Bereich: Grundfragen des Glaubens

Thema: AHaBaH – Das Höchste ist lieben

Beitrag 7: Die Hochzeit (Bodo Fiebig15. Januar 2018)

Im Alten wie im Neuen Testament der Bibel wird die Vollendung der Geschichte Gottes mit den Menschen mit dem Gleichnis von einer orientalischen Hochzeit beschrieben.

Jes 61,10: Ich freue mich im HERRN, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott; denn er hat mir die Kleider des Heils angezogen und mich mit dem Mantel der Gerechtigkeit gekleidet, wie einen Bräutigam mit priesterlichem Kopfschmuck geziert und wie eine Braut, die in ihrem Geschmeide prangt.

Jes 62,5: Denn wie ein junger Mann eine Jungfrau freit, so wird dich dein Erbauer freien, und wie sich ein Bräutigam freut über die Braut, so wird sich dein Gott über dich freuen.

Siehe auch die Gleichnisse Jesu, die eine Hochzeit als Bild für das „Reich Gottes“ verwenden, für die beginnende Heilszeit durch die Gegenwart des Messias als „Bräutigam“  (z. B. Mt 22, 1-14).

Oft haben sich Bibelleser darüber gewundert, dass Jesus als erstes seiner Wunder bei einer Hochzeit Wasser in Wein verwandelt. Schließlich ist es ja nicht immer gut und sinnvoll, wenn noch mehr Alkohol getrunken wird. Aber Jesus hat schon da, ganz am Anfang seines öffentlichen Handelns, das Gleichnis von der Hochzeit als Bild für die Vollendung der Schöpfung im Sinn: Der Wein als Zeichen der Fülle und der Freude darf nicht ausgehen, wenn Jesus kommt und das Reich Gottes verkündigt und zur „Hochzeit“ als der Erfüllung und Vollendung dieses Reiches einlädt (Lk 5,34): Jesus sprach aber zu ihnen: Könnt ihr denn die Hochzeitsgäste fasten lassen, solange der Bräutigam bei ihnen ist? Jesus sieht sich selbst als „Bräutigam“, der (menschlich sichtbar als Vergegenwärtigung des unsichtbaren Gottes) mit seiner „Braut“ (der Gemeinschaft seiner Jünger und Jüngerinnen) auf das Fest ihrer Vereinigung zugeht.

Im Alten Testament, im sogenannten „Hohenlied“, wird mit unverklemmter und unbefangener Erotik die Liebe zwischen Braut und Bräutigam besungen. Ihr Wechselgesang voller Zärtlichkeit und Liebessehnsucht wurde (im Judentum) immer schon auch als Ausdruck und Gleichnis für die Wechselbeziehung der Liebe zwischen Gott und seinem Volk verstanden. Das „Hohelied“ (wörtlich „Lied der Lieder“) ist eine der ältesten und schönsten Sammlungen von Liebesliedern der Weltliteratur. Wahrscheinlich waren die Texte ursprünglich Teile eines Singspiels, das bei einer mehrtägigen Hochzeitsfeier von den Freunden und Freundinnen des Bräutigams und der Braut zur Unterhaltung der Gäste vorgetragen wurde. Aber man hätte diese Liebeslyrik nicht in die Heilige Schrift aufgenommen, wenn sie nicht schon immer auch als Gleichnis für die Liebe zwischen Gott und den Menschen gegolten hätte, für welche die zwischenmenschliche Liebe zum „Ebenbild“ werden soll (vgl. 5. Mose 6,5 – aus dem „Schma Israel“, dem Glaubensbekenntnis des Judentums): Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft (Lutherübersetzung).

