Bereich: Grundfragen des Lebens

Thema: Die Frage nach dem Leid

Beitrag 3: Der Plan Gottes (Bodo Fiebig20. Oktober 2017)

Beginnen wir mit einem kleinen Dialog:

A: „Es geschehen so viele schlimme Dinge, so viel Betrug, Gewalt und Mord auf dieser Erde. Wenn es einen Gott gibt, die all dies geschaffen hat, dann muss das ein sehr böser Gott sein.“

B: „Warum meinst du das? Die schlimmen Dinge, die du ansprichst, werden doch nicht von Gott gemacht, sondern von Menschen, welche die guten Gebote Gottes verlassen haben: Du sollst nicht stehlen, du sollst nicht verleumden, du sollst nicht töten …“

A: „Das mag ja sein, aber Gott lässt alle diese bösen Taten zu, obwohl er sie doch verhindern könnte. Das ist die Schuld Gottes!“

B: „Aber Gott lässt sie doch gar nicht zu. Im Gegenteil, er warnt immer wieder davor, gegen seine Weisungen zu leben. Nicht weil er die Täter dann bestrafen will, sondern weil die Täter sich selbst und jede menschliche Gemeinschaft zu Grunde richten.“

A: „Aber es geschieht doch trotzdem! Schau doch in diese Welt! So viel Unrecht und Gewalt, Folter und Mord! Ist Gott zu schwach, dem zu wehren oder will er es gar nicht? Einem Gott, der dem Bösen freien Lauf lässt, kann ich jedenfalls nicht vertrauen.“

B: „Dass Gott dem Bösen eben nicht freien Lauf lässt, davon wird im Folgenden ausführlicher die Rede sein. Trotzdem: Das ist schon wahr, Gott wehrt nicht allem Bösen, das auf dieser Erde geschieht. Aber, was wäre denn die Alternative? Ein Globus voller Automaten, die nur ganz bestimmte Handlungsoptionen haben. Für die immer schon im Voraus feststeht, wie sie sich in bestimmten Situationen verhalten werden, ein Zwang zum Gehorsam gegenüber dem, was der oberste Machthaber als Anweisung vorgibt, unausweichlicher als jeder Instinkt, ohne jede Möglichkeit zu eigener Entscheidung. Das ist das das Gesellschaftsideal menschlicher Diktatoren, nicht Gottes!“

A: Dann bleibt uns also nur, das Leid zu ertragen, ohne Hoffnung, dass es je besser wird?

B: Nein, denn diese Welt ist eben kein Zufallsprodukt, sondern Schöpfung. Und für diese Schöpfung hat Gott einen Weg und ein Ziel. Gott hat einen Plan, wie er für immer dem Leid ein Ende machen will und wie er in der Zeit bis dahin mitten in einer Welt, in der es auch das Leid gibt, Freiräume des Lebens und der Liebe schaffen will, in denen nicht nur das Leben, sondern auch die Freude zur Entfaltung kommt.

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1 Das Vorhaben Gottes

Versuchen wir, diesen Plan in einfachsten Linien nachzuzeichnen (und das können wir nur, weil uns Gott nicht als willenlose Automaten betrachtet, sondern als Mitarbeiter in seinem Heils-Vorhaben, und er uns deshalb in groben Zügen -nicht im Detail – in seinen Plan einweiht):

Gott hatte in einem ersten gewaltigen Schöpfungsakt in einem substanzlosen, wesenlosen Nichts das Universum geschaffen: Ungeheure Ansammlungen und Ströme von Materie und Energie in unvorstellbaren Räumen und Zeitabläufen. (Siehe das Thema „Die Frage nach dem Sinn”, Beitrag 1 „Der Anstoß des Seins”).

