Bereich: Grundfragen des Lebens

Thema: Die Frage nach dem Sinn

Beitrag 10: Die Sinn-Geschichte des Universums (Bodo Fiebig21. Oktober 2022)

Eine „Sinn-Geschichte des Universums“ zu schreiben, ist ein allzu großes Vorhaben. Da würde man schnell an Grenzen stoßen. Deshalb will ich das gar nicht erst versuchen. Aber vielleicht ist es möglich, einige wesentliche Kern-Aussagen dieser Geschichte grafisch darzustellen, als Bilder-Geschichte (Bilder-Geschichten haben den Vorteil, einen Ablauf zu beschreiben, bei dem die Betrachter – anders als im Film – selbst entscheiden können, wie schnell sie von Bild zu Bild, von Ereignis zu Ereignis vorangehen wollen, deshalb sind z. B. Comics so beliebt). Wir merken immer wieder, wenn wir von Glaubensinhalten reden wollen: Wir haben nur sehr menschliche, und damit unzureichende Wörter und Begriffe, um etwas Göttliches anzudeuten. Freilich gibt es auch andere religiöse Ausdrucksformen als nur die Sprache: Musik (z. B. Gesang), Bewegung (z. B. Tanz), Rituale, Gemeinschaftsformen … Aber wir werden feststellen: Die beste Ergänzung zur Sprache, wenn es darum geht, Zusammenhänge erkennbar zu machen und Veränderungen in der Abfolge von Ereignissen darzustellen, sind Bilder-Geschichten. Die Begleittexte zu den folgenden acht Bildern sind zu einem großen Teil wörtlich aus den vorangehenden Beiträgen übernommen. Dabei werde ich mich weitgehend entlang der Inhalte bewegen, die in den vorangehenden Beiträgen schon sprachlich dargestellt worden sind. Die acht Bilder mit jeweils einigen Anmerkungen sollen dazu beitragen, die bis hierher beschriebenen Inhalte in einem fortschreitenden Sinn-Zusammenhang zu stellen und sie als „Ablauf“, als Stationen auf einem Weg, als Bewegung auf ein Ziel hin erkennbar zumachen. Bibeltexte sind fett-kursiv gedruckt.

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1 Die doppelte Schöpfung

Zunächst muss aber noch die Verbindung hergestellt werden zu jenen Ausdrucksweisen, mit denen wir schon in den vorangehenden Beiträgen versucht haben, bildhafte Veranschaulichungen zu entwickeln, die uns Begriffe wie „Schöpfung“ oder „Universum“ irgendwie vorstellbar machen sollen (siehe den Beitrag 1-2-2 „Anstoß und Entfaltung des Universums“). Erst in diesem Zusammenhang werden die Bilder verständlich. Dabei werden wir sehen, dass diese beiden Begriffe „Schöpfung“ und „Universum“ selbst schon eine erklärende Differenzierung enthalten. Sie sind nämlich keineswegs zwei Wörter für die gleiche Sache. Sondern sie weisen auf eine Doppelung hin, die wir sonst vielleicht übersehen würden: Gott (JHWH) macht von Anfang an eine doppelte Schöpfung: Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde. So lautet der erste Satz der Bibel.

Dabei ist mit „Himmel“ nicht „das blaue Himmelszelt“ gemeint, das wir in manchen romantischen Liedern besingen und auch nicht die Gesamtheit der ganzen materiellen Schöpfung mit allen sichtbaren und unsichtbaren „Himmels-Körpern“, sondern „Himmel“ meint hier die für menschliches Denken und Forschen völlig unzugängliche „Himmelswelt“ Gottes, wo (in Freiheit und Vollkommenheit) „sein Name geheiligt wird“ und „sein Wille geschieht“ (siehe im „Vater-unser“). Diese „Himmelswelt Gottes“ ist kein Paralleluniversum, sondern die ganz mit Liebe erfüllte Sphäre seiner Gottesgegenwart.

