Bereich: Grundfragen des Lebens

Thema: Leben und Tod

Beitrag 6: Der TOD und ICH (Bodo Fiebig9. November 2017)

1 Die doppelte Grundlage des „Ich“

Durch den Stoffwechsel wird im Laufe eines individuellen Lebens der größte Teil der materiellen Substanz eines Lebewesens ausgetauscht; ein beträchtlicher Teil sogar schon innerhalb weniger Tage. Wenn wir bestimmte Atome im Körper eines Neugeborenen kennzeichnen könnten und diese nach etlichen Jahren wieder auffinden wollten, würden wir feststellen: Kaum ein Atom, das bei unserer Geburt zu unserem Körper gehörte, wird im Alter noch bei uns sein. Trotzdem werden wir bei all diesem Wechsel der Materie unsere Individualität bewahren. Das bedeutet: Die Individualität eines Lebewesens hängt nicht an seiner Materie, an bestimmten Atomen oder Molekülen, sondern an der Information, die die Organisation dieser Materie bestimmt. In zwei Formen:

Einmal als persönlicher genetischer Code, als einmalige und unverwechselbare biologische „Personenbeschreibung“ in den DNA-Strängen des Erbguts, die in jeder körpereigenen Zelle gegenwärtig ist. Diese genetische Information ist es, die den Aufbau, die Funktionsweise, und das Zusammenspiel der einzelnen Organe definiert und die dann auch (zusammen mit den Vorgängen der Alterung) die jeweils gegenwärtige körperliche Individualität des Lebewesens bestimmt.

Zweitens als persönliches Gedächtnis, als ebenso einmalige geistige Prägung der Person durch ihre Lebensgeschichte. Dieses persönliche Gedächtnis enthält die Ergebnisse von individuellen Erfahrungen und überindividuellem Wissen (und deren Verknüpfung, Bewertung und Deutung), soweit sie in die Substanz des Zentralnervensystems übernommen und dort als Struktur „eingraviert“ wurden, wo sie zumindest eine Zeit lang erhalten bleiben. Durch diese „geistige Information“ wird die Individualität des Lebewesens vor allem beim Menschen, aber auch schon bei komplexeren Lebensformen im Tierreich, entscheidend mitbestimmt. Diese beiden Formen von Informationen sind sozusagen die „Software“, nach deren Vorgaben zum einen das im Stoffwechsel neu gewonnene Material in den Organismus integriert wird, und die zum andern die Reaktionen des Individuums auf bestimmte Reize und Entwicklungen steuert.

Nur so werden persönliche Beziehungen zwischen Individuen möglich: Das Aussehen und das Wesen z. B. eines geliebten Menschen vergehen nicht, wenn im Zuge des Stoffwechsels die Materie seines Körpers ausgetauscht wird. Das „Ich“ eines Menschen ist zwar von seiner Körperlichkeit wesentlich mitbestimmt, aber es hängt nicht an bestimmten Atomen und Molekülen. Seine Individualität bleibt in den Informationen seiner Gene und in den Informationen seines Gedächtnisses, seiner Eigenarten und persönlichen Überzeugungen, auch seiner unbewussten Gewohnheiten, Reflexe usw. als Programm, als individuelle „Software“ der Person erhalten, auch wenn die Materie (die „Hardware“) seines Körpers sich im ständigen Austausch mit der Umwelt befindet.

Diese individuelle „Software“ garantiert rückwirkend durch die Integration aller körpereigenen Materie anhand ihrer Informationen auch den Erhalt der körperlichen Identität, z. B. des Aussehens usw. Die genetische Gesamtausstattung und die individuelle Lebensgeschichte mit ihren körperlichen und geistigen Prägungen bilden die Individualität eines Lebewesens. Das gilt grundsätzlich für alle Lebewesen, also auch für Tiere und Pflanzen und für sehr einfache Formen des Lebens. Nur mit dem graduellen Unterschied, dass dort der Anteil der nichtgenetischen „geistigen“ Informationen wesentlich geringer ist.

Der Tod ist eine sehr persönliche Sache. Auch der reichste und mächtigste Mensch kann sich beim Sterben nicht von einem anderen vertreten lassen. Es gibt niemanden, der für uns diese „unangenehme Sache“ übernehmen könnte. Wir werden uns selbst ihm stellen müssen und wir tun dies hier sozusagen vorbereitend in drei Abschnitten:

1 Individualität und Tod

2 Wegkreuzung zwischen Tod und Leben

3 Tod und ewiges Leben

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2 Individualität und Tod

Alle drei, das genetische, das geistige und das ethische Erbe der Menschheit (siehe den Beitrag „Lebens-Ende“) erfahren im einzelnen Menschen eine jeweils einzigartige Ausprägung und verbinden sich in ihm zu einer unverwechselbaren Persönlichkeit. Durch diese dreifache Einzigartigkeit ist der Mensch mehr als jedes andere Lebewesen ein Individuum, das sich seiner selbst als unverwechselbares „Ich“ bewusst ist. Und er wehrt sich gegen die allgegenwärtige Erfahrung, dass zwar Teile seines genetischen, geistigen und ethischen Erbes an die nächste Generation (und an das biologische, geistige und ethische Erbe der Menschheit) weitergegeben werden können (wenn auch mit großen Abstrichen und Verlusten), er selbst als Person aber stirbt und seine individuelle Existenz beendet wird. Viele sehen an dieser Stelle die Entstehung der Religionen als „Not-Lösung“, weil Menschen ihren individuellen Tod nicht wahrhaben wollen und sie sich deshalb die religiöse Fiktion aufrechterhalten möchten, dass sie nach dem Tode als das individuelle „Ich“, dessen sie sich als Lebende bewusst sind, weiterexistieren können.

Materialistisch eingestellte Menschen fragen gläubige Menschen manchmal, wie denn ein individuelles Weiterleben nach dem Tode möglich sein soll, wenn doch der Körper im Grabe vollständig zerfällt und auch das Gehirn, als Träger aller geistigen Vollzüge und aller Erinnerungen, sich vollständig auflöst. „Was soll denn dann übrig bleiben von mir als Person?”

