Bereich: Grundfragen des Lebens

Thema: Zeit und Ewigkeit

Beitrag 5: Ewiges Leben (Bodo Fiebig29. Mai 2017)

Die Sehnsucht nach dem „ewigen Leben“ ist so alt, wie die Fähigkeit der Menschen, in Zeit-Folgen zu denken: Was war, was ist und was kommt auf uns zu? Diese Fähigkeit ist ja Voraussetzung dafür, dass jemand so etwas wie „Ewigkeit“ überhaupt denken kann. Und: Diese Sehnsucht ist so alt wie die bewusst erlebte Erfahrung der Menschen mit Sterben und Tod. Da hat jemand gelebt und jetzt ist er oder sie tot. Da beginnt offensichtlich nach der Endlichkeit des Lebens die Unendlichkeit des „Nicht-mehr-Lebens“. Womit ist die gefüllt? Oder ist sie einfach nur Leere und Nicht-Existenz?

Hier in den Beiträgen zum Thema „Zeit und Ewigkeit“ geht es nicht um die theologische Antwort auf die Fragen um „Leben und Tod“ (siehe das gleichnamige Thema), sondern um die Fragen „was ist Ewigkeit?“ und „wie wird Ewigkeit erfahrbar“?

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1 Weg und Ziel

Als Erstes müssen wir wahrnehmen, dass der Begriff „Ewigkeit“ keine Zukunftsschau ist, sondern eine Zielperspektive und das ist etwas ganz anderes. Die Zielperspektive der Ewigkeit löst unseren Blick aus der Verengung der gegenwärtigen Verhältnisse, aber sie lenkt unsere Blicke nicht auf Fernes, Unbestimmtes, Unerreichbares, sondern sie gibt unserer Gegenwart eine Richtung vor. Damit aber haben wir heute Schwierigkeiten. Ein Ziel, das hier und jetzt unsere Schritte in eine bestimmte Richtung lenken und unseren Weg bestimmen soll, ist vielen zuwider. Wir wollen gern selbst bestimmen, wo‘s langgeht. Eine Perspektive, die uns hindern könnte, jederzeit nach Lust und Laune die Richtung zu wechseln, empfinden wir als einengend. „Der Weg ist das Ziel“ sagen wir dann abwehrend.

„Der Weg ist das Ziel”. Dieser Satz ist seit langem für viele, die als achtsam und verantwortungsvoll gelten wollen, zum Standardspruch geworden. Er klingt so tiefsinnig und abgeklärt, nachdenklich und fast fast ein wenig weise. Er will uns darauf hinweisen, dass man doch achtsam mit dem Gegenwärtigen und Konkreten umgehen soll und es nicht zugunsten von etwas Fernem, Jenseitigem, Zukünftigen vernachlässigen darf.

Wie wahr! Aber sehen wir uns trotzdem diesen Satz noch etwas genauer an: Ist er denn sachlich richtig? Kann denn ein Weg ein Ziel sein? Natürlich nicht. Ein Weg ist eine Strecke und ein Ziel ist ein Punkt, und zwar der Punkt, der diese Strecke beendet. Freilich: Unser Lebens-Lauf soll ja keine Sprint-Strecke sein, wo man, wie beim 100-Meter-Lauf, in 10 Sekunden das Ziel erreicht haben soll. Da hat man unterwegs freilich keine Zeit für eine nette Plauderei. Unser Leben ist auch kein Marathonlauf, wo man das Äußerste aus seinem Körper herausholt, um die 42 km durchzuhalten und wo man weder Zeit noch Kraft hat, auf Besonderheiten und Schönheiten der Umgebung zu achten.

Gewiss: Unser Leben ist kein Wettlauf und deshalb können (und sollen) wir uns auf den verschiedenen Stationen unseres Lebens-Weges auch Zeit lassen für Wahrnehmungen und Begegnungen, für Zuwendung und Gemeinschaft … Der Hinweis, achtsam mit dem Gegenwärtigen und Konkreten umzugehen und es nicht zugunsten von etwas Fernem, Jenseitigem, Zukünftigen zu vernachlässigen, ist ja richtig! Aber es steht da noch etwas anderes dahinter. Es steht dahinter die unausgesprochene Frage, ob wir nicht zugunsten der Besonderheiten des Weges dieses dauernde Streben nach dem Erreichen eines Zieles endlich ganz aufgeben sollten.

