Das ist die Ur-Form des Segens in der Bibel: Der sogenannte „Aaronitische Segen“. Gott (JHWH) selbst redet hier Menschen an (Aaron und seine Söhne) und fordert sie auf, dass sie anderen Menschen den Segen Gottes zusprechen. „So sollt ihr sagen …: Der Herr* segne dich und behüte dich; der Herr lassen sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.“ (4. Mose 6, 24-27) Also: Gott ist der Segnende, immer, ausnahmslos. Aaron soll nicht sagen „Ich segne dich“, das wäre falsch und anmaßend. Er soll sagen: „JHWH segne dich…“ Menschen sind (wie hier Aaron und seine Söhne) aufgefordert, anderen Menschen diesen göttlichen Segen zuzusprechen. Und dann will Gott selbst diesen Segen zur Auswirkung bringen, indem er die Gesegneten behütet, ihnen gnädig ist, ihnen nahe ist und auf sie achtet mit leuchtendem Angesicht, ihnen Frieden gibt …, in vielerlei Weisen und Erfahrungen.
*Die Redeform „der Herr“ ist in den meisten deutschen Übersetzungen ein Ersatz für den im Urtext stehenden Gottesnamen „JHWH“, deshalb füge ich, um den Gott der Bibel von anderen „Göttern“ zu unterscheiden, manchmal den biblischen Gottesnamen „JHWH“ hinzu (siehe dazu das Thema „Gott“ im Themenbereich „Grundfragen des Glaubens).
Und wer ist an dieser Stelle der oder die Angesprochene; wer soll da gesegnet werden? Ich kann die Namen der Gesegneten nicht sagen, denn angesprochen und gesegnet wird hier ein ganzes Volk, das Volk Israel, mit allen die dazugehören, ohne Ausnahme. Und das, obwohl ja Gott (JHWH), als er Aaron diesen Segnungs-Auftrag gibt, sehr wohl bewusst ist, dass es in diesem Volk auch Menschen gibt, die Dinge tun, die nicht seinem Willen entsprechen (er spricht das ja an vielen Stellen selbst an). Trotzdem: Die Gabe des göttlichen Segens gilt allen; ob alle diese Gabe annehmen, das ist eine andere Frage. Menschen können den Segen Gottes auch bewusst ablehnen (und dann wird er in ihrem Leben und Erleben auch nicht zur Auswirkung kommen). Gott wird ganz gewiss seinen Segen niemandem aufzwingen. Aber er selbst lässt sich auch nicht zwingen, etwas zu segnen, das er nicht segnen will. Beide sind frei: Gott, der Segnende und wir, die Gesegneten. Segnen ist keine Zwangshandlung.
Eines aber ist klar: Die Gesegneten sind immer Menschen (Einzelne oder Gemeinschaften), nicht deren Ideen, Pläne, Vorhaben, Wünsche, Verhältnisse, Werke usw. Die Gesegneten sind immer Menschen, Menschen, die Gott (wie im aaronitischen Segen) mit „Du“ anredet.
Das haben Christen nicht immer bewusst vor Augen: Gott (JHWH) segnet z. B. keine „Kirchen“ (oder sonst irgendwelche Gebäude) aber wir (also Menschen, die etwas wissen von der menschenfreundlichen Kraft des göttlichen Segens) sollen den Menschen, die in diesen Gebäuden beten (Kirche) oder wohnen (Haus) oder arbeiten (Fabrik) oder lernen (Schule) oder ihren Lebens-Abend verbringen (Altersheim) usw. den Segen Gottes zusprechen: „Der Herr segne dich …“ Gebäude können nicht gesegnet werden, weil die den Segen ja gar nicht bewusst annehmen könnten – oder ablehnen. Und wenn z. B in 5. Mose 28 steht: Gesegnet wird sein (…) der Ertrag deines Ackers (…) Gesegnet wird sein dein Korb und dein Backtrog.“, dann ist ja nicht gemeint, dass Äcker oder Körbe und Tröge von Gott gesegnet werden, sondern dass die Besitzer der Äcker oder Körbe oder Tröge als Gesegnete erkennbar werden durch die Fülle der Gaben in ihnen.