Eine erste Antwort auf diese Frage haben wir schon gefunden (siehe den Beitrag „Lebens-Ende“): Die Individualität eines Menschen geht bei seinem Tode nicht einfach verloren, sondern lebt (wenigstens in einigen Aspekten) im genetischen, geistigen und ethischen Erbe der Menschheit weiter. Das ist aber noch nicht alles. Die Botschaft der Bibel im Alten und Neuen Testament zeigt uns mit zunehmender Klarheit, dass auch die individuelle Persönlichkeit eines Menschen über den leiblichen Tod hinaus bewahrt bleiben kann. Aber hier müssen wir uns ernsthaft fragen lassen: Ist das nur ein frommer Wunschtraum der Gläubigen oder berührt das auch die Realitäten dieser Welt? Wie soll man sich denn so etwas vorstellen?

Nach den weiter oben geschilderten Einsichten (siehe den Beitrag „Lebens-Zeit“) wäre das gar nicht so schwer zu verstehen: Wenn schon während der Lebenszeit eines Individuums fast alle Materie seines Körpers durch den Stoffwechsel immer wieder ausgetauscht und ersetzt wird und die Kontinuität des Individuums ausschließlich durch die immaterielle „Software“ seines genetischen Codes und seiner im Gedächtnis bewahrten Erfahrungen und Einstellungen gegeben ist, dann kann man sich doch die Frage stellen, ob dies nicht ein Vorgang ist, der auch über den leiblich-materiellen Tod eines Menschen hinausreicht.

Stirbt unser individuelles Menschsein bei unserem körperlichen Tod mit oder bleiben bestimmte Aspekte der „Software der Persönlichkeit“ erhalten, so wie sie ja auch erhalten bleiben, wenn schon während ihrer Lebenszeit die materielle Substanz seines Körpers „verstoffwechselt“ wird? Was geschieht mit der „Software des Lebens“, wenn die körperliche „Hardware“ eines Mensch stirbt? Wird sie gelöscht oder könnte sie als kodierte Information erhalten bleiben und zwar dann, wenn sie von einer unvergänglichen, nichtmateriellen „Substanz“ gespeichert würde?

Freut euch, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind, sagt Jesus seinen Jüngern (Lukas 10,20). „Name“ meint in der Bibel Alten und Neuen Testaments nicht nur die Buchstaben, mit denen man den Namen einer Person schreibt, sondern die ganze Person des Menschen in allen ihren Aspekten. Das bedeutet: Nicht nur unsere buchstäblichen Namen sind „im Himmel“ verzeichnet, sondern die ganze Information (biologisch-materiell, geistig-kulturell und ethisch-normativ, samt aller im Laufe des Lebens angesammelten und ausgeformten Erfahrungen und Einstellungen), die unsere Person ausmacht, ist im Himmel (d. h. bei Gott) „eingeschrieben“, ist also bei ihm in einer unvergänglichen Form gespeichert.

Dass diese Information dann in neuer Form auch wieder „personalisiert“ werden kann, dass also in einer neuen Existenz nach dem körperlichen Tod auch eine „Auferstehung“ in eine neue Leiblichkeit möglich ist, dafür bietet die „Textseite“ von weiter oben (vgl. Beitrag 1, Abschnitt 3 „Die doppelte Grundlage des Lebens“) wieder einen anschaulichen Vergleich: Man könnte den als optische Zeichenfolge gespeicherten Text laut lesen und das Gelesene mit einem Tonaufnahmegerät aufzeichnen. Selbst wenn man nun das Buch ins Kaminfeuer werfen und es so vollständig zerstören würde, könnte man den Informationsgehalt der Textseite nun in ganz anderer Form, in diesem Beispiel als akustische Zeichenfolge, wieder herstellen. Alles Wesentliche an dieser Textseite (der Inhalt) wäre erhalten, auch wenn alles Materielle an ihr zerstört würde.

In vergleichbarer Weise könnte auch unsere Individualität den materiellen Tod überdauern und in ganz anderer Art weiterleben. Es ist ja keineswegs eine wissenschaftlich erwiesene Tatsache, dass eine individuelle Existenz nach dem leiblichen Tod eines Menschen unmöglich sei, sondern eine Glaubensaussage, genau so wie der Glaube an ein ewiges Leben. Die Sehnsucht des Menschen nach persönlicher Unvergänglichkeit muss nicht ein unerfüllbarer Wunschtraum, keine (intellektuell unredliche und damit von kritisch denkenden Menschen abzulehnende) Fiktion sein. Die Erhaltung der menschlichen Individualität über den Tod hinaus ist vielmehr eine Option, die durch die biologischen Vorgänge im lebenden Individuum schon vorgezeichnet ist. Schon der lebende Mensch überdauert ja als Individuum den Verlust seiner materiellen Substanz durch den Stoffwechsel.

Wobei wir uns allerdings bewusst machen müssen, dass alle Aspekte unseres Menschseins in die oben genannte Beziehungs-Existenz eingeordnet sind (siehe Beitrag 3, Abschnitt 4 „Das Menschsein als Existenz in Beziehung“). Erst in der Beziehung zu dem, der uns gewollt und geschaffen hat, und durch dessen Liebe unser Menschsein gestaltet wurde, ist es möglich, dass die Gesamtheit der Information, die unsere Persönlichkeit ausmacht, bei ihm „eingeschrieben“ ist.

Das ist ja auch bei menschlichen Beziehungen eine ganz selbstverständliche Erfahrung: Wenn ein vertrauter und geliebter Mensch stirbt, so ist er auch bei uns Menschen nicht von einer Sekunde auf die andere ausgelöscht. Vielmehr bleibt er in unserer (menschlichen) Erinnerung lange Zeit gegenwärtig. Warum sollte man sich dann nicht vorstellen können, dass ein Mensch (in viel umfassenderer und unlöschbarer Weise) in der „Erinnerung“, also im Innersten Gottes „eingeschrieben“ sein kann und in seinem liebenden „Herzen“ gegenwärtig bleibt, auch wenn er körperlich gestorben ist. Bei Gott ist und bleibt unser „Ich“ unverlierbar gegenwärtig.