Wir müssen genau hinschauen: Der Satz „Der Weg ist das Ziel” ist in Wahrheit nicht so harmlos gemeint, wie wir ihn oft empfinden: Es geht ja dabei nicht um einen Sonntagnachmittagsspaziergang, sondern um unseren Lebens-Weg. Und da hat dieser Satz eine bewusst anti-christliche und allgemein anti-religiöse Ausrichtung. Seine (oft versteckte) Botschaft heißt:

Es gibt gar kein Ziel am Ende unseres Weges. Das Leben hier und heute ist alles, das wir haben. Es gibt keine Wirklichkeit jenseits unserer irdisch-materiellen Realität. Es gibt keinen Gott, der uns eine Perspektive eröffnen könnte, die über unsere biologische Lebens-Zeit hinausreicht.

Unser so lebensfreundlich klingender Satz (Der Weg ist das Ziel) ist, genauer betrachtet, ein atheistisches Bekenntnis. Und das ist, aus der atheistischen Perspektive gesehen, völlig logisch und folgerichtig: Wenn diese Welt etwas zufällig Gewordenes ist (und das ist ja ein Grundansatz des Atheismus), dann kann es in dieser Welt keinen Sinn und kein Ziel geben. Wo sollten die denn herkommen, wenn alles nur Zufall ist? Dann zählt immer nur das Hier und Jetzt. Das Leben ist dann grundsätzlich immer nur ein Unterwegs-sein, niemals ein Ankommen: Der Weg ist das Ziel.

Demgegenüber müssen wir vom biblischen Verständnis her ein zweifaches betonen: Wer dieses Leben hier auf dieser Erde und jetzt in unserer Gegenwart gering achtet um des Kommenden, Jenseitigen willen, der lebt falsch, aber genau so falsch lebt derjenige, der um des Gegenwärtigen willen das Kommende und Vollendete (also das Ziel des Lebens) leugnet. Weg und Ziel unseres Lebens gehören immer zusammen.

Unser so klug klingender Satz „Der Weg ist das Ziel“ ist in Wirklichkeit das Symptom einer Sinn-Krise in einer Gesellschaft, die ihre Zukunftshoffnungen schon aufgegeben hat. „Was soll‘s? Es gibt keinen Sinn im Leben und kein Ziel, der Weg ist alles, was wir haben“.

Jesus aber sagt (Jo14,6): Ich bin der Weg. Nicht irgendein Weg als Selbstzweck. Sondern der Weg, der ein Ziel hat: Niemand kommt zum Vater, es sei denn durch mich. Ankommen. Ankommen beim Vater, das ist das Ziel unseres Lebens, das ist die Zielperspektive der Ewigkeit, darum geht es. Wenn unser Leben nur ein Unterwegs-Sein wäre, ohne Sinn und ohne Ziel, dann würde dieser Satz stimmen: Der Weg ist das Ziel. Wenn aber unser Leben einen Sinn und ein Ziel hat, weil es in der Nachfolge Jesu hinstrebt zur Ewigkeit in der Gegenwart Gottes, dann stimmt das andere: Jesus ist der Weg, mit ihm kommen wir zum Ziel.

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2 Endlos leben?

Viele kennen die Geschichte vom „Münchner im Himmel“, der nach seinem Tod in den Himmel kommt und dort auf einer Wolke sitzen und „Halleluja“ singen soll. Und das jeden Tag, eine ganze Ewigkeit lang! Eine grässliche Vorstellung. Da ist sogar die Vorstellung der Atheisten noch sympathischer: „Mit dem Tod ist alles aus. Da kommt nichts mehr. Die Ewigkeit ist nur eine Erfindung und Vertröstung für solche, die der Realität des Todes nicht ins Angesicht schauen wollen“. Und wenn schon die Ewigkeit im Himmel so öde ist, dann wollen wir uns wenigstens ein bisschen Ewigkeit hier auf der Erde schaffen. 2013 gründete Google in Kalifornien das Sub-Unternehmen Calico, ausdrücklich zu dem Zweck, „den Tod zu beseitigen“. Milliarden wurden investiert, um die besten Köpfe und die neuesten Technologien dafür bereitzustellen. Die Verantwortlichen sind überzeugt, dass man es in ein paar Jahrzehnten geschafft haben wird, dass Menschen vielleicht 500 Jahre alt oder noch älter werden können. Das ist doch besser, als 500 Jahre auf einer Wolke sitzen und „Halleluja“ singen …

