Bereich: Grundfragen des Glaubens

Thema: Gott

Beitrag 6: Die Einheit Gottes (Bodo Fiebig18. November 2023)

Bei aller Annäherung zwischen Juden und Christen nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust, gibt es doch eine harte Trennlinie zwischen beiden, die sich im Laufe der ersten vier Jahrhunderte christlicher Zeitrechnung herausgebildet und danach immer mehr verfestigt hat: Die christliche „Trinitätslehre“: Vater, Sohn und Heiliger Geist – eine Gottheit in drei Personen, das klingt für Juden wie die Einsetzung eines 3-Götter-Kollegiums, und das wäre für sie niemals annehmbar. Die Trinitätslehre ist aber gleichzeitig ein zentraler und unaufgebbarer Glaubensinhalt für die Christen geworden (obwohl sie im Neuen Testament nirgendwo ausformuliert ist). Um die Formulierung der trinitarischen Dogmen und Bekenntnisse wurde in den christlichen Kirchen Jahrhunderte lang erbittert gerungen. Wie sollte da eine Verständigung möglich sein? Versuchen wir in vorsichtiger Annäherung an das Problem den biblischen Hintergrund zu beleuchten.

1 Einheit und Vielheit

5.Mose 6,4: Höre Israel, JHWH, unser Gott, JHWH ist einzig (oder: …ist Einer). So lautet die Grundaussage der Bibel vom Eines- und Einzig-Sein Gottes, die in vielen anderen Bibelstellen wiederholt und bestätigt wird (z. B. Jes 44,6): So spricht der Herr, der König Israels und sein Erlöser, der Herr Zebaoth: Ich bin der Erste und ich bin der Letzte, und außer mir ist kein Gott. Oder im NT (Joh 17,3), da sagt Jesus selbst im sogenannten „Hohepriesterlichen Gebet”: Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen. Das Bekenntnis zum Eines-Sein und Einzig-Sein Gottes ist allen biblisch Gläubigen aufgetragen, den Christen ebenso wie den Juden.

Und doch sind in der Bibel Alten- und Neuen Testaments auch unübersehbare Hinweise darauf enthalten, dass der biblische Schöpfer-Gott sich selbst als „Pluralität“ darstellt:* Die hebräische Bibel beginnt mit den Worten „bereschit bara elohim …(Im Anfang schuf Gott…). Das Wort „elohim“ (Gott) ist eine Mehrzahlform. Diese Mehrzahlform (soweit sie auf den biblischen Gott bezogen ist; manchmal sind mit diesem Wort auch die „Götter“ fremder Völker angesprochen) kommt im AT sehr häufig vor, viel häufiger als die entsprechende Einzahlform „eloah“. In vielen Fällen ist diese Mehrzahlform aber dann mit einem Verb in Einzahlform verbunden. Der Anfangssatz der Bibel müsste also ganz wörtlich übersetzt so heißen: „bereschit (im Anfang) bara (es schuf -Einzahl) elohim (Gott in Mehrheit) die Himmel und die Erde”. Das können wir so verstehen, dass „elohim“ hier eine Art „Hoheitsplural“ darstellt, um den zu ehren, der alle und alles umfasst, sich selbst aber doch als Einheit erkennbar macht.

*In diesem Abschnitt „Einheit und Vielheit” greife ich – nicht bei den Formulierungen, aber bei manchen Inhalten – auf Anregungen von Arnold G. Fruchtenbaum „Jesus war ein Jude“, S. 144 ff zurück.)

Es gibt aber auch Stellen, wo die Mehrzahlform für „Gott“ auch mit einem Verb in Mehrzahlform verbunden ist, z. B. Psalm 58, 12 (wörtlich): Gewiss gibt es Gott (Mehrzahl) welche richten (Mehrzahl) auf Erden; (und damit ist an dieser Stelle eindeutig der biblische Gott gemeint, obwohl man das hier kaum als „Hoheitsplural“ deuten kann). Am deutlichsten tritt die „Vielheit“ Gottes bei der Erschaffung des Menschen zu Tage (1. Mose 1,26 wörtlich): Und (es) sprach Gott (elohim, also Mehrzahl): Machen wir Menschen in unserem Ebenbild, nach unserer Gleichheit …