In einem zweiten, nicht minder großartigen Schöpfungsvorgang hat er dann auf einem der bedeutungslosesten Materieklumpen in einem der Milliarden Sternensysteme am Rande einer der Milliarden Galaxien an einer mikroskopisch kleinen Stelle im All etwas entstehen lassen, das aus den Strukturen der Materie, aus den Potenzialen der Energie, aus den Weiten des Weltraums und den Jahrmilliarden der Geschichte allein nie zu erklären ist: Das Leben. Das Leben, das nur lebensfähig bleiben kann, wenn es auch leidensfähig ist. (Siehe das Thema „Die Frage nach dem Sinn”, Beitrag 2 „Das Wunder des Lebens”. Siehe auch das Thema „Leben und Tod”.)

Aber auch mit der Erschaffung und Entwicklung des Lebens ist noch nicht das Ziel der Schöpfung erreicht. Das Leben ist immer gefährdet und immer begrenzt. Der Schöpfer aber wollte und will in seiner Schöpfung etwas erwecken, das so unbegrenzt und unzerstörbar ist, wie er selbst und das mit ihm selbst in Beziehung treten kann. Wir werden noch sehen, was das ist.

Der selbstverständliche und natürliche Impuls aller lebenden Kreatur ist (notwendigerweise!) der Egoismus. Ich will leben, also muss ich dich töten, damit ich von dir leben kann. Das Normale und Selbstverständliche ist die Kreatur, die sich auf Kosten einer anderen Kreatur am Leben hält. Das gilt trotz allem Füreinander des Lebens, das es ja auch gibt in Lebensgemeinschaften und symbiotischen Beziehungen. Das Selbstverständliche und Normale ist der „Kampf ums Dasein“ und das „Fressen und Gefressen-Werden“. Und wir Menschen stehen da mitten drin als ein Glied in dieser „Nahrungskette“. Auch wir leben ja vom Tod anderen Lebens, von Pflanzen und Tieren. Das Normale und Natürliche ist es, dass der Stärkere sich durchsetzt und den Schwächeren frisst. Unter den Tieren gilt das ganz wörtlich, unter den Menschen im übertragenen Sinne manchmal auch.

Nach den Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung dürfte es das Leben gar nicht geben, und erst recht nicht – weil noch viel, viel unwahrscheinlicher- so etwas wie Frieden, Freude, Glück. Denn das würde ja voraussetzen, dass ein Lebewesen seine eigenen Interessen und seinen eigenen Überlebenswillen hintenanstellt, um einem andern zu helfen, der in Not ist, dass einer einen innerlich oder äußerlich Verletzten pflegt, ohne dessen Schwäche zum eigenen Vorteil auszunutzen, dass einer von seinem Überfluss abgibt, damit ein anderer, der nichts hat, leben kann. Das aber ist etwas ganz und gar Unwahrscheinliches, etwas von Natur aus eigentlich Unmögliches (jedenfalls, wenn man die Entwicklung (die Evolution) des Lebens auf Mutation und Selektion begrent).

Das Leid und der Tod sind das Natürliche. Eine Zuwendung aber, die nicht vor allem das eigene Wohlergehen sucht (oder das Wohlergehen der eigenen Familie, Sippe, Volksgruppe …) , sondern das, was einem andern, vielleicht sogar einem Fremden, einem uns möglicherweise feindlich Gesinnten gut tut und hilft, die ist etwas Widernatürliches. Verstehen Sie mich nicht falsch: Paarung und Sexualität und Brutpflege sind etwas Natürliches, denn sie dienen ja der Erhaltung der eigenen Art, der Stärkung des eigenen Rudels, der eignen Familie oder Sippe, und damit auch den eigenen Lebens- und Überlebenschancen. Eine Mitmenschlichkeit aber, die sich einem anderen selbstlos zuwendet, ist von der Natur nicht vorgesehen. Und trotzdem gibt es sie. Sie ist nicht natürlich. Sie ist göttlich.

