„Mann und Frau“, das aufregendste Thema und ewige Rätsel des Menschseins. Hier aber wollen wir dieses Thema erst einmal nüchtern und unaufgeregt angehen, indem wir nach den verschiedenen Gaben und Aufgaben des Frau-seins oder Mann-seins fragen.
Die moderne Forschung über Menschen-Gemeinschaften aus der Zeit vor der sogenannten „Landwirtschaftlichen Revolution“ (mit der auch die Sesshaft-Werdung der Menschen in wachsenden Siedlungen begann und die in vielen Welt-Gegenden nach und nach das Zeitalter der „Jäger und Sammler“ ablöste), zeigt immer deutlicher, dass damals das Verhältnis von Männern und Frauen noch nicht so einseitig zugunsten der Männer ausgebildet war. Das patriarchalische Prinzip der Herrschaft der Männer über die Frauen entstand wahrscheinlich erst, als sich allmählichen eine ortsfeste Lebensweise durch Landwirtschaft und Siedlungsbau durchsetzte. Die entscheidenden „Treiber“ dieser Entwicklung waren zunächst kaum erkennbar, ihre Auswirkungen aber um so deutlicher:
Erstens: Der Besitz. Bei Menschen-Gruppen, die den Übergang von nomadisierender Lebensweise als Jäger und Sammler zur sesshaften Landwirtschaft vollzogen hatten, gab es nun einen erweiterten Besitz (z. B. gerodetes und bearbeitetes Land (ein unschätzbarer Wert, in dem die Arbeit von Generationen steckte), dazu Häuser, landwirtschaftliche Geräte, Vorräte, Viehherden bei Hirtenvölkern …). Besitz, der selbstverständlich Begehrlichkeiten weckte.
Bis dahin hatten Menschengruppen, die als Nomaden von Lagerplatz zu Lagerplatz zogen und die dabei den Wanderungen ihrer bevorzugten Beute-Tiere folgten, nur so viel Besitz, wie sie selbst tragen konnten: Kleidung und Jagdwaffen, einige wenige Werkzeuge und Geräte, ihre Kleinkinder als kostbarste „Fracht“.
Eine nomadisierende Gruppe dagegen, die eine landwirtschaftliche Siedlung eroberte, setzte sich ins „gemachte Nest“. Eroberung war wesentlich einfacher und führte schneller zum Erfolg als eigene Anstrengungen zum Aufbau einer landwirtschaftlichen Siedlung. Das aber hatte zur Folge, dass die Verantwortung der Männer für die Verteidigung ihrer Familien, ihres Besitzes und ihrer Lebensgrundlagen nun eine wesentlich größere Bedeutung bekam. Die Folge: Die Männer einer Siedlung gewannen nun als Verteidiger der Familien und ihres Besitzes eine herausgehobene Stellung und wurden nach und nach zu deren „Herren“.
Zweitens: Die leichtere Ernährung. Das über viele, viele Generationen angesammelte und sehr umfangreiche Wissen der Frauen über alles, was in der Natur als Nahrung zur Verfügung stand, verlor an Bedeutung. Bis dahin war eine große Bandbreite an pflanzlicher Nahrung (Früchte, Blätter, Pilze, Wurzeln, Knollen …) und tierischer Nahrung (Insekten und Insekten-Larven, Kleingetier, Fische, Krebse, Eier …) nötig, um in jeder Jahreszeit die Sippe zu versorgen (eine nomadisierende Lebensweise ließ ja keine größere Vorratshaltung zu). Von ebenso großer Bedeutung war das Wissen der Frauen, wie man bestimmte Nahrungsbestandteile für längere Zeit (z. B. für den Winter oder die Trockenzeit) haltbar machen konnte z. B. durch trocknen, erhitzen, räuchern, fermentieren … Dabei machte die Jagd der Männer auf Großtiere wie Rehe oder Wildschweine oder gar einen Bären nur einen relativ kleinen Anteil der gesamten Nahrung aus, was die Bedeutung der Arbeit der Sammlerinnen noch vergrößerte. Dabei war die geschlechtliche Zuordnung (Männer = Jäger; Frauen = Sammlerinnen) keineswegs so durchgängig wie man lange meinte, sondern bezeichnet jeweils nur eine bevorzugte Zuordnung. Wo es notwendig war, jagten auch die Frauen und sammelten auch die Männer.