Gott offenbart sich hier selbst als „Schöpfungsmacht in Pluralität“. Wie sollen wir das verstehen? Das ist gar nicht so einfach: Gott ist für menschliches Denken nicht „verstehbar”. Wir können von Gott immer nur sehr menschliche, und das heißt sehr unzulängliche und eigentlich unzutreffende Vorstellungen haben. Trotzdem brauchen wir solche Verstehenshilfen, um überhaupt von Gott denken und reden zu können. Versuchen wir also solches Reden: Gott, das Vor-Bild, für das das Menschsein ein Eben-Bild sein soll, ist kein in sich verschlossenes Einzelnes, sondern ein „In-Beziehung-Sein“. Gott ist einzig, ja, aber er ist nicht einsam. Gott ist Einer, ja, aber er ist Einer-in-Beziehung. Gott ist Einer in Beziehung zu einem Du durch die Liebe, die der „Geist“ Gottes ist. Und diese Liebesbeziehung ist so konstitutiv für das Gott-Sein Gottes, dass dieser Gott sich selbst als Pluralität darstellt. Von dieser Beziehungsexistenz Gottes und des Menschseins soll im Folgenden die Rede sein.

 

3 Vater und Sohn

Im Neuen Testament wird das In-Beziehung-Sein Gottes oft als Vater-Sohn-Beziehung benannt. Das sind (notwendigerweise) menschliche Bilder, sind Versuche, mit menschlichen Worten etwas zu fassen, was für menschliches Denken eigentlich unfassbar ist. Gott muss sich unserem Verstehen in menschlicher Weise nähern, das heißt, er muss auch sein allmächtiges Schöpfer-Wort in menschliche Wörter und Sätze fassen, damit wir überhaupt etwas davon verstehen können. Unsere menschliche Sprech- und Denkweisen (in allen Sprachen aller Völker der Welt) haben nur menschliche Begriffe und Ausdrucksweisen zur Verfügung und die reichen bei Weitem nicht aus, um etwas Göttliches direkt auszusagen. Nur indirekt, in Bildern und Gleichnissen, in Vergleichen mit menschlichen Gegebenheiten und Begriffen, kann etwas von Gott angedeutet und (mit den Mitteln menschlicher Sprache) verständlich gemacht werden. So wird in der Bibel „Gott” (JHWH) mit vielen verschiedenen Namen benannt und mit vielen verschiedenen, manchmal sich scheinbar widersprechenden, in Wirklichkeit aber sich ergänzenden Bildern umschrieben (z. B. als Bräutigam und Ehemann, als Retter und Richter, als Hirte und König, als Friedefürst und Herr der Heerscharen …). Es gibt kein einzelnes Wort oder einzelnes Bild (und kann keines geben), das für sich allein von Gott etwas Gültiges aussagen könnte. Erst die sich ergänzende Vielfalt der verschiedenen Aussagen kann eine vorsichtige Ahnung vermitteln von dem, was und wer und wie Gott (JHWH) ist.

Und eines der von der Bibel verwendeten Wort-Bilder ist die Rede von der Pluralität Gottes im Gleichnis einer „Vater-Sohn-Beziehung“. Selbstverständlich hätte die Bibel die Gott-Mensch-Beziehung auch am Gleichnis-Bild einer „Mutter-Tochter-Beziehung“ (oder allgemein „Eltern-Kind-Beziehung“) darstellen können. (siehe dazu auch Beitrag 4 „Der Männer-Gott“). Aber die menschlichen Schreiber der Bibel konnten die jeweiligen göttlichen Inspirationen nur im Rahmen der ihnen vertrauten kulturellen und sprachlichen Gegebenheiten verstehen und wiedergeben.

Sohnschaft, (oder allgemeiner Gotteskindschaft) ist dem Judentum aus seiner alttestamentlichen Tradition heraus gar kein Problem. Einerseits reden Menschen des Alten Testamentes von Gott als Vater: Du bist doch unser Vater; denn Abraham weiß nichts von uns, und Israel kennt uns nicht (Jes 63,16) oder Mal 2,10: Haben wir nicht alle einen Vater? Hat uns nicht ein Gott geschaffen? Andererseits redet Gott selbst von Menschen als seinen Kindern: Höret, ihr Himmel, und Erde, nimm zu Ohren, denn der Herr redet! Ich habe Kinder großgezogen und hochgebracht, und sie sind von mir abgefallen! (Jes 1,2). Die Bibel Alten und Neuen Testamentes gebraucht an vielen Stellen das Bild von der Eltern-Kind-Beziehung als Gleichnis für eine besonders enge Beziehung zwischen Gott und Mensch. Daran, dass Jesus als „Sohn Gottes“ bezeichnet wird, muss also für einen Juden gar nichts Anstößiges liegen. Auch, dass in der Christenheit für Jesus eine umfassendere und tiefere Sohnes-Beziehung zu Gott geglaubt wird, die weit über die „normale“ Gotteskindschaft aller Gläubigen hinausgeht, muss dem Juden noch kein Ärgernis sein. Auch für eine solche besondere Vater-Sohn-Beziehung gibt es schon im Alten Testament Anklänge: Kundtun will ich den Ratschluss des Herrn. Er hat zu mir gesagt: „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.“ (Psalm 2,7). Man nimmt an, dass diese Formel beim Regierungsantritt der Könige Judas ausgesprochen wurde. Gleichzeitig trägt sie aber noch weiter reichende messianische Züge.

