Bereich: Grundfragen des Lebens

Thema: Wer bin ich?

Beitrag 11: Die Identität des ICH (Bodo Fiebig12. Februar 2019)

… „Woher kommt dieses ICH, das solche Macht über unser Wollen, Leben und Handeln hat? Es kann doch nicht einfach so aus dem Nichts entstehen! Selbstverständlich nicht. Aber um zu verstehen, woher dieses ICH seine Identität hat und seine Energien bezieht, müssen wir noch einen Schritt weitergehen.“ Mit diesen Sätzen endet der Beitrag 6 „Das Ich und das Ego“. Und diesen angekündigten Schritt wollen wir jetzt gehen.

Wir haben noch das Bild von der großen „Werkhalle“ der „Weltverinnerlichung“ vor Augen mit den beiden großen Abteilungen „Weltverständnis“ und „Selbstverständnis“ und mit dem ICH und dem EGO, durch deren bewegende Kraft das Verständnis zur Motivation und die Motivation zum Handlungsimpuls wird.

Wir kennen schon die Eingangsseite, wo die Wahrnehmungen und Erfahrungen durch unsere Sinnesorgane ins Innere gelangen: Hören, sehen, tasten, riechen, schmecken … und die Ausgangsseite der Person, wo die aus ihrer Mitte stammenden Impulse im Verhalten, Reden und Tun ihren Ausdruck finden.

Wir haben auch noch die beiden Abteilungen vor Augen, wo unsere Erfahrungen verarbeitet und gewertet, und die Ergebnisse in unser Weltverständnis und Selbstverständnis eingeordnet werden.

Uns sind auch noch die grundlegenden Funktionen des EGO und die übergeordneten und integrierenden Funktionen des ICH bewusst.

Aber all das erklärt noch nicht ein „ICH“, das über seine materiellen, biologischen und sozialen Bedürfnisse weit hinauswachsen kann. Ein Bergsteiger, der nach jahrelangen Training seinem Körper schier übermenschliche Strapazen abfordert, um als erster einen nie bestiegenen Gipfel zu erreichen, oder eine Marathon-Läuferin, die sich über die 42-km-Distanz quält, um sie in einer noch besseren Zeit zu schaffen als ihre Konkurrentinnen, das ist erklärbar. Sie wollen sich und der Welt beweisen, dass sie zu persönlichen Leistungen fähig sind, die über das hinausgeht, was andere bisher geschafft haben. Aber ein Bergsteiger, der dicht unterhalb des Gipfels seinen Rekordversuch abbricht, um ein Mitglied einer anderen Seilschaft, das er gar nichtr peresönlich kennt, aus einer unerwartet lebensgefährlichen Lage zu retten, obwohl er weiß, dass er dann selbst den Gipfel nicht mehr erreichen wird und andere den Ruhm der Erstbesteigung ernten werden? Oder weniger dramatisch: Eine ältere Frau, die einer jungen Flüchtlingsfrau mit Baby ihre Einliegerwohnung zur Verfügung stellt, damit die mit ihrem Kind aus der beengten und belastenden Lage in der Flüchtlingsunterkunft frei kommt, obwohl sie weiß, dass ihr das eher Anfeindungen als Anerkennung einbringen wird? Wie kann ein ICH zu solchen Entscheidungen kommen, Entscheidungen, durch die eigene Wünsche und Bedürfnisse zurückgestellt werden, um anderen in einer Notlage beizustehen? Woher nimmt ein ICH die Freiheit, Dinge zu tun, die nicht dem eigenen Vorteil dienen? Die menschliche Natur, die, wie alles Leben, ihre Lebensenergien aus dem „Kampf ums Dasein“ bezieht, kann ihm diese Freiheit nicht geben (siehe dazu auch das Thema „Die Ethik des Atheismus“).