Um einen Eindruck von der hier beschriebenen Intensität der gegenseitigen Zuneigung, Wertschätzung und Hingabe zu vermitteln, seien hier das Lied Nr. 4  (das ist das Lied des Bräutigams von der Schönheit und dem Liebreiz seiner Braut) vorgestellt und das Lied Nr. 5 (die Antwort der Braut, die ihre Liebe und ihren Geliebten beschreibt). Einige Vorbemerkungen zum Text (eigene Übersetzung): Im 4. Lied wird die Schönheit der Braut besungen; das meiste ist aus sich selbst verständlich, obwohl die Texte zweieinhalb bis drei Jahrtausende alt sind, einiges muss man erklären. Wir stellen uns vor: Ein Mädchen im Teenager-Alter, also deutlich jünger, als es heute bei der Heirat üblich ist. Da ist vom Halsschmuck die Rede, wie Schilde von Helden.  Wir stellen uns eine Hals-Kette vor, vielleicht aus Münzen von Silber oder Gold mit einer Prägung darauf, die an die runden Schilde von Kriegern erinnert. Das Mädchen hat ein Kleid an, das vorn mit Blumen bestickt ist, mit Lilienblüten, das sind die „Lilienauen“, die der Dichter besingt. Die Berge des Libanon-Gebirges werden angesprochen, wo Löwen und Leoparden hausen, als Gleichnis für die Unzugänglichkeit des Mädchens, die sie nun aufgeben wird. Die Braut wird mehrmals als „Schwester“ angesprochen. Das ist natürlich nicht wörtlich gemeint, sondern ist hier ein Ausdruck von Nähe und Vertrautheit, deshalb wird der Begruff hier mit „Vertraute“ übersetrzt. Alles andere muss man nicht erklären.

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Hoheslied, Kapitel 4, 1 bis 5,1

Schön bist du, meine Freundin, ja, du bist schön!

Deine Augen, taubenblau hinter dem Schleier.

Dein Haar, schwarz, fließend und bewegt

wie eine Ziegenherde, die vom Gileadberge herabströmt.

Deine Zähne, weiß wie frisch geschorene Schafe,

wenn sie von der Schwemme kommen,

alles Zwillinge, keines von ihnen fehlt.

Deine Lippen, ein rosenfarbenes Band, schön geschwungen,

ein entzückender Mund.

Wie der glatte Anschnitt eines Granatapfels

schimmert die Schläfe hinter dem Schleier.

Dein Hals, hochragend wie der Turm Davids,

zur Fernsicht gebaut,

und der Schmuck daran,

wie tausend Schilde von wehrhaften Helden.

Deine Brüste,

ein Zwillingspaar junger Gazellen,

auf Lilienauen weidend.

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Bis der Morgenwind kommt und die Schatten fliehen,

will ich deine Schönheit durchwandern

wie einen Myrthenberg oder Weihrauchhügel.

Vollkommen schön bist du, meine Freundin, vollkommen schön,

kein Liebreiz, der dir fehlt!

Komm mit mir vom Libanon, meine Braut,

mit mir vom Libanon komm!

Steig herab von den unerreichbaren Gipfeln des Amana,

des Senir und Hermon,

von der unzugänglichen Lagerstätte des Löwen,

von den Bergen der Leoparden!

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Du hast mich verzaubert, meine Vertraute, meine Braut,

hast mir das Herz geraubt

mit einem einzigen Blick deiner Augen,

mit einem Funkeln der Kettchen an deinem Hals.

Wie schön ist deine Liebe,

meine Vertraute, meine Braut;

deine Liebe ist süßer als Wein,

der Duft deiner Salben köstlicher als alle Wohlgerüche.

Honigsüße ist auf deinen Lippen,

Honig mit Milch unter deiner Zunge.

Und deine Kleider atmen den Duft der Wälder des Libanon.

Ein verschlossener Garten

ist meine Vertraute, meine Braut,

ein verdeckter Brunnen, ein versiegelter Quell.

Aber für mich ist es ein Paradiesgarten

mit Granatäpfeln und köstlichen Früchten,

mit Zypernblumen und Narden,

Narde und Safran, Kalmus und Zimt

mit allerlei Weihrauchstauden, Myrrhe und Aloe

und edelstem Balsamgewächs!

Der Brunnen im Garten bist du,

eine Quelle sprudelnden Wassers,

wie ein Bach, der vom Libanon kommt.

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Erwache, Nordwind

und komm, Südwind,

durchhaucht meinen Garten

und lasst seine Düfte strömen!

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Die Braut nimmt das Bild vom Liebesgarten auf:

Mein Geliebter komme in seinen Garten,

und esse von seinen köstlichen Früchten.

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Der Bräutigam fährt fort:

Ich komme in meinen Garten,

meine Vertraute, meine Braut.

Ich pflücke die Myrrhe

und ernte den Balsam.

Ich öffne die Wabe

und koste den Honig.

Ich trinke die Milch

und berausche mich am Wein.

Esst auch ihr, Freunde,

trinkt ihr euren Wein,

und berauscht euch an der Liebe!

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In Kapitel 5,8 bis 6,3 spricht die Braut von ihrem Bräutigam.