Die Beschreibung der Messiasgestalt durch eine herausgehobene Sohnesbeziehung zum väterlichen Gott steht für sich noch nicht im Widerspruch zu jüdisch alttestamentlichen Vorstellungen. Problematisch und schließlich trennend zwischen Juden und Christen wurde die Rede vom „Einssein Gottes in Mehrheit“ erst da, wo nicht mehr die sich ergänzende Fülle der Gottesbezeichnungen etwas von der Wesensart Gottes offenbaren sollte, sondern die Einengung auf eineinzig richtiges“ Reden von Gott. Die Begriffe „Trinität“ oder „Dreieinigkeit“, die für ein Zentraldogma der Christenheit stehen, erheben eine der vielen (notwendigerweise einseitigen und menschlich unzureichenden) Redeweisen von Gott zur einzigen und alleingültigen Wesensbeschreibung Gottes. Hier liegt das Trennende der trinitarischen Dogmen gegenüber dem Judentum.

Ein weiteres Problem der trinitarischen, bzw. christologischen Dogmen des 4. und 5. Jahrhunderts liegt darin, dass sie aus Abgrenzungsbestrebungen gegenüber dem Judentum und aus innerkirchlichen Streitsituationen hervorgegangen sind. Sie entstanden als Endpunkte von zum Teil hasserfüllten Auseinandersetzungen (z. B. die Auseinandersetzung zwischen Arianern und Athanasianern), nicht als Mittelpunkte von in der Liebe verbundenen Gemeinschaften (wie es eigentlich hätte sein sollen). Dadurch wurde das Reden von der Person Jesu und von seinem Verhältnis zum Vater zur Kampfansage der Christenheit im Verhältnis zum Judentum, ebenso wie zur Waffe in der innerkirchlichen Auseinandersetzung mit andersgläubigen Christen, statt zur Verkündigung der Liebe Gottes im Miteinander des ganzen Gottesvolkes Alten und Neuen Testaments.

Diese Fehlentwicklung ist viele Jahrhunderte alt, aber sie ist nicht unumkehrbar. Das Neue Testament selbst setzt andere Akzente. Es ist möglich, in einer Weise von der „Einheit Gottes in Vielheit“ zu reden, die alt-testamentliches Denken, Reden und Glauben mit einbezieht und die zugleich nur auf Aussagen von Jesus selbst über sein Verhältnis zum Vater gegründet ist (und wer wollte behaupten, er/sie wüsste besser als Jesus selbst, wie sein Verhältnis zum Vater beschaffen ist?). Im Folgenden werden einige wenige der vielen Aussagen Jesu über sein Verhältnis zum Vater zusammenfassend dargestellt.

Am Anfang des sogenannten „Hohepriesterlichen Gebets“ im Johannes-Evangelium gibt es eine Stelle (17. Kapitel Verse 1-3), wo Jesus selbst sein Verhältnis zum Vater ausdrücklich erklärt (und es gibt niemanden, der es besser und authentischer erklären könnte als er): So redete Jesus, und hob seine Augen auf zum Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist da: verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrliche; denn du hast ihm Macht gegeben über alle Menschen, damit er das ewige Leben gebe allen, die du ihm gegeben hast. Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus* erkennen.

* „Jesus Christus“ = Griechisch-lateinisch für das hebräische „Jeschuah ha Maschiach“, Jesus selbst hat mit seinen Jüngern ganz sicher nicht griechisch oder lateinisch gesprochen (und wahrscheinlich auch nicht, oder doch nicht vor allem, aramäisch).

Der, den Jesus hier mit „Vater“ anredet, ist allein wahrer Gott. Und Jesus ist der Messias, den der Vater gesandt hat. Ewiges Leben hat der, der beide erkennt („erkennen“ hier im umfassenden Sinn einer lebendigen Liebesbeziehung gemeint, vgl. 1. Mose 4,1): Den Sendenden (den Vater) und den Gesandten (Jesus, den Sohn und Messias, dem der Vater die Vollmacht verliehen hat, allen Menschen das ewige Leben zu geben). Jesus selbst betont hier einen deutlichen Abstand zwischen dem Sendenden und dem Gesandten, dem Vollmachtgebenden und dem Bevollmächtigten. Der Sendende steht über dem Gesandten, denn er ist „allein wahrer Gott“.