Nun aber, in einer landwirtschaftlich geprägten und sesshaft gewordenen Gesellschaft ernährte man sich hauptsächlich von den wenigen Pflanzenarten, die man selbst anbaute (Reis, Mais, Weizen, Hirse…), und von den wenigen Tierarten, die man selbst domestiziert hatte und züchtete (Schafe, Ziegen …). Das hatte zur Folge: Man lebte jetzt leichter, aber die Frauen waren nun nicht mehr die „Wissenden“, von deren Kenntnissen das Überleben der Gruppe im Winter oder in der Trockenzeit abhing, sondern sie wurden nach und nach so etwas wie „Arbeits-Tiere“ auf den Feldern der Gemeinschaften, in denen die Männer nun die tonangebende Rolle spielten.
Im 21. Jahrhundert, also in Gesellschaften, in denen Männer und Frauen gleichermaßen zur materiellen und emotionalen „Versorgung“ ihrer Familien beitragen und in denen die persönliche und gesamtgesellschaftliche Sicherheit durch die „Sicherheits-Organe“ des Staates (Polizei, Justiz) gewährleistet wird, kann die Gleichwertigkeit beider Geschlechter wieder zum unangefochtenem Prinzip werden. Männer, die immer noch eine Vorrangstellung für sich in Anspruch nehmen wollen, leben (gemessen an ihrem sozialen Menschenbild) schlichtweg im falschen Jahrhundert. (Das betont die Gleichwertigkeit, nicht die Gleichartigkeit der Geschlechter, und meint eben nicht, dass nur berufstätige Frauen den Männern gleichwertig seien!)
Zur Zeit der Jäger und Sammler (und das war in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit die weitaus größere Zeitspanne!) war die Zusammenarbeit der Geschlechter und Generationen noch viel unmittelbarer und von den Notwendigkeiten des Alltags und von den Herausforderungen des Lebens und Überlebens bestimmt. Und die jeweilige Besonderheit der Begabungen von Männern und Frauen (die auch heute noch weitgehend noch aus jener Zeit stammen), haben sich seitdem kaum verändert:
Noch immer sind Männer (jedenfalls durchschnittlich und aufs Ganze gesehen) körperlich stärker als Frauen, noch immer sind sie auf der Jagd nach Erfolgen, sind sachorientiert und auf eingeengte Aufgabenstellungen fixiert, noch immer sind sie so sehr auf vorgegebene Ziele fokussiert, dass sie viele andere Gegebenheiten aus den Augen verlieren, wenn sie einer bestimmten Fährte folgen. Das wäre auch gar nicht anders gegangen, wenn sie der Spur eines Rehes oder Wildschweins folgend die Urwälder durchstreiften, da mussten sie zäh und zielorientiert vorgehen.
Diese Eigenschaften sind aber auch noch heute aktiv, wenn Männer auf der Jagd sind, auf der Jagd nach Erfolg, als Manager oder als Fußballer, als Handwerker oder als Drogenhändler… Auch da sind sie sachorientiert, fokussiert, fixiert und kümmern sich wenig um die sozialen Bedingungen und die menschlichen und zwischenmenschlichen Folgen ihres Handelns. Ein extremes Beispiel: Der Kommandant des Vernichtungslagers Auschwitz, Rudolf Höss, war bis zuletzt, auch als er schon wegen seiner ungeheuerlichen Verbrechen als Angeklagter vor Gericht stand, noch stolz darauf (und hat das auch zum Ausdruck gebracht), wie perfekt und erfolgreich er die ihm übertragene Aufgabe der Ermordung von Millionen Menschen organisiert und durchgeführt hatte (und erwartete dafür Anerkennung!). Nun sind ganz gewiss nicht alle Männer mit solcher Gewissenlosigkeit gegenüber dem Leid anderer ausgestattet und mit solcher Blindheit gegenüber eigener Schuld, aber die Sachorientierung und Zielfixierung ihrer Vorgehensweisen kann auch heute noch dazu führen, dass sie die von ihrem Handeln betroffenen Menschen mehr oder weniger aus dem Blick verlieren (z. B. wenn sie erfolgreich an den internationalen Börsen mit den Auf und Ab der Preise von Lebensmitteln spekulieren, und dabei völlig ausblenden, dass ja von eben diesen Preisen das Leben und Überleben von Millionen von Menschen abhängen kann).