Und mit „Erde“ ist hier im ersten Satz der Bibel nicht nur unser blauer Planet in Planetensystem unserer Sonne gemeint, sondern die ganze materielle Schöpfung, unser Universum. Nur hier gibt es Raum und Zeit, Materie und (physikalische) Energie. Und Ziel der Schöpfung ist es, dass das Himmlische auch auf der Erde wirk-mächtige Wirklichkeit wird („ … wie im Himmel, so auf Erden“).

Aber wie sollen wir uns das vorstellen: Eine doppelte Schöpfungs-Wirklichkeit, die dann doch (jedenfalls von Gott aus gesehen), eine Schöpfung ist? Versuchen wir es wieder mit einem bildhaften (bzw. akustischen) Vergleich: Nehmen wir ein Musikstück, vielleicht das Violinkonzert in D-Dur Opus 61 von Ludwig van Beethoven, gespielt von Anne-Sophie Mutter zusammen mit den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Herbert von Karajan. Ein grandioses Musik-Erlebnis, festgehalten auf einer CD.

Dieses Konzert ist eine doppelte Schöpfung: Es ist zunächst einmal eine materielle Schöpfung. Ohne die Materie der Geige (und der anderen Instrumente im Orchester), ohne das Holz des Geigenkörpers und ohne das Material der Saiten (und was sonst noch zu einer Geige gehört) wäre nichts zu hören, wäre das Konzert stumm, als gäbe das gar nicht. Ohne Materie geht es nicht.

Aber: Die Materie der Instrumente könnte niemals von sich aus ein Violinkonzert hervorbringen. Nie! Auch nicht in Milliarden von Jahren, wo immer wieder zufällige Ereignisse stattfinden: Ein Paukenschlegel fällt herab und trifft das gespannte Fell, ein Windhauch streift durch die Flöte und erzeugt einen Ton, ein Vogel landet auf der Geige und zupft an der e-Saite… Das könnte man auch „Musik“ nennen, ein Violinkonzert ist es nicht. Dazu braucht es neben der materiellen Schöpfung noch eine nicht-materielle. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Es braucht selbstverständlich auch die Materie der Tinte, mit der Beethoven seine Musik aufs Papier brachte, sonst wüssten wir nichts von ihr. Aber auch die Tinte schreibt ja von sich aus keine Violinkonzerte. Und auch in der Gehirnmaterie des Komponisten war das Konzert nicht schon vorgegeben. Weder in der Anordnung der Basenpaare in der Doppelspirale seiner DNA, noch in irgendwelchen chemischen Bestandteilen seiner Billionen Körperzellen könnte „zufällig“ ein Violinkonzert entstehen. Es entstand als bewusste Schöpfung seines Schöpfers Ludwig van Beethoven.

Die nicht-materielle Schöpfung, die zusätzlich zur materiellen notwendig wäre, ist die schöpferische Idee Beethovens, sind die Klänge und Zusammenklänge, die Melodien und Klangfiguren, die Rhythmen und die Dynamik, die Emotionen und Phantasien, die er zu seinem großartigen Werk zusammenfügte. Die waren nicht schon unsichtbar im Holz der Geige verborgen, so dass sie durch eine zufällige Berührung des Holzkörpers oder der Saiten hätten hervorgeholt werden könnten. Das Klangwerk des Violinkonzerts ist eine eigene, von der Materie der Instrumente völlig unabhängige Schöpfung.

Damit ein Violinkonzert erklingen kann, müssen also zwei Schöpfungen zusammenkommen (nennen wir sie eine „materielle“ und eine „geistige“), nur so könnte die Musik erlebbar werden. Und genau das ist gemeint, wenn oben gesagt wurde: Gott (JHWH) machte eine doppelte Schöpfung. Auch die Schöpfung Gottes (die eine ist) hat eine „materielle“ und eine „geistige“ (bzw. „spirituelle“) Seite. Wenn eine von beiden fehlt, oder wenn beide nicht zusammenwirken, bleibt die Schöpfung stumm und unerfüllt.