Dabei müssen wir aber davon ausgehen, dass bei Gott nur jene Anteile unserer Persönlichkeit angenommen und „eingeschrieben“ werden können, die dem Wesen Gottes entsprechen. 1. Joh 4,16: Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. Die Liebe, als real und handfest tätige Ausdrucksform wahren Menschseins (und das von ihr Geschaffene) „bleibt in Gott“, d. h. sie ist unvergänglich, unzerstörbar, ewig, weil sie die „Substanz“ und das „Wesen“ Gottes ist und deshalb ohne jeden Bruch zu ihm kommen und mit ihm vereint sein kann. (Siehe das Thema „AhaBaH – das Höchste ist Lieben“). Die Liebe, die Gott selbst in ein Menschenleben investiert und durch Tod und Auferstehung Jesu besiegelt hat, kann nicht wieder verloren gehen.

Mt 6, 19-21: „Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen, und wo die Diebe einbrechen und stehlen. Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen“. Was sind diese unvergänglichen „Schätze im Himmel“? (1. Kor 13,8): „Die Liebe hört niemals auf“, d. h., sie ist unvergänglich, bis über den Tod hinaus. Jede Manifestation von Liebe, also jedes Denken, Reden und Tun aus einer Grundhaltung des Miteinander und Füreinander, (unabhängig davon, ob wir selbst die Gebenden oder die Empfangenden sind) hat Ewigkeitswert (weil es „in Gott bleibt“) und es bleibt auch über den Tod hinaus unzerstörbar mit unserem Leben und unserer Person verbunden.

Leider bestehen aber unsere Person und unsere Lebensgeschichte nicht nur aus Manifestationen von Liebe, sondern auch aus Manifestationen von Egoismus (Gleichgültigkeit, Lieblosigkeit, Ablehnung, Habgier, Machthunger, Bosheit, Gewalt und Hass). Und auch die sind untrennbar mit unserer Lebensgeschichte und unserer Person verbunden. Wie könnten wir so (belastet und verunstaltet durch das Böse unseres Lebens) je zu Gott kommen und bei ihm bleiben? Bei Gott kann doch nichts bestehen, das seinem eigenen Wesen fundamental widerspricht! Auf welcher Grundlage sollte denn dann unser Leben über den leiblichen Tod bewahrt bleiben? 1. Kor 3, 11-15: Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. Wenn aber jemand auf den Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh, so wird das Werk eines jeden offenbar werden. Der Tag des Gerichts wird’s klar machen; denn mit Feuer wird er sich offenbaren. Und von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen. Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen. Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch.

Wir sehen: Nicht Menschen werden im Gericht Gottes vernichtet, aber manche ihrer „Werke“. In der Glut der Liebe Gottes kann nichts erhalten bleiben, das aus einer Grundhaltung des Egoismus (aus Gleichgültigkeit, Lieblosigkeit, Ablehnung, Habgier, Machthunger, Bosheit, Gewalt und Hass) hervorgegangen ist. Das wird als wertloses „Stroh“ verbrennen. Und solange das schuldhaft Böse unseres Lebens mit unserer Person und unserer Lebensgeschichte untrennbar verbunden ist (und das ist es ja immer!), wird es uns auch als ganze Person mit in die Vernichtung reißen. Es ist die alles entscheidende Frage unseres Lebens und Sterbens, ob das schuldhaft Böse unseres Lebens so vollständig von unserer Person getrennt werden kann, dass dieses Böse zwar in der Glut der Liebe Gottes verbrannt wird (wie sollte denn etwas, das aus Gleichgültigkeit, Lieblosigkeit, Ablehnung, Habgier, Machthunger, Bosheit, Gewalt und Hass geschehen ist, in der Glut der Liebe Gottes Bestand haben?), dass es aber nicht unsere Person mit in die Vernichtung reißen kann (siehe das Thema „Schuld und Vergebung“).

Solche Trennung des Bösen von einer Person, die Böses getan hat, geschieht (und das ist unabhängig von allen religiösen Vorstellungen) durch Vergebung. Wenn jemand, an dem ich schuldig geworden ist, mir vergibt, dann bin ich von dieser Schuld „erlöst“. Wenn jemand, dem ich weh getan habe, den Schmerz, den ich ihm zugefügt habe, annimmt, nicht zurückschlägt, sondern mich liebevoll berührt, und ich nun meinerseits diese Berührung annehme, dann ist das Böse meines Verhaltens vergeben. Das Böse ist zwar geschehen, aber es ist nicht mehr als Schuld an meine Person gebunden.

Oder mit einem anderen „Bild“ ausgedrückt: Wenn ich jemandem etwas (heimlich oder gewaltsam) weggenommen habe, so habe ich diesen Gegenstand zwar jetzt, aber ich „habe“ auch das Schuldhafte dieser Tat. Sie gehört zu mir und daran würde sich auch nichts ändern, wenn ich das Gestohlene wegwerfen würde. Meine Tat bleibt Bestandteil meiner Person. Wirklich verändern könnte sich an dieser Tat-Sache nur dann etwas, wenn der Bestohlene sagen würde: „Ich schenke Dir diesen Gegenstand, er gehört nun dir.“ Dann ist alles anders: Meine böse Tat ist zwar geschehen (ich kann ja die Vergangenheit nicht ungeschehen machen), aber dass ich diesen Gegenstand habe, ist nun kein schuldhafter Zustand mehr; er ist ja nun mein rechtmäßiges Eigentum. So geschieht Vergebung.