Das Mädchen, das sich nach ihrem Geliebten sehnt,

wendet sich an ihre Freundinnen:

Ich beschwöre euch, ihr Töchter Jerusalems,

findet ihr meinen Geliebten, so sagt ihm,

dass ich krank bin vor Liebe.

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Die Freundinnen fragen:

Was hat dein Geliebter allen anderen voraus,

dass du uns so beschwörst

du schönste unter den Frauen?

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Das Mädchen antwortet:

Mein Geliebter ist glänzend und rotbraun

auserwählt unter Zehntausenden.

Sein Haupt wie aus reinem Gold,

seine Locken rabenschwarz und gekräuselt.

Seine Augen wie Tauben am Wasser,

gebadet in Milch,

seine Zähne, festsitzend an ihrem Ort.

Sein Bart ist wie ein Beet mit Balsamgewächs,

duftend wie Würzkraut

seine Lippen sind wie der Blütenkelch einer Lilie

gefüllt mit flüssiger Myrrhe.

Seine Hände sind wie aus Gold gemacht

mit Türkisen besetzt.

Sein Leib:

Ein Kunstwerk aus Elfenbein,

bedeckt mit Saphiren.

Seine Beine, wie Marmorsäulen

auf Sockeln von Gold.

Seine Gestalt:

Großartig, wie auf den Bergen des Libanon

die hochragenden Zedern.

Sein Mund ist voll Süßigkeit

und alles an ihm wunderbar.

So ist mein Geliebter.

Mein Freund, so ist er,

ihr Töchter Jerusalems.

.

Die Freundinnen fragen:

Wohin ging er, dein Geliebter

du schönste der Frauen,

wohin wandte er sich, dein Freund,

dass wir ihn suchen mit dir?

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Aber das Mädchen wehrt dieses Angebot ab,

sie will mit ihrem Geliebten allein sein:

Mein Geliebter ging in seinen Garten

zu den Beeten mit Balsamkraut,

da wird er weiden im Garten

und Lilien pflücken.

Ich gehöre meinem Geliebten

und mein Geliebter gehört mir,

der bei den Lilien weidet.

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Im letzten Teil des Liedes (Kapitel 8, 6-7)

fasst sie ihr Empfinden zusammen mit Worten, die nun gar nicht mehr mädchenhaft klingen,

sondern voll hoher Dichtkunst und tiefer Weisheit:

Lege mich wie einen Siegelring an dein Herz,

wie einen Schmuck-Reif an deinen Arm.

Denn stark wie der Tod ist die Liebe

und unüberwindbar wie das Totenreich die Leidenschaft.

Ihr Feuer brennt wie die Flamme Gottes,

große Wasser können sie nicht löschen

noch gewaltige Fluten sie fortschwemmen.

Wenn jemand das ganze Gut seines Hause bieten wollte

für etwas Liebe

nur verachten würde man ihn.

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So, beschreibt die Bibel die „Hoch-Zeit“ Gottes mit den Menschen bei der Vollendung der Schöpfung: So voller Begeisterung füreinander, so voller Freude aneinander und miteinander und so voller Zärtlichkeit und Hingabe. So wird die Erfüllung und Vollendung der Schöpfung sein. Dabei gehört beides zusammen: Du sollst JHWH, deinen Gott liebhaben … und deinen Nächsten wie dich selbst. Und das ist gemeint, wenn die Bibel von der Schöpfung sagt: Siehe, es wird sehr gut.

Eine gegenwärtige Gefahr liegt allerdings darin, dass sich viele Menschen, gerade in den „westlichen“ Ländern, „Liebe“ nur noch als ausschließlich sexuelles Verhältnis vorstellen können, und nicht mehr als eine „Erotik“ der Mitmenschlichkeit, die alle Aspekte des Menschseins und des menschlichen Miteinanders (selbstverständlich auch den sexuellen Aspekt) einschließt.

Ebenso falsch wäre eine Art von Frömmigkeit, die dem „Nächsten“ nur deshalb Gutes tun will, um Gott zu gefallen und weil er es geboten hat, aber nicht, weil man das Menschsein selbst liebt, ganz konkret in denen, die einem nahe sind (oder doch in den meisten von ihnen), mit eben dieser Begeisterung, Freude, Zärtlichkeit und Hingabe.

Die Bibel verwendet das Bild von der Liebe zwischen Braut und Bräutigam für das Geschehen und Erleben bei der Vollendung der Schöpfung, weil sie kein stärkeres Bild kennt für die Tiefe der Freude und für die Weite des Glücks und für die Größe des Schalom, die dann Wirklichkeit werden.