Und, ganz entscheidend wichtig: Es muss jemanden geben, der (oder, in unserem Fall: die) diese beiden „Schöpfungen“ zusammenbringt (im Fall des Violinkonzerts: die Geigerin). Also „jemand, die die nicht-materielle Musik-Idee des Komponisten mit den Mitteln der materiellen Schöpfung (der Geige) in der materiellen Schöpfung (des Konzertsaals) zum Klingen bringt. Damit die Musik des Violinkonzerts nicht nur in der geistigen Welt im Innern der musikalischen Vorstellungskraft Beethovens bleibt, sondern auch die Zuhörer im Konzertsaal erreichen und erfreuen kann, muss sie in dieser materiellen Welt „materialisiert“ werden (auch Schallwellen sind ja Erscheinungsformen von Materie). Oder, wenn es um die Schöpfung Gottes geht: Damit die „Musik“ des Himmels (die wir „Liebe“ nennen) nicht nur in der spirituellenHimmelswelt“ Gottes bleibt, sondern auch die dafür empfänglichen Geschöpfe in dieser Schöpfung erreichen und erfreuen kann, muss sie in dieser materiellen Welt „materialisiert“, d.h. real gelebt und erlebbar gemacht werden.

Im Anfang schuf Gott (zuerst) die Himmel und (dann) die Erde“. Wir hören: Die spirituelle Schöpfung (Himmel) war zuerst. Die „Idee“, wie die Schöpfung „klingen“ soll, war zuerst da, die materielle Schöpfung, in der diese „Idee“ dann verwirklicht werden sollte, die kam danach. Und: Die „Idee“, wie die eigene Schöpfung klingen soll, war selbstverständlich (bei Beethoven und bei Gott) ganz eng mit der „Person“ des Schöpfers verbunden: Das „persönliche Anliegen“, das Beethoven in dieser Welt zum Klingen bringen wollte, war seine Musik. Das „persönliche Anliegen“ das Gott in dieser Welt zum Klingen bringen will, ist seine Liebe. Aber, wie soll das zugehen? Wer könnten das „Orchester“ und die „Solisten“ sein, die das „Instrument“ (die materielle Schöpfung) so zum Klingen bringen könnten, dass die „Melodie der Liebe Gottes“ in ihr ertönt, hörbar und erlebbar, wohltuend und beglückend?

Das Orchester und die Solisten, die die Melodie der Liebe Gottes in seiner materiellen Schöpfung zum Klingen bringen sollen, ist die Menschheit (siehe den Beitrag 1-2-7 Anstoß und Entfaltung der Sinnerfüllung des Menschseins“). So war die Schöpfung Gottes gemeint: Dass die Menschen, ja die ganze Menschheit aller Völker, Kulturen und Zeitalter, in ihrem „Zusammenspiel“ (in ihrem Leben und Zusammenleben, ihrem Miteinander und Füreinander), die Liebe, die den Himmel (die spirituelle Schöpfung Gottes) erfüllt, dass die nun auch in seiner materiellen Schöpfung, und zwar hier bei uns, auf unserer kleinen, verletzlichen Erde, zu einem unglaublich vielstimmigen, atemberaubend schönen, Herz und Verstand beglückenden „Klangerlebnis“ wird.

Wir wissen, wie weit wir davon entfernt sind. Wie oft weigern wir uns (als Einzelne, Gemeinschaften, Völker und Kulturen), unsere Berufung anzunehmen, nämlich den Klang des Himmels (die Melodie der Liebe Gottes) auf der Erde zum Klingen zu bringen. Und doch ist es kein Wirklichkeits-scheuer Wunschtraum für ein fernes „Irgendwann“ in einem noch ferneren „Irgendwo“. Nein, nein, es hat ja längst begonnen. Aber ja, es ist leider so, dass die grauenvollen Missklänge von Feindschaft, Kampf und Krieg, welche die Erde durchschrillen, die leisen und doch unendlich wohltuenden Klänge zwischenmenschlicher Zu-Wendung und Zu-Neigung überdecken. Aber trotzdem: Für die Hellhörigen sind Klangakkorde der Mitmenschlichkeit dennoch fast jederzeit und überall zu vernehmen. Für die Aufmerksamen ist die Musik des Himmels im Miteinander und Füreinander menschlicher Gemeinschaften fast immer und an vielen Orten zu erlauschen. Unser Hörvermögen ist nur zu wenig geschult für die Wahrnehmung der Melodie der Liebe Gottes in den realen Gegebenheiten und Ereignissen, Beziehungen und Vorgängen unserer alltäglichen realen Umwelt. In eigenem Tun liebevoller Mitmenschlichkeit würde uns ihr Klang vertrauter und ihr zwischenmenschlicher Zusammenklang eine immer stärkere Sehnsucht.