Joh 3, 16: So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einziggeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde. Die „Sendung“ des Sohnes „in die Welt“ ist das Vergebungsangebot Gottes an alle Menschen. Gott selbst hat sich selbst, seine unerschütterlich vergebungsbereite Liebe ins Menschsein gestellt und aller menschlichen Bedürftigkeit, Schwachheit und Sterblichkeit unterworfen, ja, auch aller menschlichen Willkür, Bosheit und Gewalt ausgeliefert, damit alle Menschen Zugang haben können zu einer unverlierbar „eingeschriebenen“ Existenz in der Nähe und Liebe Gottes, die schon hier und jetzt beginnt und durch den Tod nicht abgebrochen werden kann. Jo 14 6: „Jesus spricht (…): Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater, denn durch mich.“ Hören wir darauf, was Jesus da sagt: Nicht durch eigene Anstrengungen, auch nicht durch unsere Glaubensleistungen kommen wir zum Vater, sondern durch ihn, der den Weg zeigt, die Wahrheit verkündet und zeitlich unbegrenztes Leben schenkt.

Wenn nun am Ende unseres Lebens durch die Liebe Gottes, die in der Person Jesu Mensch geworden ist, alles Böse unseres Lebens vergeben ist, gelöst und getrennt von unserer Person (zwar geschehen, aber nicht mehr uns belastend) dann wird zwar beim Eintreten in die Nähe und Glut der Liebe Gottes bei unserem körperlichen Tod alles Böse unseres Lebens „verbrennen“, ja, aber wir werden doch, zwar sehr armselig, aber selig, bei Gott ankommen. Wir sehen: Ein Leben, das auf dem Fundament der Beziehung zu Jesus Christus, der Mensch gewordenen Liebe Gottes (siehe oben 1. Kor 3) aufgebaut ist, kann nicht endgültig verloren gehen, aber es kann „Schaden leiden“. Vieles, was unser Leben ausgefüllt hat, kann im Tode verloren gehen, weil es nicht von der Liebe „vergoldet“ war (Siehe das Thema „Die Frage nach dem Leid“, Abschnitt 5 „Das Gold der Liebe“) und sich vor Gott als wertlos herausstellt. Wenn aber das schuldhaft Böse unseres Lebens auf der Grundlage unserer Beziehung zu Jesus Christus durch Vergebung unserer Schuld von unserer Person getrennt wurde, dann können wir als Person bei Gott „eingeschrieben“ sein und wird unsere Individualität gerettet werden und erhalten bleiben, auch wenn das Böse unseres Lebens im Feuer des Gerichts verbrennt.

Wenn aber nun ein Mensch bewusst keine Beziehung haben will zu dem Einzigen, bei dem seine Individualität bewahrt bleiben könnte (zu dem Gott, der ihn geschaffen hat), so ist es ganz selbstverständlich, dass sein „Name“ auch nicht in der Ewigkeit der Liebe Gottes eingeschrieben sein kann. Gott wird gewiss niemanden gegen seinen Willen vereinnahmen. Niemand (außer jeder Einzelne für sich selbst) könnte verhindern, dass wir zu Gott kommen und in der Ewigkeit seiner Liebe leben. Nur ein Mensch, der es bewusst ablehnt, bei Gott „eingeschrieben“ zu sein, ist als ganzes Individuum in der Gefahr, im Tode verloren zu gehen.

Es macht also einen entscheidenden Unterschied, ob Menschen sich mit ihrer ganzen Existenz auf Jesus, auf den von Gott gesandten Messias Israels und Heiland der ganzen Menschheit gründen: Diejenigen, die sich ihm anvertrauen und deshalb bei Gott „eingeschrieben“ sind, bleiben auch im Tod als Individuen erhalten, obwohl vieles, was ihr Leben ausgemacht hat, als wertloses, weil nicht von der Liebe vergoldetes „Stroh“ im Feuer des Gerichts verbrennt.

Diejenigen aber, die bewusst nicht auf dem Grund eines Christus-Glaubens leben wollen, und die nicht bei Gott als Individuen „eingeschrieben“ sein wollen (obwohl sie die Botschaft des Evangeliums gehört und die Liebe Gottes erfahren haben), sind in der Gefahr, dass ihre Individualität als Ganzes vom Tod gelöscht wird (so wie sie es ja selbst glauben!). Aber auch da noch bleiben die Manifestationen der Liebe, die es ja auch in ihrem Leben gibt, namenlos, aber nicht wirkungslos als „Ewigkeitswert“ erhalten. Alles, was je im Leben eines Menschen von der Liebe bewegt war (als Gebender oder als Empfangender, als Glaubender oder als Atheist), bleibt bei Gott ewig „eingeschrieben“ als „Ebenbild“ seiner Liebe. (Siehe das Thema „AHaBaH – Das Höchste ist lieben“.)

Der körperliche Tod ist das Ende des biologischen Lebens, ja, aber er ist zugleich auch der Beginn von etwas Neuem, in welchem das Alte eine Fortführung und Erneuerung erfahren kann, die weit über die materiell-biologische Existenz hinausgeht. Im Lebensraum der Liebe Gottes wird unsere Individualität nicht nur aufbewahrt wie in einem Museum, sondern bestätigt und gefestigt und aufgebaut und zu ihrer vollkommenen Entfaltung, Erneuerung und Vollendung geführt. Als Grundlage dafür und als Fundstelle für das „Gold der Liebe“ in dieser materiellen Schöpfung hat Gott das Leben geschaffen und das Menschsein und dazu hat er die Überwindung des Todes bei der Erschaffung und Berufung des Menschseins schon in Gang gesetzt.

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7 Wegkreuzung zwischen Leben und Tod

Im Lukasevangelium (Kapitel 7, Verse 11-16) wird uns von einer ungewöhnlichen und sehr eindrücklichen Begebenheit berichtet:

Und es begab sich danach, dass er (Jesus) in eine Stadt mit Namen Nain ging; und seine Jünger gingen mit ihm und eine große Menge. Als er aber nahe an das Stadttor kam, siehe, da trug man einen Toten heraus, der der einzige Sohn seiner Mutter war, und sie war eine Witwe; und eine große Menge aus der Stadt ging mit ihr. Und als sie der Herr sah, jammerte sie ihn, und er sprach zu ihr: Weine nicht! Und trat hinzu und berührte den Sarg, und die Träger blieben stehen. Und er sprach: Jüngling, ich sage dir, steh auf!