Von dieser Hochzeitsfeier als Bild für die Vollendung der Heilgeschichte Gottes mit den Menschen redet Jesus im mehreren Gleichnissen. Aber diese Gleichnisse haben alle einen sehr bitteren Beigeschmack: Die geladenen Gäste kommen nicht und halten dafür billige Ausreden bereit (Lk 14, 15-24). Die „Ehrenjungfrauen“, die die „Braut“ mit ihren Lampen begleiten und dem Bräutigam zuführen sollen, sind eingeschlafen und haben kein „Öl“ (keine brennende Liebe und keinen leuchtenden Glauben) mehr (Mt 25, 1-13). Andere haben sich eingeschlichen und haben doch kein „hochzeitliches Gewand“ an (keinen Mantel der Liebe zu Gott und den Menschen, der so vieles an Schuld und Ungenügen zudeckt, Mt 22, 11-13). Das ist für Jesus, der diese Hoch-Zeit der Liebe vor Augen hat, eine furchtbare Enttäuschung, weil so viele, die er liebt, so sehr liebt, dass er für sie in den Tod gehen wird, nicht dabei sein werden (siehe das Thema „Schuld und Vergebung“).

Es wird nicht jeder und jede an der Hoch-Zeit der Heilsgeschichte teilhaben können (ich rede hier nicht von ewiger Verdammnis, sondern vom Verpassen eines Festes, vom Verfehlen der Hoch-Zeit Gottes mit den Menschen). Jesus redet in seiner Predigt auch vom „Gericht“ als einer Art „Eignungsprüfung“ für das Reich Gottes. Und die „Eignung“ wird dabei – wohl ausschließlich – daran entschieden, wie weit im Leben der Menschen die Liebe, die Gott meint, durch konkretes Tun im Miteinander und Füreinander des Menschseins verwirklicht wird (Lk 10, 25-37 im Gleichnis vom barmherzigen Samariter und Mt 25, 31-46 im Gleichnis vom Weltgericht). In beiden Gleichnissen geht es ausdrücklich um die Frage „Wie erlangt ein Mensch das ewige Leben?“ (siehe den Beitrag „Verheißung der Liebe“). Es geht um die Frage, wer dabei sein wird, wenn in der Hoch-Zeit der Schöpfung, „der Menschensohn kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm“, wo „alle Völker vor ihm versammelt werden“ – um mit ihm und miteinander Hochzeit zu feiern!

Jesus schildert sein Erscheinen zur Hochzeit als ein Ereignis von universaler und kosmischer Bedeutung (Mt 24, 29-31): Sogleich aber nach der Bedrängnis jener Tage wird die Sonne sich verfinstern und der Mond seinen Schein verlieren, und die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen. Und dann wird erscheinen das Zeichen des Menschensohns am Himmel. Und dann werden wehklagen alle Stämme der Erde (nicht weil er sie nun bestrafen wird, sich rächen wird für alles erlittene Unrecht, sondern weil sie nicht dabei sein können bei der nun folgenden Hoch-Zeit) und werden sehen den Menschensohn kommen auf den Wolken des Himmels mit großer Kraft und Herrlichkeit. Und er wird seine Engel senden mit hellen Posaunen, und sie werden seine Auserwählten sammeln von den vier Winden, von einem Ende des Himmels bis zum andern.

Diese „Auserwählten“ sind alle, die jetzt schon, in dieser Welt und Zeit, in ihrem Leben und ihrem Miteinanderleben den Namen Gottes heiligen und seinen Willen tun (soweit das trotz aller menschlichen Begrenztheit und Schuldhaftigkeit möglich ist), indem sie Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit aller ihrer Kraft und ihre Nächsten wie sich selbst. Ganz gewiss in dieser Welt und Zeit nicht umfassend und vollkommen, aber doch (trotz aller menschlichen Schwächen und Unzulänglichkeiten) lebenskräftig und liebevoll, echt und gültig. Diese „Auserwählten“ werden die Hoch-Zeit der Liebe im Reich der Königsherrschaft Gottes mitfeiern. Aber eben nicht nur als Zukunftsschau, sondern auch jetzt schon in unserer Zeit als Vor-Verwirklichung mitten in einer vielfach noch menschenfeindlichen, weil gottfeindlichen Welt.

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Bodo Fiebig Die HochzeitVersion 2018-1

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