Bereich: Grundfragen des Glaubens

Thema: Gott

Beitrag 4: Der Männer-Gott (Bodo Fiebig19. November 2022)

Wenn wir als Christen den Begriff „Gott“ verwenden, dann haben wir (ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht), bestimmte Bilder vor Augen. Eines der eindrücklichsten und wirkmächtigsten Gottes-Bilder der Christenheit ist das grandiose Deckengemälde des Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle in Rom, aus dem Jahre 1510, mit der „Erschaffung des Adam“ im Zentrum: Gott, ein alter, weißbärtiger, aber sehr rüstiger und potenter Mann, von Engeln umschwärmt und den linken Arm um eine nackte junge Frau gelegt, berührt den jungen Mann Adam mit der Finger-Spitze seiner rechten Hand und erweckt ihn so zum Leben. Tausende weniger berühmte, aber doch in ihrer Aussage ähnliche Bilder wiederholen und bestätigen diese Vorstellung (die ja schon lange vorher gefestigtes „Glaubensgut“ der Christenheit war): Gott, der Schöpfer, ist ein alter, aber ewig vitaler, zeugungs- und schöpfungs-mächtiger Mann.

Das hat (mit Recht) vor allem in der Theologie des 20. Jahrhunderts heftige Abwehr hervorgerufen und (ebenso falsch wie die Vorstellung vom Männer-Gott) zu Versuchen geführt, sich „Gott“ weiblich vorzustellen.

Das Judentum orientiert seine Gottes-Vorstellung näher an den biblischen Vorgaben (2.Mose 20,4-5): Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist: Bete sie nicht an und diene ihnen nicht! Das Judentum verwendet keine (zumindest keine visuellen) Bilder von Gott.

Der Nachsatz zum biblischen Bilder-Verbot „Bete sie nicht an und diene ihnen nicht!“ zeigt, dass es hier nicht um schöne Landschafts-Bilder geht oder um die Fotos vom Kindergeburtstag im vorigen Jahr. Es geht um Götter- oder Götzenbilder zum Zweck der Anbetung (wobei ja auch z. B. Bilder von „angebeteten“ Kindern zum Ausdruck eines „Kinder-Kults“ werden können oder Bilder von mächtigen Menschen zum Ausdruck eines „Führer-Kults“). Unsere (inneren, manchmal auch äußerlich sichtbaren) Bilder von einem „Männer-Gott“ oder einer „Frauen-Göttin“ wären Ausdruck eines „Männer-Kultes“ oder „Frauen-Kultes“, den der Gott der Bibel ausdrücklich ablehnt.

Das „Bild Gottes“ bei den Menschen soll also nicht „Anbetung des Männlichen“ sein und und ebenso nicht „Anbetung des Weiblichen“ (wer wollte behaupten, das es das jetzt im 21. Jahrhundert nicht gäbe!); beides wäre gleichermaßen falsch. Gott (der Gott der Bibel JHWH) ist weder männlich noch weiblich, sondern göttlich und das ist etwas ganz und grundsätzlich anderes. Trotzdem hat „Gott“ (JHWH) sich ein männlich-weibliches „Ebenbild“ geschaffen (1Mose 1, 27): Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.

Aber dieses Gott-Ebenbildliche ist nicht darin begründet, dass das Männliche oder das Weibliche vorherrschend ist, sondern es besteht in der Einheit von Mann und Frau als Liebesgemeinschaft aus zwei sehr verschiedenen Wesen. 1.Joh 4, 7-8: Ihr Lieben, lasst uns einander lieb haben; denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist aus Gott geboren und kennt Gott. Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist Liebe.

Jedes Menschen-gemachte Gottesbild (und sei es aus reinstem, kostbarstem Gold) wäre eine Bestätigung der atheistischen Aussage „Gott ist tot“, kostbar hergerichtet zwar und glänzend aufpoliert, aber eindeutig tot. Gott aber lebt. Und deshalb kann sein „Ebenbild“  niemals aus totem Material bestehen, sondern muss etwas Lebendes sein. Etwas Lebendes, an dem man etwas (trotz aller Unvollkommenheit), etwas vom „Wesen“ Gottes erkennen kann, als sein „Ebenbild“. Und das „Wesen“ Gottes, (also seine „Person“, seine „Substanz“, seine „Identität“, sein „Geist“, sein „Wille“, seine „Leidenschaft“), das ist (siehe oben) seine Liebe. Sie ist das, was das Gott-Sein Gottes ausmacht. Deshalb schafft er sich als sein „Ebenbild“ eine Liebesgemeinschaft, damit es diese Liebe widerspiegeln kann. Weder Mann noch Frau kann für sich Ebenbild Gottes sein, nur die Liebe unter den Menschen kann etwas Göttliches hier im Irdischen abbilden. Und am deutlichsten will Gott das durch die Liebe zwischen Mann und Frau abgebildet sehen. (im Thema 1-9 „Generationen und Geschlechter“ habe ich versucht, das ausführlicher darzustellen).

Im NT wird die Einheit Gottes (ich spreche nicht gern von „Trinität“, dieser Begriff ist der Bibel fremd; siehe auch den Beitrag 6 „Die Einheit Gottes“) als Einheit von „Vater“ und „Sohn“ benannt (Joh 17, 20-23): Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, dass sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, auf dass die Welt glaube, dass du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, auf dass sie eins seien, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir, auf dass sie vollkommen eins seien und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst.