Ganz anders die Frauen, damals wie heute. Dass Frauen gerne untereinander Klatsch und Tratsch bereden, über die und den und welche mit wem, ist eine oft belächelte Nebenerscheinung ihres Wesens, die aber gleichzeitig eine ihrer besonderen Begabungen anzeigt: Ihre Fähigkeit, ihre Umwelt als soziales Beziehungssystem aufzufassen. Eben dieses soziale Beziehungssystem der erweiterten Familiensippe war ja jahrtausendelang ihr Aufgaben- und Wirkungsbereich! Sie (auch hier wieder im Durchschnitt und aufs Ganze gesehen) nehmen feinste Nuancen wahr im Verhalten, im Reden und in der Stimmung aller Personen im Nahbereich (die Fern-Bereiche lagen ja eher im Aufgabenfeld der jagenden Männer) und sie können daraus die Art und Intensität von Beziehungen und Beziehungsstörungen zwischen ihnen ablesen.
Während die Natur der Männer einem Pfeil gleicht, der sich den kürzesten Weg zum Ziel sucht, entspricht das Naturell der Frauen eher einer Trommel, die die Verstreuten zur Gemeinschaft ruft, deren gespanntes Trommelfell auf alle Schwingen aus allen Richtungen reagiert, die auch gern mal ihren eigenen Rhythmus dazwischen trommelt, um andere aus dem Takt zu bringen, die aber genau so gern alle zum gemeinsamen Tanz aufrufen will. (Das sind freilich Typisierungen, die der ganzen Bandbreite der Veranlagungen von Männern und Frauen nicht gerecht werden. Es gibt ja auf der weiten Skala der Eigenheiten und Fähigkeiten zwischen Männern und Frauen alle denkbaren Übergangsstufen; aber aufs Ganze und im Durchschnitt gesehen, entsprechen die oben genannten Schwerpunkte doch den tatsächlichen Verhältnissen.)
Beide Grundkompetenzen (Sach- und Zielorientierung der Männer und Beziehungsorientierung der Frauen) können nur dann ihre je eigenen Einseitigkeiten und Begrenztheiten überwinden, wenn sie sich gegenseitig ergänzen.
Es ist also kompletter Unsinn, wenn sich große Firmen gezwungenermaßen ein paar „Quotenfrauen“ suchen und dabei darauf achten, dass diese möglichst „männliche“ Eigenschaften und Vorgehensweisen aufweisen, damit sie die gewohnten Abläufe nicht stören. Nein, erst dann, wenn Männer und Frauen unmittelbar zusammenarbeiten, (zahlenmäßig und auch von der Verantwortungsebene her einander entsprechend, also nicht „Der Chef und seine Sekretärin“, sondern „Abteilungsleiterin und Abteilungsleiter“ usw.) können sich ihre Grundkompetenzen der Sach- und Zielorientierung einerseits und der Beziehungsorientierung andererseits einander optimal ergänzen. Und das gilt im 21. Jahrhundert noch genau so wie in der Steinzeit.
Idealerweise müsste man innerhalb eines Unternehmens (in jedem Arbeitsbereich bis zur obersten Leitung) kleine Teams bilden, in denen Männer und Frauen (und bei beiden auch verschiedene Altersgruppen!) gleichmäßig verteilt sind und gleichberechtigt zusammenarbeiten. Dass heute immer noch große Firmen meist allein von Männern geleitet werden, liegt unter anderem daran, dass die bestimmenden Gremien (z. B. Aufsichtsräte oder Aktionärsversammlungen usw.) vor allem die kurzfristige Zielorientierung an der Gewinnmaximierung im Blick haben und nicht eine längerfristige Orientierung an der Gesamtentwicklung des Unternehmens (und für eine solche kurzfristige Zielorientierung sind im allgemeinen tatsächlich Männer besser geeignet, wobei dann die notwendigen langfristigen Perspektiven oft vernachlässigt werden).