Freilich hat die Vorstellung vom Münchner im Himmel, der eine endlose Ewigkeit lang auf der Wolke sitzen und Halleluja singen soll, nichts, aber auch gar nichts zu tun mit der biblischen Verheißung vom „ewigen Leben“.

Wenn wir den Begriff „ewiges Leben” verwenden, müssen wir zunächst ein paar Dinge klarstellen: Ewiges Leben im Sinne der Bibel bedeutet nicht ein endlos langes Leben, sondern ein Leben ohne Vergänglichkeit. Das ist nicht das Gleiche. Nicht eine unbegrenzte Anzahl von Jahren macht die Ewigkeit aus, sondern eine Gegenwärtigkeit, in der nicht alles Schöne und Gute wieder vergeht, in der nicht alles Erreichte und Gewonnene sofort wie Wasser zwischen den Fingern verrinnt. „Ewiges Leben“ bezeichnet nicht eine Zeit-Dauer (also eine Quantität von Zeit), sondern ein Leben in der Nähe und in der Liebe Gottes (also eine Qualität von Leben). Ewiges Leben ist nicht endlose Zeit, sondern erfüllte Zeit, in der das Vergehen der Zeit und die Vergänglichkeit des Lebens keine Rolle mehr spielen.

Nein, wir werden uns nicht langweilen in der Ewigkeit (als harfespielende Engel auf Wolke sieben), weil da vielleicht nichts mehr geschieht, und nur alles, was wir hier schon kennen, in endlose Zeiträume gedehnt wird, sondern wir werden manches, was wir hier versäumten, dort erleben und manches, was uns hier nicht gelang, dort vollenden, weil dort nichts Gutes, nichts von der Liebe Gestaltetes wieder vergehen, zerbrechen, oder von böser Absicht zerstört werden kann. „Ewiges Leben“ meint nicht Endlosigkeit des Belanglosen, sondern Unverlierbarkeit des Guten. Die Liebe ist bei Gott unvergänglich; das von der Liebe Gestaltete auch.

Ewiges Leben bei Gott bedeutet nicht ein mehr an Tagen und Jahren, sondern ein mehr an gelingender Beziehung. Und dieses Leben beginnt nicht erst nach dem Tode eines Menschen, sondern kann schon jetzt und hier im Zeitlichen und Irdischen (trotz aller Unvollkommenheit und schuldhaften Belastung) anfangen und sich immer deutlicher ausformen. Ewiges Leben ist Leben in der Gegenwart Gottes. Gott aber ist die Liebe (1Jo 4, 7-8) und deshalb bedeutet ewiges Leben eine Existenz in Beziehung, ein Leben in immer vollkommenerer Liebe zu Gott und zu den Menschen. Davon wird jetzt im 3. Abschnitt „Was bleibt?“ noch die Rede sein.

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3 Was bleibt?

Was war und was ist und was bleibt? Die Antworten auf diese drei Fragen bestimmen wesentlich den Inhalt des Selbstverständnisses eines Menschen in seiner Welt. Dabei ist die Frage „was bleibt?“ mit großen Unsicherheiten belastet. Das gilt schon für unser ganz normales, alltägliches Leben. Verlustängste stellen sich ein: Werde ich meinen Status, mein Vermögen, meine Beziehungen erhalten können oder wird mein Leben abstürzen in selbstverschuldetem Zusammenbruch oder von außen bewirktem Unglück? Solche Verlustängste verstärken sich noch um ein Vielfaches im Angesicht des Todes: Was bleibt? Bleibt da noch etwas? Gibt es etwas, was den Wert eines Menschenlebens ausmacht (oder zumindest mitbestimmt) und das über den Tod hinaus gültig bleibt?