Man muss sich diese Szene einmal vorstellen: Da heißt es zunächst (Vers 11): Und es begab sich danach, dass er (Jesus) in eine Stadt mit Namen Nain ging (oder gerade hineingehen wollte); und seine Jünger gingen mit ihm und eine große Menge. Wir sehen: Da waren allerhand Leute unterwegs. Und dann (Vers 12): Als er aber nahe an das Stadttor kam (es war also eine Stadt mit einer Stadtmauer drum herum und einem Stadttor), siehe, da trug man einen Toten heraus, der der einzige Sohn seiner Mutter war, und sie war eine Witwe; und eine große Menge aus der Stadt ging mit ihr.

Die Szene wirkt wie eine filmreife Inszenierung: Da will gerade eine große Menge in die Stadt hinein und in diesem Augenblick kommt eine ebenso große Menge und will aus der Stadt heraus, und an dem Nadelöhr am Stadttor begegnen sich diese beiden Menschenmengen. Der eine Zug, der in die Stadt hinein will, ist fröhlich und laut und bunt durcheinander, der andere, der hinaus will, geht gemessenen Schrittes, immer zwei und zwei, hinter den Trägern mit dem Toten her, still, nur unterdrücktes Weinen und Klagelaute sind zu hören. Und am Stadttor begegnen sie sich: Begegnung zwischen Leben und Tod.

Und da gehört es sich ja doch wohl, dass die, die hinein wollen, die Lauten und Bunten, dass die jetzt auch still sind und zur Seite treten und den Trauerzug vorbeilassen. Das ist ja wohl das Mindeste. Der Tod hat Vorfahrt. Und die Trauer, und das Mitgefühl mit dieser armen Frau. Die hat eben ihren einzigen Sohn verloren. Und nicht nur das, sie ist Witwe, das heißt, sie hat niemand mehr. Niemanden, der sich um sie kümmert, niemanden, der sie versorgt. Sie wird betteln gehen müssen, es gibt ja noch keine Witwenrente und noch nicht mal Hartz IV!

Und tatsächlich: Die Lauten werden leise, schweigend treten sie zur Seite. Den Tod kann man nicht aufhalten. Da kann man nur zur Seite treten und froh sein, dass es einen anderen getroffen hat. Da kann man noch so fröhlich und laut sein, oder so reich und mächtig, so intelligent und gebildet, so bekannt und berühmt, den Tod kann keiner aufhalten, dem müssen sich alle unterordnen.

Alle, bis auf einen.

Einer tritt nicht still zur Seite, als der Tod kommt. Aber was macht der da? Der geht auf die Träger zu, berührt die Bahre, auf der der Tote liegt. Was will der da? Will er die Totenruhe stören? Die Menschen, die in die Stadt hineindrängen, sind ebenso entsetzt, wie die Menschen im Trauerzug, die aus der Stadt herauskommen.

Jesus spricht den Toten an: Jüngling, ich sage dir, steh auf! Aber das geht doch nicht. Das geht aus zweierlei Gründen nicht. Erstens gehört sich so etwas nicht. Man unterbricht nicht die feierliche Stille angesichts des Todes. Und zweitens kann man einen Toten nicht ansprechen. Ein Toter ist tot, aus vorbei, da geht nichts mehr. Oder will der da ein Prophet sein wie Elia? Von Elia erzählt man ja, dass er einen Knaben, auch das einzige Kind einer Witwe, wieder ins Leben zurückgeholt hat. Aber der war eben erst gestorben, war sozusagen noch auf der Grenze zwischen Leben und Tod. Aber bei dem Toten hier ist das anders, der ist schon unterwegs zum Grab, der ist schon richtig tot, da hilft auch kein Elia mehr.

Hier, am Stadttor von Nain, begegnen sich Leben und Tod. Es sind zwei Menschenwege, die da zusammentreffen. Es sind zwei Wege, die in jedem Menschenleben zusammentreffen. Jeder Mensch geht von der ersten Minute seines Lebens an unaufhaltsam und unausweichlich seinem Tode entgegen. Wir alle, jung und alt, ohne Ausnahme, sind, wie dieser Jüngling von Nain, unterwegs zu unserem Grab. Ob wir das wollen oder nicht. Das ist die Wahrheit! Die Wahrheit über unserem Leben.

Und Jesus trat hinzu und berührte den Sarg, und die Träger blieben stehen. Und er sprach: Jüngling, ich sage dir, steh auf! Und der Tote richtete sich auf und fing an zu reden, und Jesus gab ihn seiner Mutter. Und Furcht ergriff sie alle, und sie priesen Gott und sprachen: Es ist ein großer Prophet unter uns aufgestanden, und: Gott hat sein Volk besucht.

Wir alle, jung und alt, ohne Ausnahme, sind, wie dieser Jüngling von Nain, unterwegs zu unserem Grab (ob wir uns dessen bewusst sind und das wollen oder nicht). Das ist die Wahrheit! Seit unserer Geburt ist unser Tod das gewisseste Ereignis unseres Daseins. Aber das ist nur die eine Hälfte der Wahrheit. Die andere Hälfte ist genau so wahr: Wir alle, ohne Ausnahme, sind auch unterwegs vom Tod zum Leben. Wir alle gehen dem kommenden Gottesreich entgegen, wo es keinen Tod mehr geben wird, keine Krankheit und kein qualvolles Sterben.

