Diese Verwirklichung des Menschseins als „Bild JHWHes” (siehe die vorangehenden Beiträge) musste und muss in jeder zeitgeschichtlichen Epoche und in jedem kulturellen Umfeld neu erkannt und konkretisiert werden. In unserer Gegenwart sehen wir uns dabei der noch nie dagewesenen Herausforderung gegenüber, dies im Rahmen einer globalen Gesellschaft zu versuchen. In ihr entstehen für viele ganz neue Situationen, wo die bisher mehr oder weniger abgegrenzten politischen, wirtschaftlichen, ethnischen, kulturellen und religiösen Eigenarten, Besonderheiten und Interessen der Völker und Kulturen einerseits ineinander verfließen, andererseits aber eine Nähe, Häufigkeit und Intensität der Begegnung erfahren, durch die neue Gemeinsamkeiten, aber auch neue Spannungsfelder und Konfrontationen entstehen können.
„Wollen oder sollen“? So haben wir am Anfang gefragt. Und wir merken: Diese Alternative geht an der Realität einer biblisch begründeten Gottesbeziehung vorbei. Seine „Gebote“ für unser „Tun“ sind kein Zwang, sondern Hilfen zum Leben und Zusammenleben der Menschen. Und seine „Vision“ für unsere „Sein“ (das Menschsein als „Ebenbild“, als erkennbare und erfahrbare Verwirklichung der Liebe Gottes in der Schöpfung) ist so weit und so groß, dass unser Wollen und Tun darin keine Begrenzung erfährt, solange es im Miteinander und Füreinander bleibt und nicht ins Gegeneinander umschlägt.
Freilich: Gottes „Weisungen“ für ein Menschsein, das seiner Schöpfungswürde entspricht, enthalten auch Verpflichtungen, ja, und auch Richtungs- und Zielangaben, die man sich nicht selbst aussucht, ja, aber diese „Weisungen“ enthalten auch Herausforderungen, die dem eigenen Wollen Impulse geben können. Sie enthalten auch Ansporn und Motivation zu freien Entscheidungen, in denen sich unser je eigenes Menschsein ungehindert entfalten kann. Entscheidungen, die von zwei Stützen getragen werden: Eigenverantwortung und zugleich auch Einordnung in das Ganze des Heilsplanes JHWHes mit den Menschen und seiner ganzen Schöpfung.
Die Gleichzeitigkeit von „Sollen“ und „Wollen“ (also dass das, was ich will, weitgehend dem entspricht, was ich soll) kann aber nur unter einer Bedingung gelingen: Es muss zwischen mir und meinem Wollen einerseits und dem, der mir eine Zukunft anbietet, auf die ich zugehen soll (und will!) andererseits ein wechselseitiges tiefes und bedingungsloses Vertrauensverhältnis bestehen.
Jede auf Dauer angelegte Beziehung setzt solches Vertrauen voraus. Wenn z. B. zwei Menschen einen Ehebund eingehen, (den ja beide durchhalten wollen „bis dass der Tod sie scheidet“), dann vertrauen sie ihr eigenes Wollen der gemeinsamen Zukunft an, in der das „Ja“ zu dem, was der Partner/die Partnerin will, für jeden von beiden (aus Liebe, nicht aus Zwang), vom fremden „sollen“ zum eigenen „wollen“ werden kann.
Dieser „Herausforderung des Mensch-Seins“, die in der Konkretisierung und Verwirklichung seiner Schöpfungs-Berufung liegt, wollen wir nun nachgehen, in drei Schritten:
- Das Licht der Menschlichkeit
- Das Leuchtbild der Gemeinschaft
- Allgemeine und persönliche Berufung
Alle Beiträge zum Thema "sein und sollen"
- wollen oder sollen?
- Die zehn Weisungen
- Was ist der Mensch?
- Mitten in dieser Welt
- Die Perspektive der Vollendung
- Der zweite Teil der Schöpfung
- Vergegenwärtigung des Himmlischen auf der Erde
- Vorverwirklichung des Zukünftigen in der Gegenwart
- Die Herausforderung des Menschseins
- Das Licht der Menschlichkeit
- Das Leuchtbild der Gemeinschaft
- Allgemeine und persönliche Berufung