Und nun berichtet uns die Bibel von etwas ganz Seltsamem, nämlich dass Gott aus der Fülle des Lebens sich ein einziges Lebewesen herausgreift und ihm eine besondere Aufgabe gibt, nämlich die Aufgabe, mitten im Leben, mitten in der Natur, wo eines das Andere frisst, um selbst zu überleben, diese göttliche Liebe zu vergegenwärtigen, als (wenn auch immer unvollkommenes) „Bild” des Schöpfers in der geschaffenen Welt. 1.Mose 1,27: Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn … (Siehe das Thema „AHaBaH -. das Höchste ist lieben“ im Bereich 2 „Grundfragen des Glaubens“.)

Der Mensch ist im Vergleich zu allem Vorangegangenen eine wirkliche Neuschöpfung Gottes, obwohl er – materiell gesehen – aus den selben Atomen besteht wie alles andere auch und trotz seiner biologischen Nähe zu den Säugetieren. Und dieses „ganz Neue“ ist nicht materieller und nicht biologischer Art, sondern besteht in einer besonderen, nur die Menschen betreffenden Berufung: Die Schöpfung „Mensch“ soll „Bild“ sein, Ikone – Ikone Gottes, das heißt: sichtbare Darstellung des Schöpfers in der Schöpfung, anschaubare Vergegenwärtigung Gottes mitten in einer scheinbar gottlosen Welt. Dabei ist der Mensch keine optische Abbildung Gottes, als wäre Gott ein Wesen mit menschenähnlicher Gestalt, mit Armen und Beinen, mit Augen, Mund und Nase… (dann wäre ja Gott ein Abbild des Menschen, und so haben sich Menschen zu allen Zeiten ihre Götter vorzustellen versucht, schauen Sie sich doch die Götterbilder der Religionen an). Nein, der Mensch ist keine optische Abbildung Gottes sondern eine wesentliche. Durch das Menschsein soll das Wesen Gottes in der Schöpfung anwesend sein. Aber, wer ist Gott, was ist denn sein eigentliches Wesen? Und wozu hat er uns geschaffen und was erwartet er von uns? Die Antworten auf solche Fragen sind von uns aus nicht zugänglich. Wir können mit den Mitteln menschlicher Erkenntnisfähigkeit nur so viel von Gott erfassen und mit den Mitteln menschlicher Sprache nur so viel von Gott aussagen, als er selbst sich uns offenbart.

Und Gott hat sich offenbart: In der Schöpfung, in der Geschichte Israels, im Leben, Reden und Handeln Jesu, auch in der Geschichte der Christenheit der vergangenen 2000 Jahre und in der Weltgeschichte und Heilsgeschichte bis heute (siehe auch den Themenbeitrag „Welt- und Heilsgeschichte“). Und in dieser Selbstoffenbarung Gottes über Jahrtausende hinweg können wir wahrnehmen, dass die Existenz Gottes wesentlich in einem „In-Beziehung-Sein“ besteht, einem „In-Beziehung-Sein“, das wir mit den Mitteln der menschlichen Sprache (freilich völlig unzureichend, aber wir haben keine Alternative) mit dem Begriff „Liebe“ umschreiben.

In der Bibel klingt das so: 1. Joh 4, 7-8: Ihr Lieben, lasst uns einander liebhaben; denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist von Gott geboren und kennt Gott. Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist die Liebe. Das also (das, was hier mit dem Begriff „Liebe” umschrieben wird), das ist es, was das Gott-Sein Gottes ausmacht, sie ist sein eigentliches „Wesen”, seine „Substanz”, seine „Identität”.

Die Bibel beschreibt (in deutscher Übersetzung) das Wesen Gottes in drei Worten: Gott – ist – Liebe. Damit ist alles Wesentliche über den Gott der Bibel ausgesagt: Sein Wesen ist ein „Für-den-andern-da-sein“ in voraussetzungsloser Annahme, uneingeschränkter Zuwendung, unerschütterlicher Treue und opferbereiter Hingabe. Und diese Liebe, die das Gott-Sein Gottes ausmacht, die soll nun als sein „Ebenbild” auch das Mensch-Sein des Menschen bestimmen. Das, was das Menschsein des Menschen ausmacht, ist die Fähigkeit zu lieben. Zu lieben aus bewusster Hingabe an ein Du. Zu lieben, auch wenn es für das eigene Ich Nachteile einbringt. Zu lieben, und koste es das eigene Leben.