Gott segnet auch keine Ämter, Titel und Ansprüche von Menschen, oder deren Besitz, deren gesellschaftliche Position usw. und schon gar nicht das Geld der Reichen, die Macht der Herrschenden und die Kriege der Eroberer … Aber er will (z. B.) auch die Reichen segnen, so segnen, dass ihr Reichtum zum Segen wird für die Armen. Er will die Regierenden segnen, so segnen, dass ihre Regierung zum Segen wird für die Menschen, die in ihrer Regierungszeit in ihrem Regierungsbezirk leben. Er will sogar die starken Kämpfer segnen, so segnen, dass sie zum Segen werden für die Schwachen, wenn sie für deren Recht, Freiheit und Wohlergehen eintreten und für sie Gleichberechtigung und Anerkennung „erobern“. Dafür sollen wir für sie den Segen Gottes erbitten.
Gott segnet auch keine Ehe (und schon gar nicht die „Ehe für alle“), sondern er segnet Menschen, Menschen, die bewusst als Mann und Frau entsprechend seiner Schöpfungsordnung unter seinem Segen miteinander leben wollen, er segnet sie als Paar, und mit ihren Kindern als Familie (ach, wenn doch noch viel mehr von ihnen diesen ihnen schon zugesprochenen Segen annehmen wollten, wie gesegnet könnte ihr Leben sein. Sie sind ja nicht schon dadurch Gesegnete, dass sie als Mann und Frau zusammenleben, sondern dadurch, dass sie als Einzelne, als Paar und als Familie diesen Segen bewusst erbitten und annehmen).
Gott (JHWH) ist das Menschsein nicht gleichgültig. Deshalb ist ihm auch nicht jede menschliche Lebensform gleich gültig. Er hat sehr bewusst und um der Menschen willen die Liebesgemeinschaft von Frau und Mann zum „Eben-Bild“ für sich selbst erwählt. Es ist ja gerade die gegenseitige Wahrnehmung und Annahme, die gegenseitige Zu-Stimmung und Zu-Neigung, das gegenseitige Miteinander und Füreinander der Verschiedenen (Mann und Frau – verschiedener geht‘s nicht), die zur sichtbaren Vergegenwärtigung seiner Liebe werden soll als sein „Ebenbild“. Homosexualität dagegen bleibt im Eigenen und wagt nicht die unbegrenzte Offenheit für das ganz andere.
Trotzdem: Gott segnet auch homosexuell empfindende Menschen oder Menschen mit unbestimmter geschlechtlicher Identität: Er segnet sie und behütet sie, er erlässt sein Angesicht leuchten über ihnen und ist ihnen gnädig, er erhebt sein Angesicht über sie und gibt ihnen Frieden. Und Christen und kirchliche Amtsträger sollen ihnen diesen Segen zusprechen: „Der Herr segne dich und behüte dich; der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.“ Und kein menschliches Gesetz wird je verhindern können, dass durch diesen Segen (wenn sie ihn nicht ablehnen) ihre Situation, ihr Leben und ihre Liebe, sich diesem Segen entsprechend formt und erneuert.
Aber: Der Homosexualität als Lebensform hat Gott (wenn wir sein Wort in der Bibel ernst nehmen) keinen Segen verheißen (was ja nicht bedeutet, dass in homosexueller Gemeinschaft lebende Menschen ewiger Verdammnis anheimfallen; Gott will jeden Menschen segnen, und wenn da alle ausgeschlossen wären, die in irgendeiner Weise gegen seinen Willen verstoßen, wer bliebe dann übrig?). Ja, Gott will Menschen segnen, aber er will keine Lebensformen segnen, von denen er weiß, dass sie den Menschen auf Dauer nicht gut tun werden. Und kein noch so hoher Kirchenfürst und keine noch so heilige Synode wird Gott jemals zwingen können, etwas zu segnen, das er nicht segnen will. Wer meint, in der Kirche einen Segens-Anspruch durchsetzen zu können, wird den Segen Gottes nicht erlangen.
Damit wir nichts falsch verstehen: Nicht nur die Liebe zwischen Mann und Frau soll zum „Eben-Bild“ Gottes werden, sondern jede menschliche Gemeinschaft (als Ehe und Familie, Nachbarschaft, Freundschaft, Arbeitsgemeinschaft usw., bis hin zur Volksgemeinschaft, Kulturgemeinschaft, Glaubensgemeinschaft, Menschheitsgemeinschaft), ja, jede Art menschlicher Gemeinschaft soll nach dem Willen Gottes zur Liebesgemeinschaft werden, dadurch, dass der Segen Gottes ihnen hilft, ihre Liebesfähigkeit (und das ist viel mehr und viel umfassender als nur Sex) zu entwickeln. Ja, in der Zielperspektive der Vollendung der Schöpfung soll die ganze Menschheit eine einzige Liebesgemeinschaft werden und so – als Ganzes – zum Ebenbild der Liebe Gottes. Und wir ahnen, wie weit wir davon entfernt sind.