In den folgenden Bildern zur „Sinn-Geschichte des Universums“ soll unser spirituelles Hörvermögen noch durch eine sichtbare Darstellung des Gemeinten unterstützt werden.

2 Der Realität des Himmels auf der Erde

Bild 1

Wir sehen: Ein farbiges Quadrat. Die Farbe gelb füllt hier das ganze Bild aus, ohne Veränderungen und ohne Zwischentöne. Ich verwende die Farbe „gelb“ oder „gold“ hier als Bild für „Gott“*, als Zeichen für Licht und Liebe, für Heiligkeit und Herrlichkeit, für Schöpfungswillen und Schaffenskraft, für Hoheit und Hingabe, Zuwendung und Zärtlichkeit. Dass diese Farbe das Bild ganz ausfüllt, soll zeigen: Gott erfüllt alles, ohne Veränderungen und Zwischentöne. Er ist ganz er selbst und „alles in allem“ (1. Kor 15, 28). Die quadratische Form zeigt nur einen Ausschnitt des eigentlichen Bildes, das wir uns nach allein Seiten unbegrenzt weiter fortgesetzt vorstellen können.

* Gemeint ist hier der in der jüdisch-christlichen Bibel offenbarte Gott. Und weil es unter den Menschen sehr verschiedene Gottesvorstellungen geben kann, setze ich hier, zur eindeutigen Kennzeichnung, manchmal das Zeichen des biblischen Gottesnamens (JHWH) hinzu. (Siehe dazu auch das Thema 2-2 „Gott?“)

Bild 2

Dann aber (im Bild 2 angedeutet) geschieht etwas Seltsames und nie zu Erwartendes: Gott (JHWH) schafft im Innern seines alles umfassenden und alles erfüllenden Seins einen Leer-Raum, eine Offen-heit, einen Frei-Platz für etwas, das noch werden soll. Warum? Im Beitrag 7 „Anstoß und Entfaltung der Sinnerfüllung des Menschseins“ finden wir es angesprochen: Aus der Selbstoffenbarung Gottes über Jahrtausende hinweg können wir wahrnehmen, dass seine Existenz wesentlichen einem „In-Beziehung-Sein“ besteht, das wir mit den Mitteln der menschlichen Sprache (freilich völlig unzureichend, aber wir haben keine Alternative) mit dem Begriff „Liebe“ umschreiben. 1. Joh 4, 7-8: Ihr Lieben, lasst uns einander liebhaben; denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist von Gott geboren und kennt Gott. Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist die Liebe.“

Das also (das, was hier mit dem Begriff „Liebe” umschrieben wird), das ist es, was das Gott-Sein Gottes ausmacht, sie ist sein eigentliches „Wesen”, sein „Geist“, seine „Substanz”, seine „Person“, seine „Identität”. Die Liebe aber kann niemals nur für sich selbst da sein. Sie braucht und sie sucht ein Gegenüber, das ihre Liebe erwidert. Das ist nicht nur bei den Menschen so; das ist auch bei Gott so. Deshalb macht Gott in seiner alles erfüllenden Einheit Raum für etwas Zweites; sein „Ich-bin“ schafft Platz für ein „Du“. Dieses „Du“ ist bei Gott schon immer gegenwärtig, schon lange vor aller Schöpfung (so wie ein Kind als Gegenüber ihrer Liebe bei seiner Mutter schon da ist, schon geliebt wird, lange, bevor es geboren ist). Der Frei-Raum in Gott wird zur Verheißung künftiger Beziehung.

