Tote Materie, Staub der Erde, Atome und Moleküle, die sich sonst zu Felsen und Meeren und Gaswolken zusammenballen, bringt nun der Schöpfungswille Gottes dazu, dass sie in einem höchst differenzierten und unglaublich komplexen Funktionszusammenhang so miteinander in Beziehung kommen, dass sich ihr Zusammenwirken zu einer völlig neuen Daseinsform verbindet: Lebende Organismen, in denen ein völlig neues Sein beginnt: Stoffwechsel und Fortpflanzung, Wahrnehmen und Reagieren, Empfinden und Erkennen, Wollen und Handeln…
Leben besteht aus toter Materie. Was die toten Bausteine – Atome und Moleküle wie alle anderen auch – zum Leben erweckt, ist ein erster, leiser Hauch des Göttlichen in ihnen: ein „In-Beziehung-Sein“ (z. B. in immer differenzierteren und komplexeren Strukturen von verschiedensten organischen Verbindungen, die im Ganzen eines Organismus verschiedenste Funktionen wahrnehmen) und ein sich Einander-Zuordnen, um im Zusammenwirken einen immer komplexeren Funktionszusammenhang in Gang zu setzen. Leben ist tote Materie in dynamischer Beziehung und wechselseitigem Austausch. (Siehe dazu das Thema „Leben und Tod“ im Bereich „Grundfragen des Lebens“, dort sind die Zusammenhänge ausführlicher dargestellt).
Und Gott umkleidet die Erde mit einem Gewand aus lebendem Grün und atmender Vielfalt, in dem alles miteinander in Beziehung steht und voneinander abhängig ist. Aber auch das Leben ist noch längst nicht geeignet, „Ebenbild“ und Gegenüber der Liebe Gottes zu sein. Das Leben will leben und kann es nur auf Kosten anderen Lebens: Kampf ums Dasein, Fressen und Gefressen-Werden (freilich auch gegenseitiges Angewiesen-Sein und Symbiose). Trotzdem ist mit der Entstehung des Lebens ein ganz entscheidender Schritt getan, durch den Gott seine eigentliche Schöpfungsabsicht verwirklichen will.
So ist nun durch den Impuls des göttlichen Willens im Nichts die Materie entstanden und inmitten der Materie das Leben. Aber auch dieses ist noch nicht das Ziel der Schöpfung. Noch ist in ihr das Eigentliche, nämlich das Wesen Gottes selbst, die Liebe, nicht vergegenwärtigt. Das aber ist Ziel der Schöpfung, dass das Göttliche als das einzig und eigentlich Seiende in der Schöpfung gegenwärtig ist, und für Gott, den Schöpfer, zum „Eben-Bild“, zum Gegenüber und Geliebten wird. Und das soll sich nach dem Willen des Schöpfers im Menschsein vollziehen. Was damit konkret gemeint ist, werden wir sehen (siehe die folgenden Beiträge 4 bis 8). Menschen zu allen Zeiten in allen Kulturen können etwas ahnen (wenn sie sich nicht intellektuell dagegen wehren) von der Sinnhaftigkeit ihres Daseins und sie suchen mit allen ihren Denkmöglichkeiten und mit ihrer ganzen Phantasie und Kreativität etwas von von einem solchen „Daseins-Sinn“ zu erfassen.