Wir haben das ICH schon kennengelernt als Instanz, die über alle anderen Bereiche des Menschseins hinausreicht und sie alle in die Einheit der Person integrieren kann. Aber auch das könnte Verhaltensweisen wie die oben genannten nicht erklären. Erklärt werden können sie nur aus einer Tatsache, die wir bisher noch nicht wahrgenommen haben. Wir haben in unserem Modell-Bild von der „Werkhalle“ der „Weltverinnerlichung“ das ICH am oberen Abschluss der Halle verortet. Und das bekommt jetzt noch eine besondere Bedeutung: Die Halle ist nämlich oben offen. D. h. nicht die Halle, sondern das ICH hat eine Offenheit nach oben. Die Identität des Menschen hat, im Gegensatz zu allem, was sonst im Kosmos existiert, einen Bezugspunkt außerhalb allen materiell-biologischen Seins.* Erst diese „Offenheit nach oben“, die nicht ins Leere geht, sondern vom Gegenüber dieser Offenheit gefüllt und beantwortet wird, macht es möglich, dass Menschen sich dann auch öffnen können gegenüber ihren Mitmenschen und gegenüber der Welt. Das mag überraschend klingen, aber es gibt keine andere Erklärung für manche Aspekte des Menschseins, die im Folgenden kurz angesprochen werden.

* Siehe dazu auch das Thema „sein und sollen“

Hinweise auf diesen „außer-weltlichen Bezugspunkt“ des innersten „Ich-selbst“ finden wir z. B. in einer der ältesten und zugleich seit Jahrtausenden wirkmächtigsten Textsammlungen der Menschheit, der Bibel.

In den ersten Kapiteln der Bibel gibt es zwei Grundaussagen über das „Wesen“ des Menschen, also zu der Frage: „Was ist der Mensch?“. Die erste Grundaussage zum Menschsein ist überraschenderweise keine Feststellung, sondern eine Aufforderung und Verheißung, eine Aussage darüber, was der Mensch sein und werden soll, nicht darüber, was er „von Natur aus“ ist (1. Mose 1, 26-27): Und es sprach Gott: Machen wollen wir den Menschen in unserem Bild, gemäß unserer Gleichheit (gemeint ist: „Ein Bild, das unserem Vor-Bild entspricht“) (…) Und Gott schuf den Menschen in seinem Bild, im Bilde Gottes schuf er ihn, männlich und weiblich erschuf er sie (eigene, urtextnahe Übersetzung). Hier heißt es zum ersten Mal in der „Schöpfungsgeschichte“, dass Gott etwas machen „will“. Bis dahin hieß es immer: Gott sprach und es wurde so. Mit der Erschaffung des Menschen war das Schöpfungshandeln Gottes bei dem Ziel angekommen, das er erreichen wollte. Als „ein Bild, das dem Vor-Bild Gottes entspricht“, so will Gott den Menschen, das heißt als ein Wesen, das so sein, bzw. so werden soll, dass man an ihm, seinem Leben, Reden und Handeln etwas (wenigstens etwas, und sei es noch so gering, bruchstückhaft und fragwürdig), etwas von Wesen Gottes erkennen kann (siehe das Thema „sein und sollen“). Auf diese erste Grundaussage über das Menschsein werden wir später noch zurückkommen.

Erst die zweite Grundaussage der Bibel zum Menschsein redet davon, was der Mensch ist (1. Mose 2,7): Da machte Gott der HERR den Menschen aus Staub von der Erde und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen (Lutherübersetzung 2017).

Der erste Teil dieser Aussage klingt, (wenn man bedenkt, dass dieser Text mindestens zweieinhalb Tausend Jahre alt ist) geradezu umwerfend modern: Da machte Gott der HERR den Menschen aus Staub von der Erde. Der Verfasser dieses Textes stellt fest: Der Mensch ist aus der gleichen Materie gemacht, wie der „Staub von der Erde“ (dass Gott den ersten Menschen aus einem Lehmkloß formte, den er dann durch Anhauchen zum Leben erweckte, steht nicht in der Bibel, siehe das Thema „Adam – wer bist du?“ Beitrag 1:Adam, der erste Mensch?“). Hier wird nur betont: Die Bausteine des Lebens sind nicht aus einem besonderen „Lebens-Stoff“ gebildet und der Mensch nicht aus einer besonderen (vielleicht sogar göttergleichen) „Supermaterie“, sondern aus den gleichen Materialien (wir Heutigen nennen sie Atome und Moleküle), wie die ganze belebte und unbelebte Schöpfung, bis hin zum Dreck auf der Straße. Das kann Menschen, die das ernst nehmen, vor jeder Selbstüberhöhung bewahren: „Was willst du denn, Mensch, was baust du dich so groß auf? Staub von Erdboden bist du, sonst nichts“ (zumindest materiell gesehen)!