Bild 3

Dieser Leer-Raum, diese Offen-heit, dieser Frei-Platz soll eine Füllung bekommen, eine Er-Füllung. Dazu ist er da. Dort soll etwas entstehen, dem zumindest die Möglichkeit innewohnt, dass es zum Gegenüber der Liebe Gottes werden könnte. Die Erfüllung dessen, was hier entsteht, wird etwas in Gang setzen, durch das so etwas wie eine „Liebesgeschichte“ möglich wird. Die Liebe Gottes „äußert“ sich, indem sie in sich sich Raum schafft für ein Gegenüber, zu dem sie eine „Liebesbeziehung“ aufnehmen will.

Dieses „Gegenüber“ wird hier (zunächst) im Bild als eine blaue Kugel dargestellt, d. h. als etwas, das deutlich unterschieden ist von Gott, aber doch von ihm gewollt, von ihm mit Schöpfungs-Potenz erfüllt und schon von seiner vorausgehenden Liebe umfangen: Ein Kraftfeld der Liebe Gottes, in dem eine „Entstehungsgeschichte“ angestoßen werden könnte. Vorerst ist aber nur ein erster Schritt auf dieses Ziel hin erkennbar: Gott macht als Voraussetzung für alles Kommende die materielle Schöpfung des Universums.

Bild 4

Wir sehen im Bild 4, wie ein Impuls, der von Gott (JHWH) ausgeht, das neu entstandene „Empfängliche“ trifft und dort Veränderungen in Gang setzt (sichtbar dann in der Wellenbewegung in Bild 5). Dies ist der Schöpfungsimpuls für die Entstehung des Universums. Aber, und das ist entscheidend wichtig: Die materielle Schöpfung des Universums ist nicht Sinn, Zweck und Ziel des Schöpfungshandels Gottes, sondern nur der erste Schritt dahin. Es genügt dem Schöpfer nicht, ein gigantisches, aber stummes, lebloses und sinnloses Universum zu schaffen, wie ein riesiges Feuerwerk, das aufleuchtet, eine Weile in großartigen Farben und Formen brennt und dann verlischt. Gott macht das Universum als „Bühne“, als Bühne für ein „Spiel der Liebe“. Und für dieses „Liebesspiel“ braucht er (das werden wir noch sehen) einen „Mitspieler“. Und wenn dieses Spiel sich entfaltet, will er, der selbst ganz Liebe ist, dadurch im Geschaffenen gegenwärtig sein. Er will sich in seiner Schöpfung ein Gegenüber erwecken, das sein Ebenbild ist, bewegt von der gleichen Urkraft, der Liebe, die das Universum in Gang setzte.

Mitten in der materiellen (und damit vergänglichen) Schöpfung soll durch die Verwirklichung von Liebe unvergängliches göttliches Sein entstehen.

Dabei müssen wir beachten: Nicht das „Meer“ der Liebe Gottes selbst, das für unser Forschen und Erkennen unfassbar ist, sondern nur das „Wellensystem“, dessen Schwingungen dieses Meer durchlaufen, ist in unserem Bild das Symbol für unsere sichtbare und greifbare materielle Welt. Und nur der Glaube kann etwas wahrnehmen von der Weite und Tiefe des Meeres der Liebe Gottes, in dem alles materielle Sein nur ein Wellenspiel an der Oberfläche ist (im Bild 5 dargestellt in den Wellen-Ringen auf der Oberfläche der blauen Kugel).

Bild 5

Die Schöpfung Gottes verschwindet nicht durch eine unendliche Expansion in einem unendlichen Nichts und sie kehrt auch nicht wieder in ihren eigenen Ursprung zurück. Sie geht von einem Anfangspunkt aus und sie läuft auf einen Zielpunkt zu. Anfang und Ziel sind nicht identisch, aber sie haben die gleiche Kraftquelle: die Liebe Gottes.

In diesem Ziel liegt auch der Sinn allen Daseins. Wir werden sehen: Alles Dasein kann nur dadurch den Sinn seines Seins finden, dass es durch die Liebe verwandelt wird in eine Existenz, die dem „Sein” Gottes entspricht und ihm zum Gegenüber seiner Liebe wird. Das würde aber voraussetzen, dass im Wellensystem der materiellen Schöpfung etwas von der „Ursubstanz des Seins“, d. h. von der schöpferischen Liebe Gottes selbst zum Schwingen kommt. Aber: Die ungeheuren Weiten des Universums mit ihren Galaxien, Sternen und Planeten, mit ihren „Roten Riesen“, „Weißen Zwergen“ und „Schwarzen Löchern“, die können ja nicht lieben, in denen findet sich nicht die geringste Spur dessen, was Gott in seiner Schöpfung sucht.

