Bereich: Grundfragen des Lebens

Thema: gut und böse

Beitrag 1: Die Realität (Bodo Fiebig27. November 2017)

Ich weiß: Es ist heutzutage nicht opportun, die Begriffe „gut” und „böse” zu verwenden. Das sind doch Zuschreibungen, ja Werturteile aus längst vergangener Zeit; wie unmodern das klingt! So etwas sagt man einfach nicht, wenn man ernst genommen werden will. Ich tue es hier trotzdem, und zwar deshalb, weil es in der Realität unseres Lebens Einstellungen und Verhaltensweisen gibt, auf die diese Werturteile zutreffen und weil solche Einstellungen und Verhaltensweisen von entscheidender Bedeutung sind, wenn es um das Leben und das Zusammenleben von Menschen geht und um das Überleben der ganzen Menschheit.

Aber: Ist denn das wirklich so eindeutig zu benennen und so sicher voneinander zu unterscheiden, das, was man „gut“ nennen könnte und das, was man „böse“ nennen müsste? Kann nicht etwas, was für mich gut ist, sich für einen anderen sehr böse auswirken (und umgekehrt)? Definiert nicht jeder das, was er oder sie „gut“ nennt (oder „böse“) aus der Perspektive des eigenen Vorteils oder Nachteils, beurteilt es nach dem eigenen Wohl oder Wehe?

Wir merken: Wir müssen noch genauer hinsehen.

1 Die Realität von gut und böse

Die unbelebte Natur (Stein, Wasser und Luft …) kann weder gut noch böse sein, sie existiert einfach, ohne Bewusstsein und Willen. Wenn im Gebirge unvorhersehbar ein Fels abbricht, Häuser zerstört und Menschen tötet, dann ist das schlimm, aber nicht böse. Die unbelebte Natur ist da und alles, was geschieht, geschieht an ihr und in ihr ohne gute oder böse Absicht. Gut und böse sind keine Kategorien, die auf sie anwendbar wären.

Auch die belebte Natur ist weder gut noch böse. Sie lebt, und damit sie leben kann und das Leben immer weitergehen kann, muss in den Kreisläufen des Lebens das dafür geeignete Material immer wieder „recycelt“ werden durch Sterben und Neugeburt, durch Fressen und Gefressen-Werden, ein Werden und Vergehen, durch das insgesamt in Jahrmillionen die organische Substanz auf unserer Erde vermehrt und in immer komplexeren Lebensformen organisiert wurde.

Das Böse, das ist auch nicht der „Kampf ums Dasein“, in dem alles Leben um sein Lebensrecht ringen muss und wo ein Lebewesen das andere tötet, um selbst zu überleben. Wenn die Katze eine Maus jagt und frisst, dann ist das nicht böse, sondern ein natürliches, instinktgesteuertes Verhalten, für das die Katze nicht verantwortlich zu machen ist.

Trotzdem kann ja niemand leugnen, dass es auch das Böse gibt, das Böse als etwas bewusst Böswilliges. Unsere Erde ist voll davon. Nicht nur bei den großen Menschheitsverbrechen und Kriegen (da wird es nur besonders grell sichtbar). Wenn auch nur für zehn Sekunden der Vorhang der Heimlichkeit weggezogen würde und wir könnten für diese wenigen Sekunden wahrnehmen, was gerade jetzt rund um diesen Globus alles geschieht an Bosheit, Verbrechen und Grausamkeit, an Missachtung, Misshandlung und Missbrauch, an Betrug, Erpressung und Verleumdung, an Unrecht, Unterdrückung und Ausbeutung, an Gewalt, Folter und Mord, wir könnten es nicht ertragen, nicht einmal ein Tausendstel davon.

Aber nicht nur das Böse geschieht, sondern auch das Gute. Wenn auch nur für zehn Sekunden der Vorhang der Verborgenheit weggezogen würde und wir wahrnehmen könnten, was jetzt, in diesen wenigen Sekunden, rund um den Globus unter den Menschen an Gutem geschieht, an Freundlichkeit und Wertschätzung, an Zuwendung und Trost, an Unterstützung und Hilfeleistung, an Schutz und Fürsorge, an Treue und Hingabe, an Einsatz für Wohlergehen, Frieden und Gerechtigkeit auch für Andere, für Fremde, wir würden es nicht fassen können, nicht einmal ein Tausendstel davon.

Das wirklich Böse gibt es nur als bewusstes Wollen und Tun von Menschen.

Das wirklich Gute auch.

Das wirklich Gute geschieht da, wo ein Mensch einem anderen hilft, ohne einen eigenen Vorteil davon zu haben, wo einer von seinem Reichtum abgibt, damit ein Armer davon leben kann, wo einer für einen anderen eintritt, der zu Unrecht beschuldigt oder verfolgt wird, wo einer sein eigenes Vorankommen zurückstellt, um einen anderen zu fördern, wo einer freiwillig auf Macht und Ehre verzichtet, um für andere da zu sein, wo einer bewusst eigene Nachteile und eigenen Schmerz erleidet, um einen anderen zu schützen. Auch das gibt es ja und es ist viel häufiger, als wir manchmal denken.

Und das Böse, das geschieht da, wo ein Mensch in bewusster Böswilligkeit, einem anderen Menschen schaden und ihm weh tun will. Das wirklich Böse geschieht da, wo einer den anderen bewusst erniedrigt, um sich selbst zu erhöhen, wo einer den andern betrügt, um für sich einen Vorteil herauszuschlagen, wo einer den andern unterdrückt, um die eigene Macht auszuweiten, wo einer den andern beraubt, um Dinge an sich zu bringen, die er oder sie selbst zum Leben und Überleben nicht braucht, wo einer den andern verwundet und tötet, um den Triumph des Sieges auszukosten …

Wir können jetzt in aller Fragwürdigkeit und Vorläufigkeit eine Art „Definition“ von „gut“ und „böse“ wagen:

Mit „gut“ können wir alle Einstellungen, Vorhaben, Äußerungen, Handlungsweisen und Ziele von Menschen bezeichnen, auch menschengemachte Strukturen und Verhältnisse, die bewusst und aus vorwiegend uneigennützigen Motiven andere Menschen erfreuen, sie schützen und befreien, sie unterstützen und fördern, ihnen wohltun und helfen wollen.

Mit „böse“ können wir alle Einstellungen, Vorhaben, Äußerungen, Handlungsweisen und Ziele von Menschen bezeichnen, auch menschengemachte Strukturen und Verhältnisse, die bewusst und aus vorwiegend egoistischen Motiven anderen Menschen schaden und wehtun, sie ihrer Freiheit und ihres Eigentums berauben, sie erniedrigen und entwürdigen, sie körperlich oder seelisch verletzen, ja zerstören wollen.

Entscheidend ist das bewusste „Wollen“. Dass auch unbewusst und ungewollt Positives und Negatives geschieht, bleibt davon unberührt, aber das können wir nicht „gut“ oder „böse“ nennen.

Die Realität von „gut“ und „böse“ ist unbestreitbar. Die Frage ist, woher das Gute und das Böse kommen und wie heute und für die Zukunft das Gute bestärkt und gefördert und das Böse begrenzt und zurückgedrängt werden könnte. Drauf wollen wir in den nächsten Beiträgen genauer eingehen.

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