Gehen wir dieser Frage nach, in mehreren Schritten: Versuchen wir zuerst, uns an Situationen zu erinnern, wo wir etwas in ehrlich guter Absicht begonnen haben (doch, doch, so etwas gibt es in jedem Menschenleben, hilfreiche sachliche Vorhaben z. B. und jede Art von positiver Beziehung). Vieles werden wir gar nicht mehr wissen; aber beziehen wir auch dieses unbewusst Gute noch mit ein.

Stellen wir uns nun vor, all das wäre auch wirklich gelungen, ja, wäre nicht nur gelungen, sondern hätte sich im Miteinander zu immer größerer Harmonie, Schönheit, Wahrhaftigkeit, Vollkommenheit, Mitmenschlichkeit, Liebesfähigkeit… weiterentwickelt. Und alles, was darin vielleicht noch an Egoistischem, Missgünstigem, Zerstörerischem gewesen war, wäre daraus entfernt worden und hätte noch größerer Liebe, noch ehrlicherer Zuwendung, noch uneigennützigerer Hingabe Platz machen müssen (die Aufgabe, uns das im Einzelnen vorzustellen, wird uns sicher überfordern, aber wir können doch wenigstens eine Ahnung bekommen, wie es hätte sein können …).

Stellen wir uns nun vor, alles, was in unserem ganzen Leben jemals an ungeheuchelter Freundlichkeit und tätiger Zuneigung da war (ob wir dabei Gebende oder Empfangende waren, ist nicht so wichtig), all das wäre erhalten geblieben, ja nicht nur erhalten, es wäre von allem Schmutz des Egoismus, der Habsucht, des Machtstrebens …, die dabei vielleicht auch eine Rolle gespielt haben, gereinigt und würde nun echt, glänzend und schön zu starken, unzerstörbaren Beziehungen wachsen und reifen.

Wenn wir solchen Lebens-Fragen nachgehen, sind wir schon auf der Spur der Ewigkeit in unserem eigenen zeitlichen Leben. Fangen wir dabei ganz am Anfang an, als wir schon vor unserer Geburt von unserer Mutter getragen und behütet wurden, gehen wir dann Schritt für Schritt durch unsere Kindheit, unsere Jugend, durch unser Leben als Erwachsener und alt Gewordener. Wir können gewiss sein: Auch in einem belasteten und sehr bedrängten Leben gibt es solche Augenblicke unverdorbener Zuwendung.

Wenden wir uns nun mit dem, was wir an Gutem in unserem Leben erfahren und nun wiederentdeckt haben, unserer Frage nach dem Inhalt der Ewigkeit zu. Zuerst eine Frage voraus: Ist es denkbar, das etwas, was wesentlich die „Person“ Gottes ausmacht, zerstört wird und vergeht? Nein, Gott ist ewig und mit ihm alles, was seinem Wesen entspricht. „Gott ist Liebe“ sagt die Bibel. Sie ist das Zentrum seiner Identität, Ursprung und Ziel alles seines Handelns. Und das heißt: Alles, was in irgendeiner Weise von Liebe in Gang gesetzt und weitergeführt wurde, ist göttlichen Ursprungs und das kann niemals vergehen. Und eben dieses Unvergängliche, das, was das Gott-sein Gottes ausmacht, das soll (nach dem Willen Gottes) auch das Mensch-sein des Menschen bestimmen, als sein „Ebenbild“. Das heißt: Alles, ausnahmslos alles, was in einem Menschenleben durch ein bewusstes Miteinander und Füreinander (also durch die Liebe) geschehen ist und gestaltet wurde, ist unvergänglich, denn es ist die Auswirkung der Gegenwart Gottes unter den Menschen.