Damit dieser Schöpfungssinn dennoch zum Vollzug kommen kann, bringt der Schöpferwille Gottes nun (in der vorhandenen Schöpfung aus Materie und Energie, Raum und Zeit) eine zweite, völlig neue Wirklichkeit hervor: Das Wunder des Lebens. Die Erschaffung des Lebens mitten in einer Welt aus totem Material ist ein ebenso bedeutsamer und unverzichtbarer (zweiter) Schöpfungsschritt, wie es die Erschaffung des Universums (als erster Schritt) war.

Aber auch das Leben ist noch längst nicht geeignet, Gegenüber der Liebe Gottes zu sein. Das Leben will leben und kann es nur auf Kosten anderen Lebens: Kampf ums Dasein, Fressen und Gefressen-Werden, Kampf um den Platz an der Sonne, um Standorte und Nährstoffe, Beute und Sexualpartner ….

Trotzdem ist mit der Entstehung des Lebens ein ganz entscheidender Schritt getan, durch den Gott seine eigentliche Schöpfungsabsicht verwirklichen will: Gott schafft (als dritten Schöpfungsschritt) in der schon bestehenden biologischen Schöpfung ein Wesen, den Menschen, dem er die Möglichkeit gibt, bewusst über seine biologischen Grenzen hinauszugehen und einen Auftrag anzunehmen, für dessen Erfüllung Gott die ganze Schöpfung gemacht hat: Eben-Bild und Gegenüber der Liebe Gottes zu werden. (Der Pfeil mit zwei Spitzen deutet das Hin-und-Her der nun beginnenden Beziehung an: Aus den bis dahin stummen Materialien und Energien des Universums kommt eine Antwort: Ja, ich will!)

Bild 6

Im Bild 6 soll sichtbar werden, dass durch das Menschsein inmitten der Wellenbewegung der materiellen Schöpfung eine Existenz vergegenwärtigt wird, die weit über alles materielle und biologische Sein hinausgeht, indem es dort etwas vom „Wesen“ Gottes verwirklicht: Die Liebe (hier dargestellt in der gelben Farbe im Wellenmuster der materiellen Schöpfung).

Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das etwas „soll“ (siehe das Thema „sein und sollen“). Jedes andere Lebewesen erfüllt sein Dasein allein schon durch sein Da-Sein. Es kann seinen Lebenssinn nicht verfehlen. Der Mensch aber hat seinen Lebenssinn als Aufgabe bekommen, die er erfüllen oder verfehlen kann. Diese Aufgabe wird schon im ersten Kapitel der Bibel genannt (1. Mose 1, 27): Und Gott schuf den Menschen in seinem Bilde, im Bilde Gottes schuf er ihn, männlich und weiblich erschuf er sie.

Die Aufgabe und Berufung des Menschseins ist es also, etwas sichtbar abzubilden und erfahrbar darzustellen, was für menschliche Augen eigentlich immer unsichtbar bleiben müsste und für menschliche Erfahrungen immer unvorstellbar wäre: Gott selbst, sein „Wesen“, sein „Geist“, seine „Substanz“, seine „Person“. Wenn man die Menschen anschaut, wie sie miteinander leben und miteinander umgehen und wie sie einander lieben, dann soll man etwas davon wahrnehmen (in aller menschlichen Unvollkommenheit, aber doch erkennbar): So ist Gott (JHWH) . Und wir erkennen, wie weit wir (nicht immer, aber oft) davon entfernt sind).

Jedes Menschsein ist zur Gottesebenbildlichkeit bestimmt, aber nicht jedes Menschenleben gelingt automatisch; auch das körperlich vollendetste und kulturell gebildetste nicht. Damit ist das Eigentliche des Menschseins noch nicht im Blickfeld. Es muss im Menschsein noch eine Neuschöpfung, eine „Neue Geburt“ (Jo 3,3) geschehen, damit es das werden kann, wozu es eigentlich da ist.

