Bereich: Grundfragen des Lebens

Thema: Die Frage nach dem Sinn

Beitrag 6: Anstoß und Entfaltung des Menschseins 3 (Bodo Fiebig21. Oktober 2022)

Spirituelle Entwicklungen

„Geistige“ (man könnte auch sagen „intellektuelle“) Entwicklungen und „spirituelle“ (man könnte auch sagen „weltanschaulich-religiöse“, also Sinn-orientierte) Entwicklungen haben sich in der der Entwicklungsgeschichte der Menschheit gegenseitig befruchtet. Sie sind im gleichen Entwicklungsprozess in Gang gekommen und haben sich in gegenseitiger Abhängigkeit und Anregung entwickelt. Der denkende Mensch war (fast) von Anfang an auch ein Sinn-Sucher. Trotzdem ist „die Frage nach dem Sinn“ ein Entwicklungsschritt, der über alles, was im Tierreich möglich ist, weit hinausgeht. Sie setzt voraus, dass ein Lebewesen nicht nur die Möglichkeit hat, einzelne Gegebenheiten und Vorgänge wahrzunehmen und darauf zu reagieren, sondern Zusammenhänge zu erkennen, die nicht nur das „Was?“ und „Wie?“ eines Vorgangs betreffen, sondern auch das „Warum?“ und das „Wozu?“.

An einfachen Beispielen angedeutet (obwohl das jeweils noch gar nichts mit „Spiritualität“ im engeren Sinn zu tun haben muss):

Ein Grundschüler in der ersten Klasse nimmt (gern oder ungern) die Anforderungen des Schulalltags auf sich, weil es eben so ist: „Die Lehrerin lehrt, die Schüler lernen und die Schule ist der Ort, wo man lehrt und lernt und manchmal macht es ja auch Spaß mit den anderen zusammen zu lernen und dann auch miteinander zu spielen“.

Eine Schülerin in der vierten Klasse hat schon ein weitergehendes Verständnis von „Schule“ und „lernen“: Sie überlegt sich, ob sie nach der vierten Klasse in ein Gymnasium wechseln möchte. Noch hat sie keine gefestigte Vorstellung davon, welchen Beruf sie später einmal ergreifen möchte, aber sie hat schon verstanden, dass die Entscheidung jetzt, in der vierten Klasse, eine wichtige Weichenstellung für ihre spätere Berufswahl darstellt.

Ein Schüler der achten Klasse befindet sich nicht nur in der körperlichen Umbruchphase der Pubertät, sondern gleichzeitig auch in der ersten Sinn-Krise seines Lebens: „Wer bin ich und wer will ich sein? Wie sehe ich mich selbst und wie sehen mich die anderen? Welche Personen sind meine Vorbilder und wie will ich auf gar keinen Fall sein und werden? Welche „Welterklärungs-Muster“, die ich als Kind gelernt habe, sehe ich jetzt eher kritisch oder ablehnend? Was bedeutet mein Dasein in dieser Welt und was will ich in meinem Leben erreichen?“

Eine Schülerin der Abiturklasse hat vielleicht schon ein gefestigtes Selbstbild: „Ich bin jemand, die gern mit Menschen zu tun hat, vielleicht sollte ich Medizin studieren oder Psychologie oder doch Pädagogik? Jedenfalls ist für mich „Geld verdienen und Spaß haben“ allein noch keine Sinn-Erfüllung für mein Leben, obwohl das natürlich auch dazugehört. Mein Kinder-Glaube hat sich verändert, teilweise auch ganz aufgelöst, aber ich habe nun ein eigenes Verständnis meiner Lebenswirklichkeit und Lebensgeschichte (und der Wirklichkeit und Geschichte meiner Umwelt), das mein Selbstbewusstsein trägt, mit dem ich mich aber auch einer tragenden Glaubensgemeinschaft zuordnen kann.“

Wir merken: Die Sinn-Frage ist keine wahnhafte Fehlentwicklung menschlichen Denkens (wie manche meinen), sondern in jedem Menschenleben unumgänglich notwendig.