Freilich besteht diese erste „Ist-Aussage“ über das Menschsein noch aus einem zweiten und dritten Teil. Zunächst der Zweite: „Da machte Gott der HERR den Menschen aus Staub von der Erde und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase“. Der Mensch ist eben nicht nur „Staub von der Erde“, sondern „Staub von der Erde + Odem des Lebens“, und erst durch diesen Lebens-Odem, den Gott ihm (ihm und nur ihm, keinem Lebewesen sonst) persönlich und direkt einhaucht, wird der Mensch (so die dritte Aussage dieses Textes) ein „lebendiges Wesen“ (siehe dazu auch den Beitrag „Die progressive Weltformel“ zum Thema „Die Frage nach dem Sinn“).

Das also ist der Mensch: Lebewesen aus Staub von der Erde, dem eine Zuwendung Gottes (Odem göttlichen Lebens) zuteil wird. Wenn es um das „biologische Leben“ geht, muss der Mensch mit zu den Tieren (genauer: zu den Säugetieren) gezählt werden. Trotzdem nimmt der Mensch in der Schöpfung eine Sonderstellung ein: Nur ihm, keinem anderen Lebewesen wird der „Odem des Lebens“ direkt und persönlich von Gott eingehaucht. Und dieser „Lebensodem“ ist nicht nur biologisch zu verstehen, sondern auch spirituell. Das biologische Wesen „Mensch“ wird zum Träger einer spirituellen Existenz durch eine „Hingabe“ Gottes. Die Frage ist nur: Worin besteht diese „spirituelle Existenz“?

Kehren wir noch einmal zur ersten Aussage der Bibel über das Menschsein zurück (1. Mose 1, 26-27): Und es sprach Gott: Machen wollen wir Menschen in unserem Bild, gemäß unserer Gleichheit (…) Und Gott schuf den Menschen in seinem Bild, im Bilde Gottes schuf er ihn, männlich und weiblich erschuf er sie.

Biblisch gesehen ist dieses auf zwei Beinen aufrecht gehende Lebewesen „Mensch” nicht definiert durch das, was es ist (ein relativ intelligentes Säugetier aus „Staub von der Erde“) sondern durch das, was es sein und werden soll: „Bild” Gottes, Abbild und Darstellung des innersten Wesens dessen, der das Universum geschaffen hat. Der Mensch ist im Vergleich zu allem Vorangegangenen eine wirkliche Neuschöpfung Gottes, trotz seiner biologischen Nähe zu den Säugetieren. Und dieses „ganz Neue“ ist nicht materieller und nicht biologischer Art, besteht auch nicht in seinen geistigen Fähigkeiten, sondern in einer besonderen, nur die Menschen betreffenden Berufung: Die Schöpfung „Mensch“ soll etwas werden, das weit über seine materielle, biologische und intellektuelle Existenz hinausreicht: Er soll „Bild“ sein, soll Ikone – Ikone Gottes werden, das heißt: sichtbare Darstellung des Schöpfers in der Schöpfung, anschaubare Vergegenwärtigung Gottes mitten in einer scheinbar gottlosen Welt. Dabei ist aber der Mensch keine optische Abbildung Gottes, als wäre Gott ein Wesen mit menschenähnlicher Gestalt, mit Armen und Beinen, mit Augen, Mund und Nase… (dann wäre ja Gott ein Abbild des Menschen, und so haben sich Menschen zu allen Zeiten ihre Götter vorzustellen versucht, schauen wir uns doch die Götterbilder der Religionen an).

Nein, der Mensch ist keine optische Abbildung Gottes sondern eine wesentliche. Durch das Menschsein soll das Wesen Gottes in der Schöpfung anwesend sein. Aber, wer ist Gott, was ist denn sein eigentliches Wesen? Und wozu hat er uns geschaffen und was erwartet er von uns? Die Antworten auf solche Fragen sind von uns aus nicht zugänglich. Wir können mit den Mitteln menschlicher Erkenntnisfähigkeit nur so viel von Gott erfassen und mit den Mitteln menschlichen Sprache nur so viel von Gott aussagen, als er selbst sich uns offenbart.