Diesen Abstand betont Jesus auch an vielen anderen Stellen (z. B. Lk 18, 18-19): Und es fragte ihn ein Oberer und sprach: „Guter Meister, was muss ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe“? Jesus aber sprach zu ihm: „Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein. Nicht einmal das Attribut „gut“ will Jesus neben Gott für sich in Anspruch nehmen. Das heißt aber doch erst recht: „Niemand ist Gott, als Gott allein“! Im Johannesevangelium (aber nicht nur dort) gibt es viele Aussagen Jesu über sein Verhältnis zum Vater in ganz praktischen Dingen (hier ist nur jeweils ein Beispiel angeführt):

> Der Sohn redet und handelt nicht von sich aus, sondern nur im Auftrag des Vaters (z. B. Joh 5,19): Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, was er den Vater tun sieht.

> Der Sohn sucht den Willen des Vaters (z. B. Joh 5, 30): … ich suche nicht meinen Willen, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat.

> Jesus handelt, um die Werke Gottes zu offenbaren (z. B. Joh 9, 3): Es hat weder dieser (der blind Geborene, den Jesus heilt) gesündigt, noch seine Eltern, sondern es sollen die Werke Gottes offenbar werden an ihm.

> Der Sohn handelt, um die Verheißungen des Vaters zu erfüllen (z. B. Mt 4,13-16): Und er verließ Nazareth, kam und wohnte in Kapernaum, das am See liegt, im Gebiet von Sebulon und Naftali, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten Jesaja: „Das Land Sebulon und das Land Naftali (… ) das Volk, das im Finstern saß, hat ein großes Licht gesehen; und denen, die saßen am Ort und im Schatten des Todes, ist ein Licht aufgegangen“.

> Der Sohn bleibt dem Vater gehorsam, auch im Augenblick der Versuchung (Mt 4,4 + 4,7 + 4,10): „Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen“ und im Angesicht des Todes (Mt 26, 39): „Mein Vater, ist‘s möglich so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst.“

Alle diese Aussagen reden von der Unterordnung des Sohnes unter den Willen des Vaters.

Aber sagt Jesus nicht auch „Ich und der Vater sind eins“ (Joh 10, 30) und: „Wer mich sieht, sieht den Vater“ (Joh 14,9)? Ja, Jesus betont hier ein inneres Einessein mit dem Vater, das weit über das Verhältnis eines Sendenden und Gesandten hinausgeht. Es geht aber dabei nicht um „Gleichheit“ im Sinne von gleicher göttlicher Würde oder eine „Ungleichheit“ im Sinne einer Über- bzw. Unterordnung (Subordinatianismus). Es geht auch nicht um „Dreieinigkeit“ im Sinne von „einem Wesen in drei Personen“, sondern um ein „Einssein“ im Sinne einer Liebesgemeinschaft. Es geht beim Verhältnis von Vater und Sohn um ein Beziehungsgeschehen, in einer von inniger Liebe bewegten Zusammengehörigkeit. Davon soll im Folgenden die Rede sein.

5 Gott und Mensch

Wir sagen: „Gott wurde Mensch“, und wir haben dann oft so etwas wie einen verkleideten „Übermenschen“ vor Augen, der sich tarnt und so tut, als wäre er ein Mensch wie wir. Etwa wie ein absoluter Monarch, der sich inkognito unters „gemeine Volk“ mischt, um zu sehen, wie es da zugeht (so wird es z. B. bei Flavius Josephus von Herodes d. Großen berichtet). Damit liegen wir aber völlig falsch. Nein, Jesus war kein als Mensch verkleideter Gott und kein als Gott verkleideter Mensch. „Gott ist Liebe“, damit ist alles Wesentliche über Gott ausgesagt. Und in Jesus ist diese Liebe, die das Gott-Sein Gottes ausmacht, im Menschsein vollgültig gegenwärtig. „Wer mich sieht, der sieht den Vater“ (Joh 14,9). Genauer kann man die Berufung des Menschseins (jedes Menschseins! Vgl. 1. Mose 1,27) als „Ebenbild Gottes“ nicht beschreiben.