Versuchen wir nun als nächsten Schritt (so schwer der auch sein mag) in den Jahren und Jahrzehnten unserer Erinnerung auch all das aufzusuchen, was durch uns selbst (oder auch durch andere) schuldhaft und böswillig unsere Beziehungen belastet hat, sie verfälscht, verdunkelt, schmerzhaft zerrissen, vielleicht sogar zerstört hat und das Schaden angerichtet hat und Schmerz verursacht bei uns selbst und bei unseren Mitmenschen. Das kann ein langer und steiniger Weg durch unsere Erinnerungen werden. Aber nun versuchen wir uns vorzustellen, wie das wäre, wenn all das aus unserer Biografie herausgenommen würde, ungültig gemacht und gelöscht, zusammen mit allem, was solche Erfahrungen an Belastungen und Deformierungen in unserem eigenen Leben und im Leben anderer angerichtet haben. Dann würde von meinem Leben nur das bleiben, was von der Liebe bewegt und gestaltet war. (Ich denke, so eine „Imagination unverdorbenen und unbeschädigten Lebens“ dürfen wir im Schutzraum der Nähe und Liebe Gottes versuchen, wenn sie auch nur sehr unvollkommen gelingen kann.)

Wenn wir nun annehmen, alles Gute, Hilfreiche und Menschenfreundliche in unserem Leben (unabhängig, ob wir dabei die Gebenden oder die Empfangenden waren) wäre erhalten und wertgeachtet, und alles Ungute, Egoistische und Böswillige in unserem Leben (unabhängig davon, ob wir Täter oder Opfer waren) wäre aus unserer Lebensgeschichte restlos gelöscht. Wie würde das dann aussehen in meinem Leben? Wäre da eine Fülle an Gutem, das sich da aneinanderreiht wie auf einer kostbaren Perlenkette, Tag für Tag, voller Wärme, Nähe und liebevoller Zuwendung? Oder wäre da nichts als Leere, als Kälte und trostlose Dunkelheit, vielleicht mit ein paar wenigen dünnen Spuren von Güte und Freundlichkeit im Laufe der Jahre?

Das ist keine theoretische Frage, sondern eine sehr praktische, denn in der Ewigkeit bei Gott wird das alles, was unser Leben je belastet hat, keine Bedeutung mehr haben (siehe das Thema „Schuld und Vergebung“). In der Gegenwart Gottes kann ja nur das existieren, was der Liebe Gottes entspricht. Alles andere, alles, was aus Ablehnung, Missgunst und Neid, aus Egoismus, Habgier und Machtstreben geschehen ist, muss vor ihm im Feuer seines Gerichtes vergehen. Das, was dann übrig bleibt von unserem Leben an Gutem und Schönem, an Liebevollem und Hilfreichem, an Freundlichem und Großzügigem …, das wird dann vielleicht sehr unvollkommen, sehr dürftig und beschädigt aussehen, aber es wäre der Anfang von etwas, das nun befreit und wertgeachtet ist, und befähigt, zu etwas ganz Großem und Wertvollem zu reifen. Das heißt „bei Gott sein“, so ist „Himmel“ und „ewiges Leben“.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal einen Satz aus dem Beitrag „Bausteine der Ewigkeit“ aufgreifen: „Alles, was aus der Gegenwärtigkeit unseres Lebens und Handelns hervorgeht und das von Gott her gesehen als Abbild seiner Liebe erkannt werden kann, das wird nicht Vergangenheit, sondern Ewigkeit …“ Die Liebe (und alles, was in unserem Leben von der Liebe bewegt und gestaltet war) ist das Einzige, was (als Teil unserer personalen Identität) aus unserer Gegenwart über die Grenze des Todes hinweg in die Ewigkeit hinübergerettet werden kann und durch den Tod hindurch erhalten bleibt. Wobei „Liebe“ hier nicht in erster Linie Erotik und Sexualität meint (das gehört auch dazu, ist aber nur ein schmaler Ausschnitt des Gemeinten), sondern jedes Denken, Reden und Handeln, jedes Hoffen, Glauben und Beten aus einer Grundhaltung des Miteinander und Füreinander, ohne (oder doch wenigstens möglichst weitgehend ohne) böse Hintergedanken und verstecktem Eigennutz (siehe den Themenbeitrag „AHaBaH – Das Höchste ist lieben“). Das kann in Ewigkeit nicht verloren gehen, das ist es, was uns bei Gott „reich“ macht. Jesus rät seinen Zuhörern in der Bergpredigt dringend, sich doch solche „Schätze im Himmel“ zu sammeln („Himmel“ meint hier nicht einen Ort über den Wolken, sondern ein Leben in der Gegenwart Gottes). Mt 6,19-21: Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo weder Motten noch Rost sie fressen und wo Diebe nicht einbrechen und stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.