(Im Bild 6 wird die „Weltsphäre der Mitmenschlichkeit“, das weltweite „Beziehungsgeflecht der Liebe“, das jetzt entstehen soll, mit den gelben Punkten im Wellenmuster der materiellen Schöpfung angedeutet.)

Bild 7

Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht: Diese Menschheitsberufung ist in den vergangenen Jahrtausenden immer wieder gescheitert – bis heute. Die Menschen sind (als Einzelne und als Gemeinschaften) von Natur aus Egoisten (wie alle anderen Lebewesen notwendigerweise auch, die ihre Lebens-Fähigkeiten und Überlebens-Strategien im „Kampf ums Dasein“ erworben haben): „Ich bin es“, „wir sind es!“ „Mein bzw. unser Überleben, Wohlergehen, Vorteil, Sieg … das hat höchste Priorität“.

Als das Vorhaben der Schöpfung zu scheitern drohte (weil Menschen es ablehnten, sich zum Ebenbild und Gegenüber der Liebe Gottes formen zu lassen), geschah der entscheidende Durchbruch: Die Mensch-gewordene Liebe Gottes „entäußerte“ sich, indem sie aus dem Lebens- und Schutzraum unmittelbarer Gottesgegenwart heraustrat und sich hineinbegab in die irdische „Kampfzone“ materieller Veränderungs- und Zerfallsprozesse, biologischer Selbstbehauptung, geistiger Auseinandersetzung und sozialer Machtkämpfe: Ein Mensch, als Mensch unter Menschen geboren und aufgewachsen, um dort ein unverfälschtes „Ebenbild“ der Liebe Gottes erkennbar und erfahrbar zu verwirklichen, auch auf das Risiko hin, dass es da zerstört wird.

So wurde die alle verändernde und erneuernde Kraft der Liebe Gottes durch den Menschen und Juden Jesus (Jeschuah) aus Nazareth nun auch im irdischen Menschsein präsent: sichtbar, spürbar, erkennbar, erfahrbar: Ein anschauliches „Bild“ des Schöpfers in der geschaffenen Welt.

Die Vor-Verwirklichung dieser erneuerten Menschheitsberufung begann mit der Hingabe, dem Tod und der Auferstehung des „Sohnes“ und mit der Entstehung einer „Gemeinschaft der Heiligen“, durch die (trotz aller furchtbaren Verirrungen der vergangenen Jahrhunderte) die Berufung allen Menschseins, Ebenbild und Gegenüber der Liebe Gottes zu sein, anfängt, Realität zu werden. (Die vielen Doppelpfeile zeigen hier die Vielfalt der Beziehungen an.)

Bild 8

Wir sehen im achten Bild, wie das „Gold“ des Anfangs, das zuerst nur Gott selbst zu eigen war, nun auch alles Menschsein erfüllt. Gott und Mensch und das Menschsein untereinander als Beziehungsgeschehen zwischen Liebenden. Das vollendete Menschsein, umfangen von der Liebe Gottes und selbst bestehend aus der gleichen „Ur-Substanz“ (der Liebe) wie Gott selbst, wird zum Gegenüber und Ebenbild des Schöpfers.

Diese Berufung kann man annehmen, man kann sie ablehnen oder man kann gleichgültig an ihr vorbeileben. Das heißt: Die Erfüllung des Lebens-Sinnes allen Menschseins ist ein Angebot, keine Zwangsveranstaltung (Liebe kann nie durch Zwang verwirklicht werden). Wer dieses Angebot jedoch annimmt, der/die wird die Auswirkungen davon schon hier und jetzt (bei aller menschlichen Unvollkommenheit und Schuldbelastung) als beglückende Befreiung und Bestärkung, als Aus-Weitung und Auf-Wertung des alltäglichen Lebens erfahren (und nach seinem/ihrem Tod als Leben in der Gegenwart der Liebe Gottes) . Die Zukunft der Schöpfung und der Sinn alles Geschaffenen sind bei Gott unverfehlbar vorgegeben. Nur wir Menschen haben die Freiheit der Entscheidung, ob wir selbst daran teilhaben wollen oder nicht.

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