Dazu eine Beobachtung aus einem Bereich, in dem eine gegenteilige Entwicklung in Gang gekommen ist: Vor einigen Jahrzehnten konnte man an Grundschulen abzählen, dass der ganz überwiegende Teil des „Lehrkörpers“ aus Frauen bestand. Der Schulleiter aber war fast immer ein Mann. An kleineren Schulen waren etwa ein Dutzend Lehrerinnen beschäftigt und der einzige Mann im Kollegium war der Schulleiter. Und man konnte oft sehr deutlich wahrnehmen, wie sehr das weibliche Element der Beziehungsorientierung in der Leitung fehlte und wie sehr das männliche Element der Sachorientierung im unterrichtenden Kollegium. Heute sind meist auch die Schulleitungen von Grundschulen mit Frauen besetzt und die Kinder bekommen frühestens in der Hauptschule oder im Gymnasium einen männlichen Lehrer zu Gesicht. Und auch diese Einseitigkeit tut den Kindern nicht gut.
Zu der notwendigen Ergänzung der Begabungen von Männern und Frauen kommt als zweite Notwendigkeit die gegenseitige Ergänzung durch die Generationen (siehe dazu die Beiträge im Abschnitt „Generationen). Jugendliche „Singles“, Männer und Frauen im mittleren Alter (oft mit der Verantwortung für eine Familie mit kleinen und größeren Kindern) und alte Menschen haben (ganz selbstverständlich) sehr verschiedene Sichtweisen auf ihre Wirklichkeit und verschiedene Herangehensweisen an Aufgaben und Herausforderungen (das ist richtig und muss so sein). Auch diese Verschiedenheiten sind auf Ergänzung angelegt und nicht auf Trennung in altershomogenee Gruppen.
Gegenwärtig kann man aber beobachten, wie sich unter den Generationen ein gegenseitiges Nicht-Verstehen breitmacht. Die Älteren verstehen oft die Sprache, die Denkweisen und Verhaltensformen der „Jungen“ nicht und die Jüngeren wehren sich dagegen, die Ansichten, Vorgehensweisen, Absichten und Ziele der „Alten“ zu übernehmen und die Mittelgruppe der Eltern kleiner Kinder hat noch einmal andere Schwerpunkte. Die Folge ist oft ein sprachloses Aneinander-vorbei-Leben der Generationen. In der Realität der Aufgaben und Herausforderungen braucht aber jede Lebens- oder Arbeitsgemeinschaft die Impulsivität und Beweglichkeit der Jüngeren, die verantwortungsbewusste Zuverlässigkeit der mittleren und die abwägende Erfahrung der älteren Generation (auch das pauschalisierende, aufs Ganze gesehen aber zutreffende Beschreibungen).
Die gelingende Zusammenarbeit und Ergänzung der Geschlechter und Generationen ist eine wichtige Voraussetzung für jedes Gemeinschaftsleben, und das gilt für alle Belange des Lebens und Handelns, heute genau so wie früher.
Nun aber geht es darum, das Miteinander der Generationen und Geschlechter auch spirituell zu begründen. Und hier ergeben sich verblüffende Perspektiven, wenn man dabei das biblische Menschenbild zugrunde legt (siehe den folgenden Beitrag „Das biblische Menschenbild“.
Alle Beiträge zum Thema "Generationen und Geschlechter"
- Die Generationen-Folge 1: Der Anfang
- Die Generationen-Folge 2: Phasen des Lebens
- Beziehungen zwischen den Generationen
- Geschlechter 1: Die biologische Bedeutung der Zweigeschlechtlichkeit
- Geschlechter (2): Das Rechte und das Richtige
- (3): Geschlechtliche Zuordnung und sexuelle Orientierung
- Mann und Frau 1: Gaben und Aufgaben
- Mann und Frau 2: Biblisches Menschenbild
- Mann und Frau 3: Das Zeichen der Liebe
- Der Segen