In jedem Menschenleben kreuzen sich der Weg zum Tod und der Weg zum Leben. Und der Kreuzungspunkt wird (so wie bei diesem Ereignis in Nain) genau da sein, wo wir Jesus begegnen. Da wird sich entscheiden, ob es endgültig ein Weg zum Leben sein wird oder endgültig ein Weg zum Tod. Das heißt: die entscheidende Stelle unseres Daseins als Mensch ist nicht der Tod, ist nicht der Augenblick, wo ein Herzinfarkt oder ein Krebs oder ein Autounfall unser Leben beendet. Der entscheidende Augenblick unseres Daseins ist die Begegnung mit Jesus. Ob wir uns da von ihm ansprechen lassen. Egal in welcher Situation wir gerade sind, ob alt oder jung, traurig oder fröhlich, einsam oder frisch verliebt … oder sogar schon jenseits der Grenze des Todes wie dieser junge Mann aus Nain.

Jeder Mensch, ob sie Christen sind oder Juden, wie die Menschen aus der Stadt Nain damals, oder Heiden aus irgendwelchen anderen Völkern und Religionen, oder Atheisten, jeder wird einmal, oder auch mehrmals, so eine Begegnung mit Jesus haben. Viele, wir als Christen sowieso, aber auch viele andere Menschen werden diese Begegnung mit Jesus zu ihren Lebzeiten haben. Und dann kommt es darauf an, wie wir uns entscheiden. Gehen wir weiter auf dem Weg zum Tod oder wenden wir unser Leben und schließen uns Jesus an, der uns den Weg zum Leben führt.

Andere, wie dieser Jüngling aus Nain und viele andere Menschen, die zu ihren Lebzeiten nie die Gelegenheit hatten, Jesus zu begegnen, die werden diese Gelegenheit nach ihrem irdischen Sterben haben. Im ersten Petrusbrief heißt es, dass Jesus auch noch den Toten „gepredigt“ hat, also dass er ihnen noch im Totenreich die frohe Botschaft, das Evangelium verkündigt hat und sie dann noch die Möglichkeit hatten, sich zu entscheiden (1. Petrus 3, 18-20). Hier am Stadttor von Nain zeigt sich, dass Jesus auch Menschen, die schon gesorben sind, noch ansprechen kann und die ihn hören!

Ganz Schlaue unter uns fragen sich vielleicht jetzt: Na ja, wenn man auch nach seinem Tod noch Jesus begegnen kann und dann noch auf den Weg des Lebens umkehren kann, dann brauche ich mir jetzt um solche Sachen noch keine Gedanken machen. Dann lebe ich jetzt erst mal wie es mir passt und alles andere hat noch viel Zeit. Nun, ich bezweifle, dass diese Schlauen wirklich so sehr schlau sind.

Erstens ist es ja gar nicht sicher, dass diejenigen, die schon hier in diesem Leben die Gelegenheit hatten, Jesus zu begegnen, aber nicht umgekehrt und ihm nicht nachgefolgt sind, ob die im Tod noch einmal diese Möglichkeit haben. Es könnte ja auch sein, dass diese Möglichkeit nur denen vorbehalten ist, die zu Lebzeiten Jesus nicht kennenlernen konnten.

Und zweitens: Ist es denn wirklich so schlau, die Umkehr vom Tod zum Leben, die Lebenswende mit Jesus, immer weiter hinauszuschie­ben, und die ganze Zeit so zu leben, als wäre der Tod das einzige Gewisse in unserem Leben und danach wäre alles aus? Macht denn das, diese ausschließliche Fixierung auf die kurze Zeitspanne des Lebens,  die der kommende Tod beenden wird, das Leben wirklich so viel schöner und lebenswerter?

Ob vor oder nach dem Tod, alle werden Jesus begegnen. Und immer wird es darauf ankommen, dass die Begegnung mit Jesus zu einer Lebenswende wird, so wie bei dem jungen Mann aus Nain. Dramatischer kann man sich ja eine Lebenswende gar nicht vorstellen: Ein Toter auf dem Weg zum Grab kehrt um zum Leben. Aber genau das ist es, worum es für uns alle geht. Wir alle, die wir unterwegs sind zu unsrem Grab, begegnen Jesus und da kann die entscheidende Wende unseres Daseins geschehen. Der Weg zum Tod wird abgebrochen und es geschieht eine Lebenswende hin zum Leben, zu einem Leben, das über den Tod hinausreicht.

Ich habe eben bewusst gesagt: Es kann geschehen, es muss nicht. Stellen Sie sich vor, dieser Jüngling aus Nain hätte sich wieder auf die Bahre gelegt und hätte darauf bestanden, dass die Totenträger weitergehen bis zum Friedhof, schließlich war das Grab ja hergerichtet und der Leichenschmaus bestellt und tot bleibt tot, und hätte darauf bestanden, dass er ins Grab gelegt und mit Erde zugeschaufelt wird.

Unsinnig, völlig absurd, so etwas auch nur zu denken. Und dennoch gibt es Tausende, ja Millionen von Menschen, die denken nicht nur so, die handeln auch genau so! Sie sind, ob es ihnen bewusst ist oder nicht, unterwegs zu ihrem Grab und da begegnet ihnen Jesus (in einem Bibelwort, in einer Predigt, in einem gläubigen Menschen, oder wie auch immer) und bietet ihnen die Lebenswende an: Umkehr vom Weg zum Tod auf den Weg zum Leben. Und sie sagen: Ach was, das ist doch alles Quatsch, Geschichten für kleine Kinder. Tot ist tot.

Aber kann es denn wirklich sein, dass ein Mensch umkehren kann auf seinem Weg zum Tod? Sagt uns nicht unsere Erfahrung, dass das eben doch nicht möglich ist? Wie oft waren wir denn schon am Grabe eines Menschen gestanden, eines Menschen, der uns etwas bedeutet hat, und wir mussten ihn eben doch ins Grab legen und Erde drauf schütten? Ist das nicht doch nur ein schöner Wunschtraum, dass wir noch einmal umkehren könnten und das Leben noch einmal beginnen, und dann würden wir natürlich alles besser machen als beim ersten mal? Ja, das wäre wirklich ein naiver und dummer Wunschtraum und der hätte mit der Wirklichkeit des biblischen Glaubens nichts zu tun.