1 Die Sinn-Sucher

Die Sinn-Frage hat sich viel direkter und folgenreicher auf die Entwicklungsgeschichte der Menschheit ausgewirkt, als wir das zumeist annehmen. Freilich: Die Entstehung des Universums und des Lebens (siehe Beitrag 1 „Im Anfang“) wären allein für sich (und für uns) noch nicht Sinn-voll. Was hätten Menschen, die vor Jahrtausenden hier auf der Erde um ihr Leben und Überleben kämpfen mussten, anfangen sollen mit kosmischen Vorgängen und biologischen Entwicklungen, die Jahrmillionen in Anspruch genommen haben?

Trotzdem waren auch damals, in den Frühphasen menschlicher Entwicklung, die Menschen schon Sinn-Sucher. Sie mussten es sein. Die Menschen waren für den „Kampf ums Dasein“ höchst unzureichend ausgestattet: Sie konnten nicht so schnell laufen wie ein Reh, waren nicht so stark wie ein Bär, konnten nicht so gut riechen wie ein Wolf, nicht so gut hören wie ein Luchs, nicht so scharf sehen wie ein Adler, hatten weder Pelz noch Federn für den Winter, weder Hauer noch Klauen für den Kampf … Aber sie hatten Intelligenz und Phantasie. Und damit konnten sie Zusammenhänge erkennen, Kausalketten durchschauen, Zukunftsprojektionen entwerfen, Pläne schmieden und in die Tat umsetzen … Und so gewannen sie nach und nach alle Existenzkämpfe. Die einzigen „Feinde“ die wir Menschen im 21. Jahrhundert noch fürchten müssen, sind (außer ein paar Bakterien und Viren) wir Menschen selbst.

Wir Menschen können Sinnzusammenhänge vor allem dann verstehen, wenn sie eine „Geschichte“ erzählen, die uns an unsere eigenen Erfahrungen erinnert: Ereignisse reihen sich aneinander, es vollziehen sich Veränderungen, Neues entsteht… Ein großer Teil unserer Erfahrungswelt besteht aus solchen Abläufen und wir versuchen, in den Vorgängen so etwas wie Regeln und Gesetzmäßigkeiten zu erkennen, Ursache-Wirkung-Zusammenhänge wahrzunehmen, Bedeutung und Hintergründe zu erschließen, so dass wir Anhaltspunkte haben, wie wir in den aktuellen Situationen sinnvoll leben und handeln können (das galt vor zehntausend Jahren für einen Buschjäger in der afrikanischen Savanne genau so, wie heute für einen Spekulanten an einer internationalen Börse). Wir Menschen sind Geschichten-Erzähler und Geschichten-Versteher.

Sinn-voll erscheinen uns die welterklärenden Sinn-Geschichten (Narrative) dann, wenn wir in diesen „Geschichten“ selbst vorkommen, wenn sie uns erklären, wie unser kleines Leben in die großen Zusammenhänge der Welt passt, und: wenn in allem Geschehen und Verstehen eine Richtung und ein Ziel erkennbar wird.

So sind wir ständig auf der Suche nach solchen sinnstiftenden „Geschichten“. Und wo wir in dem, was wir erleben, die Zusammenhänge nicht durchschauen, fangen wir an, selbst Deutungs-Geschichten entwickeln, die uns das Unerklärliche sinnvoll verstehbar machen sollen (siehe das Thema „Weltreligionen und biblischer Glaube“, Beitrag 1 „Was ist Religion?“).

Menschen sind notwendigerweise Sinn-Sucher. Die Erfahrungen von Menschen und Menschen-Gemeinschaften in Jahrtausenden haben ihnen gezeigt, welchen großen und überlebenswichtigen Vorteil es bedeutet, wenn sie die Vorgänge und Abläufe in ihrer Umgebung so weit durchschauen, dass sie einigermaßen angemessen und „Sinn-voll“ reagieren können. Und: wenn sie vorausdenken können, wie es wahrscheinlich weitergeht. Denn dann können sie sich vorbereiten auf das Kommende – und (wenn ihre Interpretationen des Vergangenen und ihre daraus abgeleiteten Erwartungen für das Zukünftige zutreffend waren) überleben.

Das gelingt dann am besten, wenn Menschen und Menschen-Gemeinschaften nicht nur einzelne isolierte Vorgänge zu verstehen versuchen, sondern wenn sie in den einzelnen Vorgängen größere Zusammenhänge erkennen. Die Fähigkeit, Einzelerfahrungen zu verknüpfen und Zusammenhänge wahrzunehmen und zu verstehen, gab den Menschen in ihrer Umwelt eine gewisse Sicherheit. Und die positiven Erfahrungen, die man damit machte, weckten den Wunsch und das Bestreben, nun alle Facetten der eigenen Weltwahrnehmung in ein umfassendes „Bild“ ihrer Welt und Umwelt einzuordnen und sie dann in einem eigenen (persönlichen und kollektiven) „Weltverständnis“ zusammenfassend und Sinn-gebend zu deuten.

