„Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde“. So beginnt der biblische Bericht von der Entstehung unserer Welt. Aber kann dieser Satz für uns, heute, im 21. Jahrhundert noch gültig sein? Setzt er nicht etwas voraus, was erst noch erwiesen werden müsste: Dass die Welt in der wir leben, tatsächlich etwas Erschaffenes ist, etwas von einem Schöpfer bewusst Gemachtes und Gestaltetes? Viele wehren sich gegen eine solche religiös motivierte Vor-Festlegung. Stellen wir uns also der Frage, um die es hier zunächst geht: Ist diese Welt etwas zufällig Gewordenes oder ist sie etwas bewusst Geschaffenes? Diese Frage markiert den Unterschied zwischen biblischem und atheistischem Weltbild. Und an der Antwort auf diese Frage entscheidet sich alles. Wirklich alles!
Wenn die Welt, in der wir leben, etwas zufällig Gewordenes ist, dann existiert alles in ihr ohne Sinn und Ziel, dann ist auch unser eigenes Leben zufällig und sinnlos (denn woher sollten in einer zufällig gewordenen Welt plötzlich ein Sinn und ein Ziel kommen?). Dann lebt ein Lebewesen, ob Einzeller, Pflanze, Tier oder Mensch, solange es sich im „Kampf ums Dasein“ zu behaupten vermag und stirbt, sobald es einem Stärkeren begegnet (oder wenn die nötigen Lebensbedingungen nicht in ausreichender Weise gegeben sind); und beides, sein Leben und sein Sterben wäre völlig ohne Bedeutung. Selbstverständlich könnten auch dann Menschen sich irgendwelche Sinn-Deutungen ausdenken (und haben das auch immer wieder getan), Legenden, in der sie selbst die große Heldenrolle spielen. Aber diese würden gleich wieder in Frage gestellt durch die Sinndeutung des Nachbarn, die (selbstverständlich) diesem die Heldenrolle zuweist und dem Erstgenannten die Rolle des minderwertigen Sklaven.
Wenn es keinen von der menschlichen Phantasie unabhängigen Sinn gäbe, dann gäbe es auch keine Entscheidung und keine Handlungsweise, die man „richtig“ oder „falsch“ nennen könnte (denn woher sollte in einer sinnlosen Welt ein Maßstab kommen dafür, was „richtig“ oder „falsch“ wäre?), und es gäbe erst recht kein Verhalten, das man „gut“ oder „böse“ nennen könnte (denn woher sollten in einer sinnlosen Welt ethische Wertvorstellungen kommen)?
Zwischenmenschliche Abmachungen (also Gesetze) über das „Richtige“ oder „Falsche“, das Erlaubte oder Verbote reichen dazu nicht aus, denn die Geschichte lehrt uns überdeutlich, dass zu manchen Zeiten und in manchen Gesellschaften die verabscheuungswürdigsten Verbrechen (gegen „die anderen“) nicht nur erlaubt, sondern von den „Obrigkeiten“ sogar gefordert und befohlen werden. In einer sinnlose Welt kann auch der „gute Wille“ von Menschen keine allgemeingültige Ethik hervorbringen, denn was der eine für „gut“ hält, kann für einen anderen „böse“ sein. Ob wir uns in einer sinnlosen Welt in einer bestimmten Situation so oder ganz anders entscheiden und verhalten würden, wäre ganz und gar gleichgültig. Oder zugespitzt personalisiert: Adolf Hitler und die Judenvernichtung in Auschwitz oder Mutter Theresa und Ihr Einsatz für die Armen und Sterbenden in Kallutta wären in ihrer Bedeutung und ihren Wert gleich, nämlich nichts.
Wenn aber die Welt, in der wir leben, etwas bewusst Geschaffenes ist, geschaffen von einer Kraft, die für die ganze Schöpfung nicht nur einen Anfang und ein Ende bestimmt hat, sondern auch einen Sinn und ein Ziel, dann gäbe dieser umfassende Schöpfungs-Sinn auch unserem eigenen Leben eine Bedeutung, gäbe unserer Existenz einen bleibenden Wert. Dann wäre es Sinn-voll, in dieser Welt verantwortlich zu leben und zu handeln. Dann gäbe es Entscheidungen und Handlungsweisen, die man „richtig“ oder „falsch“ nennen müsste (weil sie diesem vorgegebenen Schöpfungs-Sinn entsprechen oder nicht), vielleicht sogar „gut“ oder „böse“ (siehe das Thema „gut und böse“).