Hier geht es um etwas ganz anderes: Ein Mensch, der auf dem Weg zum Tod ist, begegnet Jesus. Er begegnet dem Einzigen, der nicht selbst auf dem Weg zum Grab ist, sondern auf dem Weg zum Leben, zum wahren Leben. Jesus kommt von Gott und er geht zu Gott und in ihm ist ewiges Leben schon hier und heute gegenwärtig und nah. Jesus ist nicht unterwegs zum Grabe sondern unterwegs zu Gott. Das Grab konnte ihn nicht festhalten am Ostermorgen. Er ist auferstanden von den Toten. Und er ruft seinen Jüngern zu „Folgt mir nach“. Folgt mir nach auf diesem Weg, auf dem Weg zum Leben! Wer mit Jesus geht, wer ein Jünger, ein Nachfolger Jesu wird, der ist nicht mehr unterwegs zum Grab, sondern unterwegs zu Gott. Das ist die Lebenswende die Jesus uns anbietet.

Und das ist nicht eine fromme Wunschvorstellung, die uns den Gedanken an den Tod etwas leichter und erträglicher machen soll, sondern Realität, eine Realität, die schon mitten im Leben beginnt. Wenn wir mit Jesus gehen, wird unser Menschsein verändert, hier und jetzt – nicht erst im Jenseits. Man kann nicht jahrelang mit Jesus gehen, ohne dabei verändert zu werden. Und wenn es so wäre, dann müssten wir uns fragen, ob mit unserer Jesusnachfolge etwas nicht stimmt. Wenn wir mit Jesus gehen, wenn wir uns mit aller Konsequenz an den halten, der nicht den Weg zum Tode geht sondern den Weg zum Leben, zum ewigen Leben, dann werden wir, als Einzelne und als gläubige Gemeinschaft, verändert und verwandelt und wir werden – bei aller menschlichen Schwäche und Unzulänglichkeit – Jesus ähnlicher werden und dann wird etwas von der Wirklichkeit des Himmels gegenwärtig und ganz real wirksam in unserem irdischen Leben, etwas was nicht stirbt, wenn unser biologische Leben zu Ende geht. (Siehe das Thema „Zeit und Ewigkeit“, Beitrag 6 „Ewiges Leben“.

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4 Tod und ewiges Leben

1. Mose 3, 22-24: Und Gott der HERR sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner und weiß, was gut und böse ist. Nun aber, dass er nur nicht ausstrecke seine Hand und breche auch von dem Baum des Lebens und esse und lebe ewiglich! Da wies ihn Gott der HERR aus dem Garten Eden, dass er die Erde bebaute, von der er genommen war. Und er trieb den Menschen hinaus und ließ lagern vor dem Garten Eden die Cherubim mit dem flammenden, blitzenden Schwert, zu bewachen den Weg zu dem Baum des Lebens.

So lesen wir es am Anfang der Bibel in der Urgeschichte des Menschseins. Gott weist das Menschenpaar, dem er seine besondere Zuwendung, den Hauch seiner Liebe, anvertraut hatte (1. Mose 2, 7), aus dem Garten und verwehrt ihm den Zugang zum Baum des Lebens, und zwar mit der Begründung, dass Adam und Eva nicht für immer leben sollen: Und nun, dass er nur nicht ausstrecke und nehme auch noch vom Baum des Lebens und esse und lebe für immer.

Wie sollen wir das verstehen? Waren denn beide ursprünglich unsterblich im Paradies? Nein, natürlich nicht, ebenso wenig wie alle anderen Lebewesen auch. (Siehe das Thema „Adam, wer bist du?“, Abschnitte 1 „Adam, der erste Mensch?“ und 2 „Adam, der neue Mensch“.) Sie waren nicht biologisch unsterblich, aber spirituell unverlierbar im „Herzen“ Gottes „eingeschrieben“. Dadurch hatten sie schon in ihrem irdischen Leben einen offenen Zugang zur himmlischen Welt Gottes. Sie hatten durch den Lebenshauch der Liebe Gottes (die Neschamat 1. Mose 2,7) schon den Atem der Ewigkeit in sich, hatten durch den Geist der Liebe schon die Lebenskraft des Himmels mitten in ihrem irdischen Dasein gegenwärtig. So hätten sie bei ihrem irdischen Sterben leicht und ohne existenziellen Bruch in die himmlische Realität der unverhüllten Gottesgegenwart gehen können. Denn wenn die Liebe zum Lebenselement des Menschseins wird, dann wird unsere irdische Existenz der himmlischen Wirklichkeit Gottes ähnlicher, und dann verliert die Grenze des Todes, die irdisches und himmlisches Leben voneinander trennt, ihre Kälte und Schärfe.

Adam und seine Frau Eva hätten schon mitten im Irdischen ein Leben führen sollen (und können!), das sie mit dem Wesen Gottes und mit der Realität der himmlischen Welt ganz nah in Berührung bringt, so nah, dass sie von einer Realität in die andere hätten wechseln können, wie man ein Kleidungsstück wechselt, oder wie man in einem großen Haus von der Werkstatt in den Festsaal geht. Und das gilt grundsätzlich für jedes Menschenleben seit der Einhauchung des Geistes Gottes in Adam, die er für alle seine Nachkommen empfangen hatte und die er an sie alle weitergeben sollte.

Als dies gescheitert war (und auch bei uns immer wieder scheitert), wurde für sie der Tod, wie für uns alle, zum Feind und Zerstörer des Lebens, weil das Leben, das sie nun führten (und wir jetzt führen), nicht „kompatibel“ war (und auch bei uns heute nicht ist) mit den Lebensweisen des Himmels. Seitdem bedeutet der Tod Zerbruch des Menschseins, der mit menschlichen Möglichkeiten nicht geheilt werden kann. Nur Gott selbst kann unser Leben so erneuern, dass es im Einklang steht mit der Lebens- und Liebesordnung des Himmels. Was wäre denn, wenn es den Pharmakonzernen gelänge, eine chemische Formel zu entwickeln, die das Leben der Menschen um ein Vielfaches verlängern könnte? Wem würden sie diese „Lebens-Pille“ verkaufen, wem verweigern? Die Reichen und Mächtigen dieser Erde wären Herren über das Leben und könnten vom Baum des Lebens „essen“ so viel sie wollten; und die Verlängerung des Lebens wäre nicht mehr als eine Verlängerung der Bosheit und des Leidens.