Solche Liebe, die sich bewusst an ein Gegenüber hingibt, die nicht sich selbst erhöhen, sondern dem andern zur Erfüllung seines Menschseins und zur Freude am Dasein helfen will, die sich aus freiem Willen für eine Gemeinschaft engagiert und die sich sogar selbst unter Zurückstellung des eigenen kreatürlichen Lebenswillens für das Gefährdete und Verlorene einsetzen kann, um es zu retten, das ist das Göttliche, das sich im Menschsein widerspiegeln soll als sein Ebenbild und das durch den Menschen in der Schöpfung gegenwärtig und wirksam sein soll.

Diese Liebe soll auch zur Überwindung des universalen Ego-Prinzips der Evolution beitragen im Miteinander der Menschen. Sie ist das Gegenmodell zum „Kampf ums Dasein”, zum Prinzip vom „Fressen und Gefressen-werden”, die sonst alles Leben beherrschen. In der Gemeinschaft des Menschseins soll und kann (trotz aller menschlichen Schwächen und Schuldanfälligkeit) die Verwirklichung eines Lebensstils praktizierter Liebe beginnen, durch den das aneinander verschuldete Leid vermindert und überwunden und das unverschuldete Leid erträglicher gemacht, ja manchmal ganz aufgehoben wird.

Das materielle, leibliche Leben bleibt schmerzempfindsam und sterblich, aber mitten in dieser Schöpfung und mitten im leidenden und todgeweihten Leben, mitten im „Kampf ums Dasein” und im „ Fressen und Gefressen-Werden” soll durch die tätige Liebe in der Gemeinschaft des Menschseins etwas verwirklicht werden, das so unzerstörbar und so unvergänglich ist wie Gott selbst: Die Liebe. Denn die Liebe ist das „Wesen” Gottes, seine „Substanz”, seine „Identität”, und so ist sie unzerstörbar und ewig, wie Gott selbst.

Wir werden sehen, dass es eben diese von Natur aus „unmögliche” Liebe ist, die eine (wenn auch vorläufige und nie ganz befriedigende) Antwort auf unsere Frage nach dem Sinn des Leidens möglich macht.

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2 Ein Perspektivenwechsel

Hatte Gott wirklich zuerst eine vollkommene Welt geschaffen, ein „Paradies”, in dem es nichts Böses, kein Leid und keinen Tod gab, und das dann durch den „Sündenfall” des ersten Menschenpaares verdorben wurde (und alles Leid danach, wäre „Strafe” für den Ungehorsam der ersten Menschen)? Wenn wir genau hinsehen, merken wir: Das steht in der Bibel so nicht drin, sondern diese Sichtweise beschreibt lediglich unsere gewohnte Interpretation der biblischen Texte. (Siehe das Thema „Schöpfungsglaube und modernes Weltbild”, Beitrag 1 „Erschaffung der materiellen und biologischen Umwelt”, dort sind die Zusammenhänge ausführlicher dargestellt.) Dabei geht es hier nicht darum, die biblischen Aussagen in Frage zu stellen, aber vielleicht müssen wir doch an einigen Stellen bereit sein, unsere Interpretationen der biblischen Texte zu hinterfragen. Zum Beispiel unsere Interpretationen des biblischen Schöpfungsberichts.