Der Mensch, jeder Mensch, ob Nobelpreisträger oder geistig Behinderter, ist notwendigerweise und unausweichlich ein Sinn-Sucher, das heißt, er ist unheilbar religiös. Die Religionen der Menschheit sind ja aus den erzählten Sinn-Geschichten der Völker und Kulturen entstanden (und atheistische Narrative sind selbstverständlich auch solche Sinn-Geschichten). Und zugleich sucht der „Geschichtenerzähler“ namens „Mensch“ in allen Bereichen, wo er sich hilflos erfährt (und die gibt es heute noch wie vor Jahrtausenden), Hilfe in der Beziehung zu einem Du, das nicht neben, sondern über ihm steht, mächtig zu helfen und zu retten, aber auch mächtig zu richten und und zu strafen. Und so malt er sich aus: Himmel voller Götter, Berge und Bäume voller Dämonen, Sterne, die sein Schicksal bestimmen, kosmische Kräfte, eingefangen in Kristallkugeln, Steinen, Blüten, Handlinien, Karten … oder endlose Folgen von Wiedergeburt und immerwährendes Mühen um Vervollkommnung bis zur endlichen Erlösung.

… Und in vielen dieser „Sinn-Geschichten“ spielen übermenschliche Mächte, die man hinter den vordergründigen Ereignissen vermutete, eine wichtige Rolle. (Siehe dazu auch im Thema „Weltreligionen und biblischer Glaube“ die Beiträge „Was ist Religion?“ und „Grundlagen des Glaubens“)

Allerdings bringt so ein erklärendes und sinnstiftendes „Welt-Bild“ (so anfanghaft unvollkommen es auch sein mag) auch die Notwendigkeit mit sich, nun auch die eigene Existenz in den Deutungs-Zusammenhang eines als stimmig und positiv empfundenen „Selbst-Bildes“ zu bringen (siehe dazu auch das Thema: „Wer bin ich?“). Der Mensch ist von der Welt-Erfahrung der Menschheit her und von seiner eigenen geistigen Konstitution her daraufhin ausgerichtet, sein eigenes Selbstverständnis in ein umfassenderes Weltverständnis einzuordnen. Nur dann gewinnt er ein stimmiges Gesamtkonzept, das ihm hilft, auch mit den Widrigkeiten seines Leben „Sinn-voll“ umzugehen. Menschen aller Zeiten und Kulturen fühlen sich gedrängt, ein für sie selbst stimmiges Selbst- und Weltverständnis zu entwickeln, das eine Sinn-Geschichte erzählt, die ihnen selbst eine bedeutungsvolle und positiv-sinnvolle Rolle in dem Geschehen zuschreibt.

Weiter oben haben wir zwischen geistigen und spirituellen Vorgängen unterschieden. Jetzt und im Folgenden reden wir speziell von „spirituellen“ Vorgängen, und somit von  Anstößen und Entwicklungen, die von Impulsen ausgehen, die vor allem von Bewertungen, Deutungen, Glaubenshaltungen … bestimmt werden. Solche „spirituellen Entwicklungen“ finden wir überall und zu allen Zeiten auf drei Ebenen:

  • auf der Ebene von Weltanschauungen und Philosophien
  • auf der Ebene von Religionen
  • und auf der Ebene von Ideologien

Zur Unterscheidung dieser drei Ebenen gibt es im Folgenden nur je eine kurze Anmerkung. Ausführlichere Darstellung sind in den jeweils dort angegebenen Themen schon vorhanden und können da nachgelesen werden.

1-1 Weltanschauungen und Philosophien

Weltanschauung“ nenne ich ein (in einzelnen Individuen, aber auch in Gesellschaften und Kulturen) historisch gewachsenes Selbst- und Weltverständnis, das versucht, die tatsächlichen und jeweils verfügbaren Erfahrungen und Informationen in einem als schlüssig empfundenen „Welterklärungs-Modell“ zusammenfassend darzustellen.