Und Gott hat sich offenbart: In der Schöpfung, in der Geschichte Israels, im Leben, Reden und Handeln Jesu, auch in der Geschichte des Judentums und der Christenheit der vergangenen 2000 Jahre und in der Weltgeschichte und Heilsgeschichte bis heute. Und in dieser Selbstoffenbarung Gottes über Jahrtausende hinweg können wir wahrnehmen, dass die Existenz Gottes wesentlich in einem „In-Beziehung-Sein“ besteht, einem „In-Beziehung-Sein“, das wir mit den Mitteln der menschlichen Sprache (freilich völlig unzureichend, aber wir haben keine Alternative) mit dem Begriff „Liebe“ umschreiben (siehe das Thema „AHaBaH – das Höchste ist Lieben).

In der Bibel klingt das so (1. Joh 4, 7-8): Ihr Lieben, lasst uns einander liebhaben; denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist von Gott geboren und kennt Gott. Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist die Liebe. Das also (das, was hier mit dem Begriff „Liebe” umschrieben wird), das ist es, was das Gott-Sein Gottes ausmacht, sie ist sein eigentliches „Wesen”, seine „Substanz”, seine „Identität”, seine „Person“.

Die Bibel beschreibt (in deutscher Übersetzung) das Wesen Gottes in drei Worten: Gott – ist – Liebe. Damit ist alles Wesentliche über den Gott der Bibel ausgesagt: Sein Wesen ist ein „Für-den-andern-da-sein“ in voraussetzungsloser Annahme und uneingeschränkter Zuwendung, in unerschütterlicher Treue und opferbereiter Hingabe. Und diese Liebe, die das Gott-Sein Gottes ausmacht, die soll nun als sein „Ebenbild” auch das Mensch-Sein des Menschen bestimmen. Das, was das Menschsein des Menschen ausmacht, ist die Fähigkeit zu lieben. Zu lieben aus bewusster Hingabe an ein Du, zu lieben, auch wenn es für das eigene Ich Nachteile einbringt, zu lieben, auch wenn es etwas kostet, auch wenn es in einer bestimmten Situation sehr viel kostet. Diese Liebesfähigkeit (als menschlich anschaubares „Bild“ Gottes) ist es, die Gott dem Menschen besonders einhauchen musste, da sie seinem Status als Lebewesen mitten im „Kampf ums Dasein“ total widerspricht (1. Mose 2,7): Da machte Gott der HERR den Menschen aus Staub von der Erde und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase.

Solche Liebe, die sich bewusst an ein Gegenüber hingibt, die nicht sich selbst erhöhen, sondern dem andern zur Erfüllung seines Menschseins und zur Freude am Dasein helfen will, die sich aus freiem Willen für eine Gemeinschaft engagiert und die sich sogar selbst unter Zurückstellung des eigenen kreatürlichen Lebenswillens für das Gefährdete und Verlorene einsetzen kann, um es zu retten, das ist das Göttliche, das sich im Menschsein widerspiegeln soll als sein Ebenbild und das durch den Menschen in der Schöpfung gegenwärtig und wirksam sein soll.

Die Berufung des Menschen zum „Bild“ Gottes, an dem man etwas (wenigstens etwas, und wäre es noch so gering) davon wahrnehmen soll, wie Gott ist, das ist das eigentlich Menschliche und Besondere am Menschsein. Alles andere (z. B. seine geistigen Fähigkeiten) ist nur eine graduelle Weiterentwicklung dessen, was bei den Tieren in Abstufungen auch schon vorhanden ist. Diese Berufung, etwas vom Wesen Gottes (seiner Liebe) hier im materiellen Dasein sichtbar und erfahrbar zu machen, die ist auch der „Bezugspunkt“, der den Menschen an eine Realität bindet, die nicht in der materiellen Ausstattung des Universums begründet ist.

Diese Liebe soll zur Überwindung des universalen EgoPrinzips der Evolution werden im Miteinander der Menschen. Sie ist das Gegenmodell zum „Kampf ums Dasein”, und zum Prinzip vom „Fressen und Gefressen-werden”, die sonst alles Leben beherrschen, auch das Gegenmodell zum Egoisten und modernen Selbst-Verwirklicher, der sich auf Kosten anderer Ansehen, Geld und Macht verschafft, auch das Gegenmodell zum religiös-fanatischen „Märtyrer“, zum „Gotteskrieger“, der sein Leben opfert, um möglichst viele „Ungläubige“ mit in den Tod zu reißen und so für sich selbst einen Platz im Paradies zu erringen.