Wenn wir die Bibel ernst nehmen wollen, werden wir (als gläubige Christen oder Juden, andere leben ohnehin in anderen Vorstellungen) nicht darum herumkommen, einen Perspektivenwechsel vorzunehmen, eine grundlegende Wende unserer „Welt-Anschauung”, eine Neuinterpretation mancher biblischen Texte zur Schöpfung und damit auch eine Neuorientierung unserer Art und Weise, wie wir unsere Existenz in dieser Welt und Zeit sehen und verstehen:

Nein, der Urzustand der Schöpfung war nicht „das Paradies“, war nicht eine vollkommene Welt ohne Schmerzen, Leid und Tod. Weder aus der Bibel noch aus den wissenschaftlich erkennbaren Realitäten der Entwicklungsgeschichte des Lebens ist so etwas herauszulesen. (Siehe das Thema „gut und böse”, Beitrag 1 „Die Realität von Gut und Böse”.)

Nein, Adam war nicht er erste Mensch, den Gott aus einem Lehmkloß gemacht hatte. Auch diese Annahme ist biblisch nicht gerechtfertigt und naturwissenschaftlich gesehen unsinnig. (Siehe das Thema „Adam, wer bist du?” im Bereich 6 „Wege im Glauben“, Abschnitt 1 „Adam der erste Mensch?”)

Nein, das Leid, das wir in unserer Welt wahrnehmen und selbst erleben, ist nicht Strafe für den Ungehorsam der ersten Menschen, eine Strafe, die auch nach Jahrtausenden nicht aufhört. (Siehe den Themenbeitrag „Schöpfungsglaube und modernes Weltbild”, und dort die Anmerkungen zu 1. Mose 3, 16-19.) Nein, nicht ein längst vergangener Sündenfall ist schuld an unserem gegenwärtigen Leid, sondern unser gegenwärtiger Sündenfall besteht darin, dass jedes schuldhaft verursachte Leid nicht längst Vergangenheit ist.

Der Plan Gottes ist ein ganz anderer: Er will nicht, dass die Menschen seit Jahrtausenden in einer „gefallenen Schöpfung“ leben müssen und da Leid und Tod erfahren als Strafe für ein Fehlverhalten der ersten Menschen. Sondern es geht darum, dass in einer Wort-Gottes-tauben, Ethik-blinden und Liebe-leeren Schöpfung der Same des Göttlichen aufgeht: die Liebe, die das Menschsein zum Bild Gottes macht. Es geht in diesem Äon nicht darum, Unglück, Krankheit und Tod zu besiegen (obwohl die Bemühungen, Unglück zu vermeiden, Krankheiten zu heilen und frühzeitiges Sterben zu verhindern ja gut und richtig sind), es geht darum, dass inmitten einer Welt voll Unglück, Krankheit und Tod der Keimling von etwas bewusst Gutem, liebevoll Zugewendetem, uneigennützig Hilfreichem aufwächst, wie eine Blume im Felsgestein. Es geht darum, dass das unverschuldete Leid gemindert wird und das verschuldete Leid überwunden wird durch eine Liebe, die „den Nächsten liebt wie sich selbst“.

Der „Garten Eden“ war nicht der Urzustand der Schöpfung. Er war vielmehr in der schon voll entfalteten Schöpfung als Lebensraum angelegt für etwas ganz Neues, etwas, was mit Energie, Materie und Leben, mit Physik, Chemie und Biologie allein nicht zu erklären ist. Gott hat in seine Schöpfung einen senfkornkleinen Keim gelegt von etwas, durch das im Miteinander der Menschen das Leid (wenigstens ansatzweise) überwunden werden kann. Dieser Same ist zugleich auch jene Kraft, die die Schöpfung hervorbrachte, ist Himmel auf Erden, Gott im Menschsein, Vollendung mitten im Vorläufigen: Die Bibel nennt es „Liebe”. Die Liebe ist etwas „jenseits” von Physik, Chemie und Biologie. Sicher, sie braucht in dieser Welt und Zeit eine materiell-biologische Handlungs-Grundlage, aber nichts in der Materie der Sternensysteme im Weltall und nichts in der Biologie der Millionen Lebensformen auf der Erde deutet darauf hin, dass so etwas möglich sein könnte: Die Liebe als bewusste Zuwendung zum Du ohne Eigennutz und Selbstüberhöhung.