Nein, Gott will nicht, dass wir uns „ausstrecken“ nach dem Baum des Lebens, um unser Leben hier „für immer“ zu verlängern, solange dieses Leben nicht so verändert und erneuert wird, dass es der von Gott gegebenen Berufung des Menschseins entspricht (siehe das Themenheft „Die Frage nach dem Sinn“, Abschnitt 4 „Die Berufung des Menschseins“).

Nein, Gott will nicht, dass der Mensch „für immer“ in einer vom Bösen beherrschten und geknechteten Welt leben muss. Der Mensch darf nicht ewig leben, weil er sonst ewig dort leben müsste. Jetzt war für Adam – wie für uns alle auch – der Tod (in seiner Funktion als Feind und Zerstörer des Lebens) der einzige Weg, der aus dieser wunderschönen, aber eben auch bösen und ihrer verheißenen Vollendung entfremdeten Welt hinausführt in die Ewigkeit der liebenden Nähe Gottes.

Ich glaube an (…) die Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben. So bekennen wir im Apostolischen Glaubensbekenntnis (siehe auch das Thema „Schuld und Vergebung“). Dabei müssen wir noch eine Unterscheidung vornehmen: Als Jesus den verstorbenen Lazarus ins Leben zurückholte, oder den Jüngling am Stadttor von Nain, da war das eine Auferweckung in das irdische Leben, das wie jedes andere irdische Leben wieder dem (biologischen) Tode entgegenging. Jesu Auferstehung am dritten Tage nach seiner Kreuzigung dagegen war eine Auferstehung in das himmlische Leben, das nicht mehr dem Tode verfallen ist. Diese Auferstehung Jesu ist das Vor-Bild für die Überwindung des Todes, die uns in seiner Nachfolge verheißen ist.

Jo 11, 25 (vor der Auferweckung des Lazarus): Jesus spricht zu ihr (Marta): Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt. Menschen, die an Jesus glauben, sterben – wie alle anderen Menschen auch, aber sie sterben den biologischen Tod als Durchgang in ein neues, umfassenderes spirituelles Leben im Lebensraum der Liebe Gottes.

Dieses „spirituelle“, das heißt geisterfüllte Leben, ist nicht etwas gänzlich Neues, das mit unserem gegenwärtigen irdischen Leben nichts zu tun hätte. Es ist die Weiterführung, Entfaltung und Vervollkommnung des geisterfüllten Lebens, das ein Mensch schon vor seinem Tod in seiner irdisch-biologischen Lebenszeit begonnen hat. Das mag, wenn es von allen irdischen Zutaten, aller Schönheit und Kraft, allen Ämtern und Titeln, allen Erfolgen und Ehrungen, allem Besitz und aller Macht entblößt ist, sehr arm und dürftig aussehen, aber es kann bei Gott zu dem heranreifen, was von allem Anfang an die Berufung allen Menschseins ist: 1. Mose 1, 27: Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn.

Körperlicher Tod und ewiges Leben sind kein Widerspruch. Freilich hat „ewiges Leben“ wie es in der Bibel gemeint ist, nichts zu tun mit der romantischen Vorstellung einer unsterblichen „Seele“, die irgendwo verborgen im Körper eines Menschen wohnt wie in einem Gefängnis und die dann, beim Tod eines Menschen, befreit aufsteigt wie ein Rauchwölkchen in den Abendhimmel. Nein, so nicht! In der Ewigkeit bei Gott wird unser ganzes Menschsein gegenwärtig sein, mit unserer ganzen individuellen Lebensgeschichte und unserer je individuellen Ausformung des biologischen, geistigen und ethischen Erbes der Menschheit, aber befreit von allem, was unser Leben belastet, verunstaltet und zerstört hat.

Ja gewiss, der leibliche Tod ist und bleibt etwas Schmerzhaftes und Zerstörerisches. Und es hat keinen Sinn, so zu tun, als würde das gläubige Christen nicht betreffen. Nein, auch Christen sterben oft einen schmerzhaften und leidvollen Tod.

Dort aber, wo Menschen ihren Lebensweg mit Jesus gehen, hin zu Gott und hin zu seinem Reich, in dem der Tod keine Macht mehr hat, und dort, wo im Miteinander von Menschen etwas – und sei es noch so gering und fragwürdig – etwas vom Menschsein als Ebenbild der Liebe Gottes sichtbar, etwas von der Güte seines Wesens erfahrbar, etwas von der Treue seiner Zuwendung verwirklicht wird, dort kommt uns die Wirklichkeit des Himmels mitten in dieser Welt näher, dort wird die Grenze des Todes, die Grenze zwischen Diesseits und Jenseits dünner und durchlässiger, dort wird der Schritt von der irdischen zur himmlischen Welt kleiner und leichter, dort kommt die himmlische Zukunft unserer irdischen Gegenwart offener und unmittelbarer entgegen, dort wird das Irdische dem Himmlischen ähnlich, und beide berühren sich in einer Schnittfläche lebenswarmer Vertrautheit.

Jesus sagt: Ich bin der Weg, und die Wahrheit und das Leben. Wenn wir mit ihm gehen, dann sind wir auf dem Weg vom Tod zur Ewigkeit, auf dem Weg zur Wahrheit über unser eigenes Menschsein, und auf dem Weg des Lebens, das bei Gott ankommt. Fürchte dich nicht, sagt Gott, der Schöpfer des Lebens, fürchte dich auch nicht vor dem Tod, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bis mein.

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Bodo Fiebig Der TOD und ICHVersion 201

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