Mitten in einer Natur, in der jedes Lebewesen um seinen Lebensraum und seine Lebensmittel ringen muss und mitten in den Kulturen, wo sich jeder einen „Platz an der Sonne“ erkämpfen muss, schafft Gott mit dem Menschen ein Geschöpf, das die Möglichkeit hat, seinen Lebensraum bewusst als Raum der Gemeinschaft zu gestalten und seine Lebens-Mittel im bewussten Miteinander und Füreinander zu erwerben (und wenn wir das versuchen, entdecken wir, dass das möglich ist, ja dass es sogar schöner ist und besser gelingt, als im Kampf gegen „die anderen“). Gott will sich in seiner Schöpfung ein Gegenüber erwecken, das sein Ebenbild ist, erkennbare und erfahrbare Vergegenwärtigung seiner Liebe mitten in dieser Welt und mit dem er eine Liebesbeziehung beginnen kann.

Kehren wir noch einmal zu unserem Vergleich mit dem großen Raum unserer „Weltverinnerlichung“ zurück (siehe Beitrag 6 „Das ICH und das EGO“). Dort heißt es im letzten Absatz: Aber, woher kommt dieses ICH? Es kann doch einfach so aus dem Nichts entstehen! Selbstverständlich nicht. Aber, jetzt können wir diese Frage beantworten: Das ICH des Menschen kommt nicht aus seiner materiell-biologischen Existenz und auch nicht aus seinen geistigen Fähigkeiten, sondern aus seiner Berufung, die von Gott her kommt. Von daher hat der Mensch (jeder Mensch, ob er das weiß und glaubt oder nicht) eine Freiheit und eine Würde, die nicht an seine biologischen Vorgaben gebunden sind (und auch nicht an seine geistigen Fähigkeiten) so sehr auch die ganze Existenz des Menschen (wie die jedes anderen Lebewesens), während seines irdischen Lebensweges auf seinen biologischen (und geistigen) Voraussetzungen beruht.

Führen wir uns noch einmal dieses Bild vom weiten Raum unserer Weltverinnerlichung vor Augen: Durch die Eingangstüren der Wahrnehmung betreten die Erfahrungen den Innenraum unseres Menschseins. Dort durchlaufen sie Stationen eines Weges der Prüfung, Wertung und Einordnung, in dessen Verlauf die Ergebnisse dieser Aneignung in unser Weltverständnis und Selbstverständnis übernommen werden können. Das Ganze geschieht auf der Grundlage unserer biologischen Existenz (dem EGO), die ihre existenziellen und oft auch egoistischen Bedürfnisse mit einbringt. Zum ganzen Menschsein gelangen wir aber erst durch die integrierende Kraft unseres „ICH“, das alle diese Bereiche zu einem einzigen bewussten Selbst zusammenführen kann, weil es in der Berufung Gottes einen Bezugspunkt hat, der außerhalb unserer materiell-biologischen Vorgaben liegt. Von daher hat unser ICH auch die Möglichkeit eigener Entscheidungen, in die alle Inhalte unseres Welt- und Selbstverständnisses und unsere biologischen Bedürfnisse mit einfließen, die dann aber doch frei sind, und deshalb auch von uns verantwortet werden müssen, vor menschlichen Instanzen und letztlich auch vor Gott. Maßstab dieser Freiheit ist die Berufung des Menschseins, eine Lebenshaltung der Liebe zu verwirklichen, durch die etwas vom Wesen der Liebe Gottes abbildhaft und vorbildhaft in dieser materiellen Welt dargestellt und verwirklicht wird.

Dieser Maßstab der Menschlichkeit und Mit-Menschlichkeit alsVerwirklichung seiner Berufung zur Gottesebenbildlichkeit ist Herausforderung und Aufgabe für jedes Menschenleben, unabhängig davon, ob dieser Mensch von dieser Berufung weiß oder nicht, und dieser „Maßstab der Freiheit“ gibt dem ICH eine Eigenständigkeit, die unabhängig ist von allen historisch gewordenen menschlichen Kategorien. Damit hat der Mensch (grundsätzlich jedes menschliche „ICH“, auch wenn es sich dessen nicht bewusst ist) eine Menschen-Würde und eine Grundausstattung der Freiheit, die, weil von Gott kommend, unzerstörbar ist.

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