Die Bibel stellt uns den Tod vor als eine Art „Feuer-Probe“ des Lebens. (Nein, da geht es nicht um die Vorstellung, dass Menschen nach ihrem Tod im „Fegefeuer“ schmoren, sondern um die Frage, was von all dem, das uns im Leben etwas wert war, im Tod erhalten bleiben kann .) Alles, was in unserem Leben vom „Gold der Liebe“ durchglänzt und geheiligt ist, das bleibt in dieser Feuerprobe bestehen. Und alles, was aus minderwertigen, weil egoistischen Motiven entstanden ist, das verbrennt. 1. Kor 3, 11-14: Einen andern Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. Wenn aber jemand auf den Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh, so wird das Werk eines jeden offenbar werden. Der Tag des Gerichts wird es ans Licht bringen; denn mit Feuer wird er sich offenbaren. Und von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen. Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen. Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch.

Wir sehen also: Es geht nicht darum, dass Menschen im Feuer des Gerichts geprüft werden, sondern ihre „Werke“!

So kann uns die Frage „Was bleibt?“ auch zur Richtschnur für unser Verhalten und Handeln im ganz alltäglichen Leben werden, indem wir uns in jeder entscheidenden Situation neu fragen: Kann das, was ich jetzt sagen will oder zu tun beabsichtige den „Eignungstest des Himmelreichs“ bestehen? Kann das im Licht der Liebe Gottes erhalten bleiben? Und wenn nicht, wäre es dann nicht besser, jetzt etwas zu sagen oder zu tun, das auch in der Gegenwart Gottes noch seinen Wert behält? Wäre dann nicht jeder Gedanke, jedes Wort und jede Tat, die nicht dem Miteinander und Füreinander der Menschen dienen „verlorene Zeit“, weil sie ja doch, spätestens in unserer Todesstunde gänzlich gelöscht würden?

Jesus zeigt seinen Zuhörern anhand einiger Gleichnisse die Bedeutung des Lebens in der Zeit für das Leben in der Ewigkeit auf:

Lk 18,18: Und es fragte ihn ein Oberer und sprach: Guter Meister, was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe? Jesus aber sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein. Du kennst die Gebote: „Du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht töten; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis reden; du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren!“ Er aber sprach: Das habe ich alles gehalten von Jugend auf. Als Jesus das hörte, sprach er zu ihm: Es fehlt dir noch eines. Verkaufe alles, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach!

Lk 10,25-28: Und siehe, da stand ein Gesetzeslehrer auf, versuchte ihn und sprach: Meister, was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe? Er aber sprach zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du? Er antwortete und sprach: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft und deinem ganzen Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst“. Er aber sprach zu ihm: Du hast recht geantwortet; tu das, so wirst du leben (in der Ewigkeit bei Gott). Danach folgt das Gleichnis vom barmherzigen Samariter.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Wir können uns nicht mit guten Taten den Zugang zur Ewigkeit verdienen (siehe das Thema „Schuld und Vergebung“). Aber die „Schätze“, die die uns im „Himmel“ reich machen, entstehen im Miteinander und Füreinander menschlicher Gemeinschaft hier und heute.

In der Ewigkeit, d. h. in der Gegenwart der Liebe Gottes, wird die „Trägersubstanz“ unserer Individualität nicht mehr aus Materie, also aus den Atomen und Molekülen unseres Körpers bestehen, sondern aus den Manifestationen der Liebe, die sich in der Zeit unseres irdischen Lebens an uns und durch uns vollzogen haben. Es kann sein, dass unser „Ich“ dann mit einer sehr dürftigen, gebrechlichen und verkrüppelten „Gestalt“ in der Ewigkeit bei Gott ankommt. Dort aber kann aller Mangel ausgefüllt und jede Unvollkommenheit geheilt werden, so dass aus den Unzulänglichkeiten menschlichen Lebens und menschlicher Zeiterfahrung die Vollkommenheit des ewigen Lebens bei Gott hervorgeht.

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© 2012 Bodo Fiebig Ewiges Leben, Version 2020-1

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