Das ist das „Ebenbild Gottes“ unter den Menschen: Einheit durch Liebe (nicht nur in der Liebesbeziehung zwischen Mann und Frau, sondern grundsätzlich in jeder Beziehung zwischen Menschen (siehe das Thema 2-5 „AHaBaH – das höchste ist lieben“). Wir wissen, wie weit wir davon entfernt sind. Von Natur aus sind wir Menschen Liebe-leer wie alle Natur und alle Lebewesen (die Vogelmutter, die ihr Leben riskiert, um ihre Jungen zu schützen, wenn die Katze sich nähert, handelt ja nicht aus freier Liebe, sondern aus instinkthaftem Zwang). Die einzige Möglichkeit, dass ein Lebewesen (dessen Instinkte in Hunderttausenden von Jahren im „Kampf ums Dasein“ entwickelt wurden!), aus freier Liebe denken, reden und handeln kann, besteht darin, dass Gott selbst ihm etwas von seinem „Geist“ zu-teilt.

Joh 15, 12 sagt Jesus zu seinen „Nachfolgern“: Das ist meine „Weisung“ (meine An-Weisung), dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe (denn so wären sie erkennbares Ebenbild Gottes). Und weil Jesus weiß, dass die Menschen (auch seine Jünger und Jüngerinnen) dazu von sich aus nicht fähig sind, sagt er ihnen zu, dass er ihnen „Geist“ (Ruach) des Vaters senden wird, um sie zur Liebe zu befähigen.

(Joh 15, 26): Wenn aber der Tröster kommen wird, den ich euch senden werde vom Vater, den Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird Zeugnis geben von mir. Dieser „Tröster“ und „Geist der Wahrheit“, dieser „Heilige Geist“ (hebräisch: „Ruach HaKodesch“) ist aber nicht männlich zu verstehen (wie wir es gewöhnt sind). Der Begriff „Ruach HaKodesch“ wird im Hebräischen des AT meist weiblich verwendet (Jesus hat ja Hebräisch/Aramäisch gesprochen, nicht griechisch-lateinisch). Und Jesus, der hebräisch sprechende Jude, war sich selbstverständlich dessen bewusst und gebrauchte bewusst „Ruach HaKodesch“ als weibliche Bezeichnung (deshalb habe ich im Textzitat der deutschen Übersetzung oben (Joh 15,26) die männlichen Bezeichnungen „der“ oder „den“ hier dünn gedruckt). Begriffe wie „Spiritus Sanctus“, „Heiliger Geist“ usw. sind spätere männliche Formen in anderen Sprachen). Aber: Männliche Formen, wie „der Tröster“ oder „der Geist“ widersprechen der biblischen Vorlage.  Die „Ruach HaKodesch“, „Geist der Wahrheit“, die vom Vater ausgeht, die bezeugt diese Einheit von Vater und Sohn.

Der Begriff „Vater“, den Jesus für Gott verwendet, betont nicht das Geschlecht Gottes als Mann, sondern die Beziehung Gottes zu seinen Menschen-Geschöpfen und vergleicht sie mit einer „Eltern-Kind“-Beziehung. Und das Neue Testament betont, dass Jesus, der „Sohn“ nicht durch einen menschlichen Vater gezeugt wurde, sondern durch „Heiligen Geist“, also durch die Ruach HaKodesch, die (siehe weiter oben) weiblich ist. Das allein verbietet schon, sich hier einen sexuellen „Zeugungsakt“ von Mann und Frau vorzustellen.

Soweit entspricht das auch dem Befund im AT: Gott, der nicht männlich und nicht weiblich ist, sondern der eine Liebe vermittelt, die weit über alle Geschlechtlichkeit hinausgeht, der wird durch die Zweiheit von etwas Männlichem (Jesus, der „Sohn“) und etwas Weiblichem (die „Ruach HaKodesch“) in dieser geschaffenen Welt erkennbar und für unsere menschlichen Sinne wahrnehmbar und erfahrbar als „Bild Gottes“. Man könnte das auch so zusammenfassen:

Die Liebe Gottes, die den Himmel erfüllt, wird für uns Menschen hier auf der Erde (...wie im Himmel, so auf Erden) wahrnehmbar durch Jeschuah (Sohn, männlich) und Ruach Hakodesch (Geist, weiblich). Sie (diese Liebe) ist schon vor aller Zeit und vor alle Schöpfung bei Gott. Und diese göttliche Liebe soll nun von den Menschen, in ihrem alltäglichen Miteinander und Füreinander, so „vermenschlicht“ werden (als menschliches Ebenbild des Göttlichen), dass sie in allen unseren zwischenmenschlichen Beziehungen wohltuend anwendbar und beglückend erlebbar wird.

Nein, JHWH, der Gott der Bibel, ist kein „Sonnen-Gott“ und kein „Männer-Gott“ und er ist keine „Trinität“ (siehe den  Beitrag 6 „Die Einheit Gottes“). Aber schon vor diesen Fehldeutungen ist in der Christenheit etwas noch viel schwerwiegenderes geschehen: Ein Riss ging (und geht) durch das Gottesbild der Christenheit (siehe den folgenden Beitrag: „Das zerrissene Gottes-Bild“).

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