Wir müssen unterscheiden: Die Ehe ist eine gesellschaftlich anerkannte und geförderte Institution der Staaten, und die Staaten haben das Recht, dafür Regeln und Gesetze zu beschließen. Sie haben auch, wenn die Mehrheit in einem demokratischen Staat es so entscheidet, das Recht, die Institution der Ehe auch für homosexuelle Paare freizugeben (ob das eine kluge und auf Dauer „nachhaltige“ Entscheidung ist, sei dahingestellt). Aber es ist nicht sinnvoll, gesellschaftliche Institutionen mit göttlichen Verheißungen in einen Topf werfen.
Denn: Gott ist keine gesellschaftlich begründete Institution. Sein Wille kann nicht durch Mehrheitsbeschlüsse außer Kraft gesetzt werden. Seine Verheißungen stehen auch nicht unter dem Vorbehalt der Zustimmung leitender Kirchenorgane. Er will Menschen segnen, alle Menschen. Aber sein Segen ist eben mehr als nur eine günstigere Steuerklasse oder eine bessere Stellung im Adoptions- oder Erbschaftsrecht. Sein Segen gibt den Menschen Anteil an seiner Liebesfähigkeit. Und das gilt (wenn es angenommen wird) für alle Menschen, gleich welcher sexuellen Orientierung.
Der Liebes- und Treue-Gemeinschaft von Frau und Mann aber gibt der Segen Gottes (wenn er angenommen wird) noch dazu Anteil an seiner Schöpfungskraft, nicht nur durch Zeugung und Geburt der nächsten Generation (das auch), sondern vor allem durch die Gestaltung eines Lebens- und Liebesraumes in der Familie, in dem sie, als Mutter und Vater, selbst zum Segen werden können für ihre Kinder (und darüber hinaus für viele andere).
Wir alle (alle, unabhängig von jeder sexuellen Zuordnung und Orientierung) leben vom Segen Gottes und nur durch diesen Segen können wir auch lieben. So ist jede Liebe (nicht jede Form von Sexualität, es gibt ja auch Sexualität als Gewalt-Akt oder Liebe-leere Sextechnik), aber jede gegenseitige Wahrnehmung und Annahme, jede gegenseitige Zu-Stimmung und Zu-Neigung, jedes gegenseitige Miteinander und Füreinander, das nicht nur das Eigene sucht, sondern sich auf ein Gegenüber orientiert, etwas Göttliches im Leben von Menschen.
Aber trotzdem: Die in Liebe und Treue „in guten wie in schlechten Zeiten“ bleibende und zugleich sich immer erneuernde Lebens- und Liebesgemeinschaft von Mann und Frau, die macht das Menschsein als „Eben-Bild Gottes“ deutlicher erkennbar als irgendetwas sonst. 1. Mose 1, 27: „Und Gott schuf den Menschen (oder das Menschsein) zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau“. Gott macht die Liebesgemeinschaft von Mann und Frau zu einem „Bild“, an dem, mitten in dieser scheinbar gottlosen Welt, in besonderer Deutlichkeit etwas vom innersten Wesen Gottes sichtbar und anschaubar wird. (siehe das Thema „sein und sollen“ im Bereich „Grundfragen des Lebens“). Und diesem „Ebenbild Gottes“ ist von Gott ein besonderer, lebenspendender, lebenserhaltender und lebensgestaltender Segen zugesagt.
Alle Beiträge zum Thema "Generationen und Geschlechter"
- Die Generationen-Folge 1: Der Anfang
- Die Generationen-Folge 2: Phasen des Lebens
- Beziehungen zwischen den Generationen
- Geschlechter 1: Die biologische Bedeutung der Zweigeschlechtlichkeit
- Geschlechter (2): Das Rechte und das Richtige
- (3): Geschlechtliche Zuordnung und sexuelle Orientierung
- Mann und Frau 1: Gaben und Aufgaben
- Mann und Frau 2: Biblisches Menschenbild
- Mann und Frau 3: Das Zeichen der Liebe
- Der Segen