Als „Philosophie“ werden hier Bemühungen bezeichnet, die Gesamtheit aller Phänomene in einen gemeinsamen Erklärungs-, Deutungs- und Bedeutungs-Rahmen einzuordnen.

(Siehe dazu auch das Thema „Der Sturm der Erkenntnis“, und dort besonders den Beitrag Das Innenbild der Außenwelt“)

 

1-2 Religionen

Religionen“ enthalten (unter anderem) jeweils ein Selbst- und Weltverständnis, das nicht nur auf den eigenen und jeweils verfügbaren (individuellen und kollektiven) Erfahrungen und Informationen beruht, sondern auch auf Offenbarungen (und deren spätere Interpretation), die den Menschen (gewollt oder ungewollt) von einer offenbarenden Instanz entgegengebracht werden.

(Das ist hier sehr dürftig und verkürzt ausgedrückt. Siehe dazu auch das Thema 2-5 „Weltreligionen und biblischer Glaube“), dort werden die Zusammenhänge ausführlicher dargestellt.)

1-3 Ideologien

Ideologien“ gehen (anders als Weltanschauungen, Philosophien und Religionen, siehe oben) nicht von Tatsachen (Realitäten) aus und von tatsächlichen Erfahrungen und Informationen, sondern von einem Welt- und Selbstverständnis, das die eigenen (individuellen und kollektiven) Ideen, Wunsch- und Zielvorstellungen zu allgemeingültigen Tatsachen und absoluten Notwendigkeiten erklärt, denen sich dann auch alle tatsächlichen Erfahrungen und Informationen unterordnen müssen. Die Entwicklung von Ideologien wird zwar von tatsächlichen Erfahrungen (vor allen von Erfahrungen der Benachteiligung und Not) angestoßen, sie verengt sich aber dann auf eine einzige Leit-Idee, die alles umfassen und alles erklären will.

Die selbst entwickelten „Sinn-Geschichten“ der Menschen sind ja immer so angelegt, dass sie die „Erzähler“ selbst (als Einzelne oder als Kollektiv) als die positiven Sinn-Träger der Geschichte deuten und herausstellen (und das geht am leichtesten, in dem man „die anderen“ als negative Gegen-Pole darstellt). Das verschärft oft schon bestehende Konflikte. Wenn Menschen z. B. die Geschichte der Menschheit als „Rassenkampf“ verstehen und sie sich selbst als „Arier“ empfinden und sie in den Ariern als „Rasse“ die entscheidenden Kulturträger der Menschheitsentwicklung sehen, welche berufen sind, diese Entwicklung zu einer großartigen und Menschheits-rettenden Vollendung zu führen und zugleich „die anderen“ (z. B. „die Juden“) als „Menschheits-Schädlinge“, die das Erreichen dieses großen Menschheits-Zieles verhindern wollen, so kann das ganz konkret zu wahrhaft „unmenschlichen“ Denk- und Handlungsweisen führen. Ebenso, wenn Menschen z. B. meinen, als „Proletarier“ jener „Klasse“ der Menschheit anzugehören, die unaufhaltsam die Zukunft der Menschheit in der „klassenlosen Gesellschaft“ bestimmen und zum Guten führen wird, und wenn sie „die anderen“ (z. B. die „Kapitalisten“) als die „Bösen“ sehen, die das „Gute“ verhindern wollen usw.

Ideologische Deutungssysteme sind zwar anfangs meist Reaktionen auf tatsächliche und andauernde  Notlagen eines bestimmten Teiles einer Gesellschaft, können sich dann aber von ihren eigentlichen Ursachen lösen und als „Denksystem“ verselbständigen. Sie bedienen dann die egoistischen (und dann verabsolutierten) Bestrebungen einer Gruppe, die ihr Weltverständnis und ihr Selbstverständnis an diesem Denksystem ausrichtet. Und das bedingt (wenn man eine Ideologie zum politischen Programm macht) zwangsläufig autoritäre Gesellschaftssysteme, deren Denk-Mustern sich dann nicht nur alle Realitäten, sondern auch alle Menschen bedingungslos unterordnen müssen, denn Ideologien sind Wunschträume, in denen eine bestimmte Gruppe von Menschen sich (zunächst spirituell, dann auch faktisch) über alle anderen erhebt. Man könnte es auch so sagen: Ideologien sind selbsterdachte und selbstgemachte, gruppen-egoistisch motivierte „Ersatz-Religionen“. Solche Ideologien lassen sich immer sich nur zeitlich begrenzt und mit Gewalt gegen die Realitäten der Welt und gegen die Realitäten des Menschseins durchsetzen.