Trotzdem: Wir wollen die Frage, ob diese Welt etwas zufällig Gewordenes oder etwas bewusst Geschaffenes ist, vorläufig offen lassen. Eines können wir aber jetzt schon sagen: Unabhängig davon, ob unsere Existenz in dieser Welt objektiv gesehen (falls das überhaupt möglich ist) sinnvoll oder sinnlos wäre, so wäre es doch subjektiv gesehen für das Leben und das Zusammenleben der Menschen in höchstem Maße sinnvoll, für unser Dasein einen Daseins-Sinn anzunehmen (oder notfalls selbst einen zu erfinden!) denn nur dann, wenn unser Leben einen Sinn hat (oder wir einen Sinn annehmen und an ihn glauben), der über die bloße Daseinsvorsorge und Daseinsbehauptung hinausgeht, nur dann wären Lebensformen und Handlungsweisen möglich, die man „menschenwürdig“ und „verantwortungsvoll“ nennen könnte (wobei die Maßstäbe dafür, was wir „menschenwürdig“ und „verantwortungsvoll“ nennen wollen, hier noch im Dunklen bleiben, wir werden aber noch darauf zurückkommen). Freilich würden (so lehrt uns die Menschheitsgeschichte) diese menschengemachten Sinn-Deutungen auf Dauer immer an den individuellen und kollektiven Egoismen eben dieser Menschen scheitern.
Ohne menschenwürdige und verantwortungsvolle Lebensformen und Handlungsweisen aber wären unser Leben und Zusammenleben dem „Kampf ums Dasein“, dem Gesetz von „fressen und gefressen werden“ und dem „Recht des Stärkeren“ hilflos und unentrinnbar ausgeliefert. Das heißt: Religion als Sinn-Hintergrund des Daseins wäre auch dann noch „sinnvoll“, wenn unsere Welt tatsächlich etwas zufällig Gewordenes wäre! Aber ist sie das denn?
Wir wollen uns bei der Antwort auf diese Frage nicht vorschnell festlegen. Dass der Mensch nach Sinnerfüllung für sein Dasein sucht, ist unbestreitbar; ob er dabei nur seine eigenen Wünsche und Ängste nach außen projiziert, ist (wissenschaftlich gesehen) ungewiss. Gehen wir also der Frage nach dem Sinn des Daseins ein Stück weit nach, mit der Frage, welche realen Auswirkungen die beiden oben genannten Alternativen (Attheismus oder Schöpfungsglaube) im realen Leben hätten. Wir werden sehen: Aus beiden, dem biblischen oder dem atheistischen Weltbild (oder dem Weltbild der verschiedensten Weltanschauungen und Religionen) ergeben sich Konsequenzen (siehe das Thema „Die Ethik des Atheismus”, Beitrag 3 „Evolution oder Menschlichkeit?”). Folgen wir hier den beiden Alternativen „biblischer Glaube oder Atheismus“ im Nachdenken bis zum Schluss und entscheiden uns dann, welcher von ihnen wir im tatsächlichen Leben und in konkreten Entscheidungs-Situationen wirklich folgen wollen, weil sie uns ein menschenwürdiges Leben ermöglicht.
Beginnen wir da, wo alles Sein mit einem großen, spektakulären Geschehen begann. Beginnen wir bei jenem Ur-Ereignis, durch das vor unvorstellbar langer Zeit in einem Bruchteil von Sekunden alles Sein den Anfang nahm – und bei der Frage nach dem, was diesen Prozess der Welt-Werdung in Gang setzen und voranbringen konnte. Der biblische Glaube ist ja an dieser Stelle einig mit dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Forschung: Es gab einen „Anfang des Seins“ (der erste Satz der Bibel lautet „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“). Es gab einen „Urknall“ der Weltentstehung.
Freilich: Unser menschliches Denken und auch unsere blühendste Phantasie reichen nicht im Entferntesten aus, uns das mit dem Wort „Urknall“ Gemeinte einigermaßen konkret vorzustellen. (Dieses Wort „Urknall“ ist ja selbst schon ein „Bild“, das versucht, die mathematische Formelsprache der Astrophysiker irgendwie in für Menschen denk-mögliche Vorstellungen zu übersetzen). Versuchen wir im nächsten Beitrag „Das Bild der Schöpfung“ dieses „Bild“ noch etwas „anschaulicher“ auszumalen.