aber das Wort „äzäm“ bedeutet nicht nur „Knochen“ (Gebein), sondern auch „Wesen“, innerstes Selbst (z. B. in 2.Mose 24, 10, wo der Boden zu Füßen Gottes als „so klar wie der Äzäm des Himmels“ beschrieben wird, und das wird man wohl kaum mit „so klar wie der Himmelsknochen“ übersetzen wollen, sondern eher mit „so klar, wie der Himmel seinem Wesen nach ist“). Also wird man den Ausruf Adams etwa so übersetzen müssen: „Das ist ein Wesen, das mir einspricht, sowohl nach der körperlichen als auch der geistlichen Seite”. Adam erkennt in Eva die ihm von Gott gegebene „Hilfe zum Menschsein“, die nun nicht mehr nur dem „Fleisch“ nach, sondern auch nach ihrem innersten Wesen ihm (und seiner Berufung) ganz entspricht. Jetzt erst können beide in ihrem Miteinander zu einem „Ebenbild Gottes“ werden, zu einer leiblich-spirituellen Darstellung seiner Liebe.
Das Miteinander von Menschen, (insbesondere das Miteinander von Mann und Frau in gegenseitiger Zuneigung und Ergänzung) das geprägt ist durch eine Liebe, die nicht zuerst das Eigene sucht, nicht den eigenen Vorteil, nicht die eigene Bestätigung, nicht die eigene Erfüllung, nicht die eigene Aufwertung, nicht die eigene Befriedigung, sondern das, was für den anderen gut und hilfreich und förderlich ist, das ist die ursprüngliche und bleibende Berufung aller Menschen und durch sie soll das Menschsein als Ganzes zur Darstellung, zum „Ebenbild“ der Liebe Gottes werden, einer Liebe, die nicht nur eine Eigenschaft Gottes ist, sondern sein innerstes Wesen, seine „Substanz”, seine Identität.
2,24Deshalb wird verlassen ein Mann seinen Vater und seine Mutter und seiner Frau anhängen und sie werden zu einem Fleisch. 2,25Und sie waren beide nackt, Adam und seine Frau, und nicht schämten sie sich.
Die vom Geist Gottes „gebildete“ neue Menschenwürde und Menschheitsberufung macht die „fleischliche Seite“ des Menschseins nicht ungültig oder minderwertig. Während Nacktheit sonst in der Bibel als Entwürdigung angesehen wird, kann sie hier mit großer Selbstverständlichkeit als die der Zusammengehörigkeit von Mann und Frau angemessene Form des Umgangs genannt werden (vgl. auch die Anmerkungen zu 1.Mose 3, 7). Ein liebevolles Miteinander von Mann und Frau, die so verschieden und doch ganz füreinander da sind, eine den ganzen Menschen umfassende Beziehung, die das „geistliche“ und das „fleischliche“ Menschsein gleichermaßen meint und wertschätzt, das ist das Gleichnis, an dem das Wesen Gottes hier in dieser geschaffenen Welt sichtbar werden soll.
.
Bodo Fiebig, Scheitern und Neuanfang, Version 2017 – 12
© 2012 Herausgegeben im Selbstverlag, alle Rechte sind beim Verfasser.
Vervielfältigung, auch auszugsweise, Übersetzung, Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen und jede Form von kommerzieller Verwertung nur mit schriftlicher Genehmigung des VerfassersLeitloff Strickwaren