(Siehe dazu auch das Thema 5-2 „Die Revolution und ihre Kinder“)

 

2 Sinn und Ethik

Die spirituelle Entfaltung menschlichen Denkens und Verstehens (in Weltanschauungen, Philosophien oder Religionen) ist kein „überflüssiger Luxus“ menschlichen Denkens, sondern sie ist unbedingt notwendig für die Entwicklung von ethischen Grundsätzen, Einstellungen und Wertungen. Ohne sie wären das Leben und Zusammenleben der verschiedenen Sippen, Gruppen und Völker nur auf den „natürlichen“ Grundlagen vom „Kampf ums Dasein“, vom „Recht des Stärkeren“ und vom täglichen „Fressen-und-gefressen-werden“  möglich.

Ethische Einstellungen und Wertungen entstehen nicht durch Zufall und nicht durch „Evolution“. Im Gegenteil: Eine Evolution, die wesentlich vom „Kampf ums Dasein“ vorangetrieben wird, könnte immer nur eine „Moral“ des individuellen und kollektiven Vorteils auf Kosten der „Anderen“ hervorbringen und niemals eine „Ethik der Mitmenschlichkeit“, die auch dem Fremden, dem „nicht zu uns Gehörenden“ zugute käme (und dem Schutz des Lebens und der Erhaltung der Natur allgemein). Evolution ist ja so definiert, dass sie immer auf den überlebens-entscheidenden Vorteil für „meine Person“ bzw. für „unsere Wir-Gemeinschaft“ im „Kampf ums Dasein“ ausgerichtet sein muss, weil es eben dieser Vorteil ist, der „mir“ und „uns“ das Überleben sichert.

Eine „Ethik der Mitmenschlichkeit“, die nicht auf das Überleben der Starken durch die „Selektion“ der Schwachen im  „Kampf ums Dasein“ setzt, sondern sondern auf das Miteinander und Füreinander der Starken und Schwachen, der Alten und Jungen, der Männer und Frauen, der Mächtigen und Machtlosen, der Armen und Reichen, der Mehrheiten und Minderheiten …, so eine „Ethik der Mitmenschlichkeit“ könnte nur auf der Grundlage einer „Sinnhaftigkeit des Daseins“ entstehen, die über den Selbsterhaltungstrieb des Lebens hinausginge. Die Natur (und die Evolution der Natur) könnten von sich aus niemals eine Ethik hervorbringen, durch welche die Egoismen der Einzelnen und Gruppen begrenzt, eingehegt und geöffnet werden könnten für ein Miteinander und Füreinander der Verschiedenen und auch der Fremden und Andersartigen.

Allerdings: Welt-Anschauungen, Philosophien und Religionen sind immer in der Gefahr, zu Ideologien zu werden, die das „Gute“, das sie eigentlich wollen, verfehlen und ins (egoistische) Gegenteil verkehren (siehe die oben genannten Beispiel von den „Rassen“ und „Klassen“). Und das bedeutet, dass die Ausrichtung und die Auswirkungen von spirituellen Vorgängen immer auch davon abhängen, wie die Einordnung der eigenen Erfahrungen in eine übergeordnete „Welt-Anschauung“ gelingt (das heißt: ob sie durch Einordnung von Erfahrungen, Informationen und Fakten in einen erklärenden Gesamt-Zusammenhang  geschieht, oder durch Verzerrung und Verfälschung in einer sich selbst verklärenden „Ideologie“).

„Geistige“ und „spirituelle“ Entwicklungen machen bei den Menschen (als Einzelne oder als Kollektive) einen ganz wesentlichen Teil ihrer Identität aus (neben dem körperlichen Aspekt). Aber: Alle Sinn-Deutungen, die sich Menschen selbst geben, erreichen nicht das Ziel, ja nicht einmal die Zielrichtung, die dem Menschsein als Erfüllung seines Daseins angeboten sind. Dieses Ziel muss dem Menschen offenbart werden und die Weg-Führung dahin kann er nur als „Gabe und Aufgabe“ empfangen (siehe den entsprechenden Abschnitt im nächsten Beitrag „Anstoß und Entfaltung der Sinnerfüllung des Menschseins“).

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