Im Leben Jesu, in seinem Reden und Handeln, in seiner Liebe zum Vater und in seiner Liebe zu den „Nächsten“, denen er begegnete, ist die Menschheitsberufung, Ebenbild Gottes zu sein, zur vollkommenen Erfüllung gelangt. Jesus ist „wahrer Mensch“, weil er durch die vollkommene Liebe diese Menschheitsberufung verwirklicht, und er ist „wahrhaft göttlich“, weil durch ihn, mitten im Menschsein, ein vollkommenes Bild der Liebe, die das innerste Wesen Gottes ausmacht, vergegenwärtigt wird als sein Ebenbild. (Eingehender wird das im Themenbereich „Jesus“ und dort im Thema „Jesus, die Person“ dargestellt).

Wir sehen: Der biblische Glaube Alten und Neuen Testaments hat nicht ein Drei-Götter-Kollegium vor Augen, keine „Trinität“ aus Vater, Sohn und Heiligem Geist, sondern den einen Gott, der sich aus Liebe „selbst entäußerte“, um den Menschen auf menschliche Art nahe zu sein. Das Wechselspiel der Liebe (durch die „Ruach“, die der Geist Gottes ist) in der Vater-Sohn(Eltern-Kind)-Beziehung JHWHes mit Jesus macht in einzigartiger Weise erkennbar, wie Gott seine Beziehung zu jedem einzelnen Menschen, zu jeder menschlichen Gemeinschaft und zur Menschheit als Ganzes gestalten will:

Gott will, dass das Verhältnis der Menschen untereinander von der gleichen Liebe getragen und geformt ist, wie sein Verhältnis zu den Men­schen. Und das ist geprägt von einer Liebe, die nicht das Eigene sucht, nicht den eigenen Vorteil, nicht die eigene Bestätigung, nicht die eigene Erfüllung, nicht die eigene Aufwertung, nicht die eigene Befriedigung, sondern das, was für den anderen gut und hilfreich und förderlich und frohmachend ist, geprägt von einer Liebe, die bereit ist, sich selbst hinzugeben für den Geliebten. Solche wahre Liebe ist von Gott und ist bei Gott, ja sie ist das Wesen Gottes. Und dafür soll die Gemeinschaft des Menschseins ein Ebenbild sein.

Zusammengefasst: Gott ist Liebe und diese Liebe ist nicht nur eine Zutat oder Eigenschaft Gottes, sondern ist aktive Zuwendung und tätige Hingabe Gottes an die Menschen; sie ist aber auch nicht nur ein Handlungsimpuls Gottes, sondern sein eigentliches „Wesen”, seine „Substanz”, seine „Identität”, sein „Geist”. Diese Liebe Gottes „entäußerte” sich selbst, als sie den Kosmos schuf und darin die Erde und darin das Leben und darin das Menschsein als ihr Gegenüber. Im Spannungszustand unerfüllter Zuneigung und vergeblicher Zuwendung Gottes zu den Menschen lebt die Schöpfung auf ihre Vollendung zu, wo Gottheit und Menschheit, Schöpfer und Schöpfung eins werden in gegenseitiger vollkommener Liebe.

Die „Einheit in Vielheit” Gottes aktualisiert sich immer neu in der Beziehung des Schöpfers zu seinen Geschöpfen, die er (speziell im Menschsein als einzige Geschöpf, das seien Liebe wahrnehmen und erwidern kann) durch die Zuwendung seiner Liebe vom Geschaffenen zum Geliebten erhebt, als Abbild und Gegenüber seiner Liebe und so zum integrierten Element seiner eigenen Gottheit. Das Menschsein als geliebtes Gegenüber des Schöpfers ist im Nah-Raum seiner Liebe schon immer und schon vor Beginn der Schöpfung gegenwärtig, so wie ein Kind in der Liebe der Eltern schon gegenwärtig ist, noch ehe es geboren ist. In der biblischen, vor allem der neutestamentlichen Redeweise wird diese Gott-menschliche Liebesgemeinschaft vor allem als Vater-Sohn-Beziehung veranschaulicht. So ist im „Sohn” (lange bevor er in Jesus von Nazareth „Fleisch” wird), schon das ganze Gottesvolk Alten und Neuen Testaments und (in der Zielperspektive) auch die ganze Menschheit bei Gott „da” und in die Gemeinschaft seiner Liebe einbezogen.

Die Liebe der Menschen zu Gott (als Antwort auf seine Liebe zu uns) erweist sich aber nur dadurch als echt, dass sie auch untereinander in der Gemeinschaft der Menschen, im Miteinander und Füreinander des Menschseins verwirklicht wird. Und das soll schon hier und heute wie in einer Art „Vorschau” im Volk Gottes Alten und Neuen Testaments geschehen. Die „Einheit Gottes“ soll auch in der Einheit des Gottesvolkes aus Juden und Christen ihre erkennbare und mitvollziehbare Ausdrucksform finden.

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