Wir können das Menschsein als Gemeinschaft der Liebe (also das Menschsein, wie es von Anfang der Schöpfung an von Gott gemeint und gewollt ist) auch im Form einer mathematischen Gleichung ausdrücken (vgl. das Thema „Die Frage nach den Sinn“ im Bereich 1 „Grundfragen des Lebens“, Beitrag 4 „Die progressive Weltformel“):

Der Mensch = Materie + Biologie + Liebe (oder: + Gott).

Die Materie, aus der ein Lebewesen besteht, ist aus den gleichen Atomen zusammengesetzt, wie der Staub auf der Straße oder die Krater auf dem Mond. Es gibt keine besondere „Lebens-Materie“. Das Leben ist Materie, allerdings in einer völlig neuen Daseinsweise als lebender Organismus. (Siehe das Thema „Leben und Tod“)

Die Biologie des Menschen ist genau so aufgebaut und funktioniert nach den gleichen Gesetzmäßigkeiten, wie alles Leben – speziell das Leben bei allen Säugetieren; das schließt auch alle geistigen Leistungen mit ein. Es gibt keine besondere „Menschen-Biologie“. Das Menschsein ist wie alles Leben Materie plus biologische Information und Funktion im Gesamtzusammenhang des Lebens auf dieser Erde.

Was zur Materie und zur Biologie noch dazu kommen muss, damit ein Lebewesen „Mensch“ genannt werden kann, ist seine Berufung als „Bild“ Gottes, oder anders ausgedrückt, seine Fähigkeit zu lieben, denn „Gott ist die Liebe“ (1. Jo 4, 7+8). Menschsein ist Materie und Biologie, aber mit einer besonderen Berufung als Liebesgemeinschaft, die ihn zum „Eben-Bild Gottes“ macht. (Siehe das Thema „AHaBaH – das Höchste ist lieben“.)

Eine solche Interpretation widerspricht nicht der biblischen Offenbarung. (Vgl. das Thema „Schöpfungsglaube und modernes Weltbild”, da wird der Text des „Schöpfungsberichtes” in den ersten drei Kapiteln der Bibel Vers für Vers mit dem Blick auf das gegenwärtige moderne Weltverständnis erläutert). Dort (1. Mose 1,1 – 2,4) wird ganz nüchtern und sachlich dargestellt, wie das Universum gebildet wurde, wie dann auf einem der unzähligen Himmelkörper, der Erde, die Voraussetzungen geschaffen wurden, dass da ein geeignetes Umfeld für das Leben entstehen konnte: Licht und Wärme durch die Sonne, Tag und Nacht durch die Erddrehung, Land und Meer und schützende Atmosphäre … Dann wird beschrieben, wie das Leben gebildet wurde und sich ausbreitete: Pflanzen und Tiere und zum Schluss der Mensch. Da steht nichts von einem schattenlosen „paradiesischen” Urzustand der Schöpfung, in der es kein Leid, keinen Schmerz und keinen Tod gab.

Die Natur war von Anfang an ein integriertes Ganzes, in dem ein Einzelnes nur leben kann, wenn es in das Ganze eingeordnet bleibt und eines vom andern und mit dem andern lebt: Kampf ums Dasein, ja, aber auch Lebensgemeinschaft und Symbiose, ja, die eine alle Lebensformen umfassende Symbiose des Lebens auf dieser Erde in der jedes Leben sich vom andern Leben nährt. Aber da hinein, mitten in diese großartige und doch auch leidvolle Natur, legt der Schöpfer den Keim von etwas ganz Neuem. Davon wird im Folgenden die Rede sein. Dabei will ich versuchen, das Gemeinte mit einer Gleichnisgeschichte zu verdeutlichen: „Das Gold der Liebe”.

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Bodo Fiebig Die Frage nach dem Leid“, Version 2017 – 10

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